Hohes Amt im hohen Norden
27.04.2023 VolleyballNikolas Buser wird Cheftrainer des finnischen Frauen-Nationalteams
Aufgrund der Sprachbarriere fast unentdeckt ist im Januar ein Oberbaselbieter zum Cheftrainer des finnischen Frauen-Volleyballnationalteams ernannt worden: Der 38-jährige Nikolas Buser übernimmt das Team kurz vor ...
Nikolas Buser wird Cheftrainer des finnischen Frauen-Nationalteams
Aufgrund der Sprachbarriere fast unentdeckt ist im Januar ein Oberbaselbieter zum Cheftrainer des finnischen Frauen-Volleyballnationalteams ernannt worden: Der 38-jährige Nikolas Buser übernimmt das Team kurz vor der Europameisterschaft.
Sebastian Wirz
In der Schweiz ging die Nachricht vom 19. Januar wohl unter. Keine Newsmeldung vom Schweizer Volleyballverband, kein Hinweis auf der Sportseite der «Volksstimme». Dabei war der Inhalt der Nachricht alles andere als alltäglich. Das Problem war wohl die Sprache: «Sveitsiläinen Nikolas Buser Suomen naisten lentopallomaajoukkueen päävalmentajaksi», stand da auf der Website des finnischen Volleyballverbands.
Hinter diesem Gedicht von einem Satz verbirgt sich nicht weniger, als dass mit Nikolas Buser ein Schweizer Cheftrainer des finnischen Frauen-Nationalteams wird. Der ehemalige Spieler des VBC Gelterkinden macht in den kommenden Wochen den Schritt von der Juniorinnenauswahl Finnlands zu derjenigen der Frauen und übernimmt somit ein Team, das bezüglich Stärke mit dem Schweizer Pendant verglichen werden kann.
Beide Länder qualifizierten sich für die Europameisterschaften 2019 und 2021, wo sie jeweils mit einem Sieg und vier Niederlagen in der Gruppenphase ausschieden. In den beiden EM-Schlussranglisten werden die Finninnen ebenso knapp vor den Schweizerinnen geführt wie in der aktuellen Weltrangliste, in der sie sechs Plätze vor der Schweiz die Nummer 40 sind. Beide Teams werden ab dem 16. August an der EM mit von der Partie sein. «Es ist eine grosse Ehre, dass mir dieses Vertrauen entgegengebracht wird», sagt Nikolas Buser, «es ist nicht alltäglich, dass der Nati-Trainerposten an einen Ausländer vergeben wird.»
VBC Gelterkinden als Einstieg
Die Anstellung ist die Belohnung für Busers jahrelange professionelle Arbeit. Seit mehr als 10 Jahren ist der Volleyballsport der Lebensmittelpunkt des heute 38-Jährigen. In Buus und Füllinsdorf aufgewachsen, kam er einst über Kontakte am Gymnasium zum VBC Gelterkinden. Buser lernte schnell und akribisch. Nicht selten war er vor Trainings oder Spielen mutterseelenalleine in der Halle anzutreffen und arbeitete etwa an seinem Jumpserve. Er wurde nicht nur eines der Zugpferde der ersten Mannschaft und war Mitte der Nullerjahre massgeblich am Wiederaufstieg in die 1. Liga beteiligt, sondern engagierte sich nach nur einem Jahr im Verein auch als Trainer. «Während des Sportstudiums in Basel war das eine ideale Gelegenheit, um die Theorie, die ich an der Uni lernte, im echten Leben auszuprobieren», sagt Buser.
So richtig «den Ärmel reingezogen» hat es Nik Buser in seiner Zeit beim VBC Val-de-Travers in der Nationalliga B, wo er als Assistenztrainer von Alessandro Lodi bei den Frauen agierte. «Während des Masterstudiums in Magglingen wurde klar, dass ich beruflich etwas im Sport machen wollte. Aber dass es ein Traineramt im Volleyball sein würde, hat viel mit Lodi und meinem Praktikum bei den Bundesligisten der Berlin Recycling Volleys zu tun», sagt der Oberbaselbieter. Beim zwölffachen deutschen Meister sah Buser, wie Saisonplanung, Trainingsbetrieb, Matchvorbereitung und Analyse auf allerhöchstem Niveau funktionieren. Er begann, sich mit Carl McGown auszutauschen und hospitierte bei ihm, als der Amerikaner Schweizer Nationaltrainer war. «Ich habe in diesen zwei Jahren jedes Nati-Camp beobachtet und konnte oft mit McGown reden. So hat sich die Idee entwickelt, dass ich das gerne hauptberuflich machen würde», sagt Buser heute.
