«Das Leben soll im Zentrum stehen»
03.05.2023 OrmalingenPodiumsgespräch im Zentrum Ergolz über Alter und Altern
Am ersten «Ergolztalk» dieses Jahr diskutierten drei Spezialisten für Altersfragen über das Älterwerden sowie aktuelle Herausforderungen in der Altersund Gesundheitspolitik.
Paul ...
Podiumsgespräch im Zentrum Ergolz über Alter und Altern
Am ersten «Ergolztalk» dieses Jahr diskutierten drei Spezialisten für Altersfragen über das Älterwerden sowie aktuelle Herausforderungen in der Altersund Gesundheitspolitik.
Paul Aenishänslin
Das Thema «Alter und Altern» zog am Donnerstagabend im Zentrum Ergolz in Ormalingen um die 100 meist ältere Besucherinnen und Besucher an, die dem Gespräch von drei Fachpersonen mit dem Moderator Michael Sokoll folgen wollten. Zuerst kam Stephan Kunz, der Geschäftsführer des Zentrums Ergolz, zu Wort. Er gab an, dass in seinem Alters- und Pflegeheim rund 110 Personen betreut werden, die sich in vier Pflege- und sechs Demenzwohngruppen aufteilen. Ein dritter Schwerpunkt des Zentrums ist die Palliativpflege.
Bei den Bewohnern des Zentrums Ergolz soll das Leben im Zentrum stehen, erklärte Kunz, was mit vielfältigen Aktivitäten und Angeboten und einer guten Gastronomie erreicht wird. Dies erfordert allerdings einen grossen Mitarbeiterstab von gegen 200 Personen.
Anschliessend kam der Soziologe und Altersforscher Professor François Höpflinger zu Wort, der drei Faktoren anführte, die dazu führen, dass es heute viele 80- und 90-Jährige gibt, die noch ausgesprochen aktiv und munter sind, wie es früher nur ganz selten der Fall war: Erstens die finanzielle Unterstützung durch die AHV und weitere Sozialwerke, zweitens ein Lebensstil mit viel Bewegung und geistiger Anstrengung fast wie in früheren Lebensjahren und der medizinische Fortschritt.
Festzuhalten ist besonders, dass im Alter alles von der Gesundheit abhängt. So gibt es schwer kranke 70-Jährige, die sich schon sehr alt fühlen, und «purlimuntere» 90-Jährige, deren Körper alt wird, die aber im Geist noch wahre Teenager sind. Der Körper altert, der Geist nicht.
Gabriele Marty, Leiterin der Abteilung Alter in der Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion des Kantons Baselland, ging auf mehrere aktuelle Fragen ein, die sich für eine Aufsichtsbehörde von 30 Alters- und Pflegeheimen im Baselbiet stellen, die durchschnittlich 58 Bewohner aufweisen, wobei die Spannweite von 21 bis 200 Bewohnern reicht.
Die Grundfrage laute, ob es auch künftig möglich sein wird, eine gute Versorgung sicherzustellen, die bezahlbar bleibt. Finanzierungsfragen bleiben also wichtig bei einer Vielzahl von Kostenträgern, aber auch passgerechte Angebote für alte Menschen. Es zeigt sich, dass sich die Ansprüche, die an ein gutes Leben im Alter gestellt werden, nach oben verschoben haben – öfters nicht von den alten Personen selbst, die in ein Alters- oder Pflegeheim eintreten möchten, sondern von ihren Angehörigen. Die Tendenz geht zu hoch spezialisierten Altersheimen, die eine Pflege anbieten, die auf die Art der Erkrankung der betagten Person ausgerichtet ist, wie es auch im Zentrum Ergolz der Fall ist. Klar ist auch, dass diese Angebote wesentlich mehr kosten als früher, als noch viele leidlich gesunde Alte ins Altersheim gegangen sind.
Demenzkranke in Heim einbetten
In der nachfolgenden Diskussion der drei Fachspezialisten im Austausch mit dem Moderator und dem Publikum kamen eine Vielzahl von Fragen auf, die sich rund ums Alter und das Altern stellen. So ist es zum Beispiel wichtig, dass Demenzkranke im Alters- und Pflegeheim gut eingebettet sind und ein ruhiges Leben führen können, das ihnen ein Gefühl des Wohlbefindens vermittelt. Demenzkranke und Palliativpatienten brauchen unterschiedliche Betreuungsangebote. Für Professor Höpflinger ist es ganz wichtig, dass der Eintritt in ein Alters- und Pflegeheim gut vorbereitet und von der betroffenen Person mitgetragen wird. Ein «Diktat» der Angehörigen ist zu vermeiden.
Einen breiten Raum nahmen in der Diskussion dann auch noch alle Fragen um den Pflegenotstand ein, der in vielen Alters- und Pflegeheimen herrscht. Wie Kunz erklärte, wird es zunehmend schwierig, gutes Personal zu finden. Es ist auch so, dass das Pflegepersonal immer mehr mit Bürokratie beschäftigt ist und weniger Zeit bleibt für die Betreuungsarbeit. Wie dieses Problem zu lösen ist, bleibt unklar, da die Kostenträger möglichst lückenlos Aufschluss haben möchten, welche Pflegeleistungen erbracht werden. Marty erinnerte daran, dass nun auch noch die von Volk und Ständen angenommene Pflegeinitiative umzusetzen ist.
Insgesamt war der «Ergolztalk» über das Alter und das Altern ausgesprochen informativ. Das Altern verläuft heute anders als früher, als die Lebenserwartung wesentlich tiefer war. Aber das Altsein mit Gebresten und Krankheiten stellt mancherlei Herausforderungen.