Einblicke in eine kaum bekannte Welt
11.05.2023 Wintersingen, BaselZu Besuch im Krematorium
Der Arbeitsplatz von Marcel Hänni aus Wintersingen befindet sich auf dem Friedhof am Hörnli in Basel. Dort ist er zusammen mit seinem Team für den Bestattungsbetrieb zuständig. Kürzlich gab er einer Gruppe Wintersinger einen Einblick ...
Zu Besuch im Krematorium
Der Arbeitsplatz von Marcel Hänni aus Wintersingen befindet sich auf dem Friedhof am Hörnli in Basel. Dort ist er zusammen mit seinem Team für den Bestattungsbetrieb zuständig. Kürzlich gab er einer Gruppe Wintersinger einen Einblick «hinter die Kulissen».
Brigitte Keller
Marcel Hänni und seine Frau Sabine wohnen seit rund eineinhalb Jahren in Wintersingen. Dort organisiert die ortsansässige Spitex regelmässig Rundgänge und Führungen zu interessanten Betrieben und Arbeitsplätzen. Hänni, seit 13 Monaten für das Bestattungswesen in Basel tätig, bot an, eine Führung an seinem nicht alltäglichen Arbeitsplatz zu machen.
Eine Führung durch die Räume für die Aufbahrungen, das Sarglager, die Kühlräume und gar das Krematorium ist nicht jedermanns Sache, wie Nadine Blaser, Organisatorin bei der Spitex, aufgrund der anfänglich etwas zurückhaltenden Anmeldungen feststellte. Jene, die sich vergangenen Samstag vor Ort einfanden, waren jedoch sehr interessiert. Sie erhielten einen «Einblick in eine Welt, die im Alltag verborgen bleibt und doch alle etwas angeht», wie es in der Einladung hiess.
Grösster Friedhof der Schweiz
Bei der Begrüssung durch Marcel Hänni gab es ein paar kurze Hintergrundinformationen zum Friedhof am Hörnli. Dieser sei mit rund 54 Hektaren der grösste Friedhof der Schweiz und bestehe seit 91 Jahren. Das erste Krematorium, auf dem damaligen Horburgfriedhof, wurde 1896 gebaut. Auf dem sogenannten Prominentenfeld in der Nähe des Eingangs steht unter anderem der Grabstein von Alfred Rasser und ein Gedenkstein für die Opfer vom Mordfall Seewen. Wer mehr zu den bekannten Persönlichkeiten und ihren Grabstätten wissen möchte, dem empfiehlt Hänni das Buch «Letzte Ruhe am Rheinknie».
Neben den Prominenten, die auf dem Hörnli begraben wurden, kam Hänni aus Aktualitätsgründen auch kurz auf die fast ebenso berühmten Rehe zu sprechen, die sich auf dem Gelände aufhalten. «Zurzeit haben wir noch circa 42 Rehe, 21 sind ausgesiedelt worden in den Jura.» Der Rundgang führte weiter über den zentralen Kapellenplatz, wo sich die verschieden grossen Kapellen sowie eine Halle für die Waschungen nach muslimischem Ritual befinden.
Danach ging es weiter zu den sieben Aufbahrungsräumen. Neben der offenen Aufbahrung gibt es die geschlossene Aufbahrung, wo sich der Sarg mit dem Leichnam hinter einer Glaswand befindet.
Die Teilnehmer des Rundgangs waren sehr interessiert an Details und stellten viele spezifische Fragen. Hänni gab gerne Auskunft. Als privater Teilnehmer war ganz spontan auch Martin Burkart an der Führung dabei, ebenfalls in Wintersingen zu Hause und seines Zeichens Bestatter. Auf Wunsch konnte er noch ergänzende Angaben machen. Beispielsweise zur Dauer einer Aufbahrung und zur Art und Weise und des Zeitraums, in dem sich ein Körper nach dem Tod verändert. Jeder Körper verhalte sich anders und daher werde immer individuell angeschaut, was sinnvoll sei.
Bereits an dieser Stelle kamen viele Fragen zum Thema Einäscherung. Ein Teilnehmer konnte sich nicht vorstellen, dass die ganze Asche eines Menschen samt Sarg in einer Urne Platz habe. Obwohl die Urnen nicht sehr gross seien, fände die Asche zu 99 Prozent immer Platz in einer Urne, versicherte ihm Hänni. «Dann brauche ich nicht mehr abzunehmen», meinte der Herr, offenbar zufrieden mit dieser Auskunft. Auch Humor hat durchaus Platz an diesem Ort.
Anschliessend bekamen die Teilnehmer Einblick in die «Katakomben» des Betriebsgebäudes, wo sich unter anderem die Kühlräume befinden. Ebenfalls hier ist die Halle, wo die Verstorbenen – es sind rund 15 bis 20 pro Tag – angeliefert werden, sowie das daran angeschlossene Sarglager. Nach dem Durchgang durch die Kühlräume standen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer schliesslich im neuen Krematorium, das im Frühling 2018 eröffnet wurde. Hänni erklärte die Funktionsweise der drei Ofenlinien, den Prozess der Einäscherungen und alles, was daran anschliesst. Im vergangenen Jahr fanden rund 5200 Kremationen statt.
Beruf und Berufung
Marcel Hänni hat ursprünglich Möbelschreiner gelernt und auch das Restaurieren von antiken Möbeln. Einige Jahre lang führte er ein eigenes Antiquitätengeschäft und war danach im Verkaufsinnen- und -aussendienst tätig. Mit dem Tod des Vaters im Jahr 2007 wuchs sein Interesse am Thema «Tod und Sterben» und als er vor rund eineinhalb Jahren die ausgeschriebene Stelle sah, bewarb er sich. Hännis Tätigkeit umfasst das Krematorium, Kapellendienst und Urnenbeisetzungen.
Auch Angehörige zu begleiten, gehört zu seinen Aufgaben. «Die einen wollen ihre Ruhe haben, bei anderen spürt man, dass sie reden wollen und dann lässt man sie erzählen.» Es sei ein abwechslungsreicher, manchmal herausfordernder, aber vor allem ein dankbarer Beruf. Am Ende der Führung fällt gar das Wort «Berufung».