Durch sein Studium und den Kontakt zum mittlerweile verstorbenen Nationaltrainer, der in Amerika als Professor im Bereich motorisches Lernen gelehrt hatte, lag Buser die wissenschaftliche Herangehensweise nahe. «Mir war und ist die direkte Anwendung von wissenschaftlichen Erkenntnissen im Bewegungslernen und deren Auswirkungen auf die Trainingsgestaltung wichtig», sagt Buser, «diesbezüglich scheinen nach wie vor viele Trainer nicht besonders offen für Veränderung zu sein. Stattdessen halten sie doch sehr stark an traditionellen Methoden und persönlichen Meinungen fest.»
Busers Weg führte nach Schönenwerd, wo er neben dem 1.-Liga-Team der Männer, mit dem er in die zweithöchste Spielklasse aufstieg, den ambitionierten Aargauer Nachwuchs betreute. «Auch wenn es zuerst ‹nur› 1. Liga war, habe ich das Volleyball ab diesem Zeitpunkt als Beruf betrachtet», erklärt er seine für diese Stufe vielleicht über-akribische Arbeitsweise und den enormen Aufwand. Nach Stationen beim Juniorennationalteam und als Assistent bei Sm’Aesch-Pfeffingen hatte Buser mit 30 Jahren bei den Schönenwerder Männern erstmals eine Cheftrainerposition in der NLA inne.
Der Wechsel in die Talent School Luzern und zu den Frauen von Volleya Obwalden, die Buser ebenfalls in die NLB führte, sollte danach nur vorübergehend ein Schritt zurück sein: Geplant war ein «Projekt NLA» in der Innerschweiz. Just zu dem Zeitpunkt, als klar wurde, dass der Verein dieses doch nicht verfolgen würde, kam eine spannende Anfrage aus dem hohen Norden: «Über das Angebot, finnischer Nachwuchs-Nationalcoach und Trainer im nationalen Zentrum zu werden, habe ich nicht sehr lange nachdenken müssen», sagt der Auswanderer. 10 Tage lagen zwischen der ersten Kontaktaufnahme und der Unterschrift.
«Der Beruf macht einsam»
Einfach fiel die Entscheidung auch deshalb, weil Buser nicht viel zurückzulassen hatte. «Aufgrund meiner Umzüge in den Jahren davor hatte ich kein grosses Umfeld. Das Einzige, was mich nachdenklich stimmte, war die Distanz zur Familie», sagt der Profi-Trainer und streift damit ein Thema, dessen sich die Öffentlichkeit kaum bewusst ist: Der Beruf des Trainers macht einsam. «Spielerinnen und Spielern gegenüber ist man der Vorgesetzte. So richtige Freundschaften können in diesem Verhältnis und unter dem stets herrschenden sportlichen Druck nicht entstehen. Daneben führt der Job dazu, dass man entweder in der Halle steht oder vor dem Computer sitzt.» Wenn nicht gerade Trainings und Spiele anstehen, analysiert der Coach zurückliegende Matches oder gegnerische Teams, beobachtet und scoutet fremde Spielerinnen, verarbeitet vergangene Einheiten und bereitet kommende vor. «Menschen trifft man da nicht.»
Es sei schon seltsam gewesen, den Wohnsitz, das Konto und alles andere aufzulösen. Doch ausgerechnet der Wechsel aus dem eigenen Land in die ferne 3500-Seelen-Gemeinde Kuortane vier Stunden nördlich von Helsinki, an einen Ort, wo Buser das Erlernen der örtlichen Sprache ebenso oft in Angriff genommen wie aufgegeben hat, brachte Erleichterung. Nicht nur der ausbleibende Resultatdruck mit dem Team des nationalen Trainingszentrums, das in der zweithöchsten Liga an der Meisterschaft teilnimmt, aber nicht absteigen kann, hat Buser gutgetan. Er ist mehr als nur angekommen in Finnland und wird im Frühling heiraten. «Mir gefällt es sehr, sehr gut in Finnland. Die Leute sind den Schweizern relativ ähnlich. Es gibt eine gewisse Zurückhaltung und eine Wertschätzung der Privatsphäre», sagt er. Die Menschen seien höflich und freundlich. Die Sprachbarriere sei auf jeden Fall vorhanden und hoch, aber alle redeten sehr gut Englisch. Alles gute Gründe, in Finnland zu bleiben und nun den grossen Schritt zum Nationaltrainer der Frauen zu wagen – auch wenn der Resultatdruck damit wieder grösser wird.
Und die Schweiz? Dorthin kehrt Buser im Juli als Nationaltrainer mit dem finnischen Team für ein paar Testspiele zurück, ehe es im August an der Europameisterschaft ernst gilt. Buser freut sich auf die Spiele, das Wiedersehen mit Familie und Freunden – und auf die Alpen. «Hier im Westen Finnlands sieht man wirklich weit. Ich vermisse die Berge sehr.»