«Es könnte eine Überraschung geben»
31.01.2023 BaselbietManuel Ballmer und Thomi Jourdan stellen sich den Fragen zu ihrer Regierungsratskandidatur
Der eine ist schon seit 25 Jahren in der Politik aktiv, der andere ist ein Quereinsteiger. Aber beide wollen sie am 12. Februar in den Regierungsrat gewählt werden. Im Interview erläutern Thomi ...
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Der eine ist schon seit 25 Jahren in der Politik aktiv, der andere ist ein Quereinsteiger. Aber beide wollen sie am 12. Februar in den Regierungsrat gewählt werden. Im Interview erläutern Thomi Jourdan (EVP) und Manuel Ballmer (GLP) ihre Vorstellungen von guter Regierungsarbeit und was sie in den nächsten vier Jahren besser machen wollen.
Thomas Immoos
Herr Jourdan, Herr Ballmer, Sie kommen gerade von einem Podiumsgespräch am Gymnasium Münchenstein, gemeinsam mit dem SP-Kandidaten Thomas Noack. Wie haben Sie das Podium mit den Schülerinnen und Schülern erlebt?
Thomi Jourdan: Es wäre schön gewesen, wenn alle neu Kandidierenden, also auch die SVP-Kandidatin Sandra Sollberger, hier gewesen wären. Noch besser natürlich, wenn auch die bisherigen vier Mitglieder des Regierungsrats teilgenommen hätten, um zu erfahren, wie sie zu zentralen Fragen, etwa der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit oder zu steigenden Gesundheitskosten stehen.
Manuel Ballmer: Es hiess, die SVP-Kandidatin trete nur gemeinsam mit den beiden anderen bürgerlichen Kandidierenden auf. Dabei wäre es sicher aufschlussreich gewesen, wenn die Schülerinnen und Schüler von allen neu Kandidierenden erfahren hätten, wie sie im Baselbiet beispielsweise den allfälligen Strommangel angehen.
Herr Jourdan, es wird gesagt, Ihr Wahlkampf erinnere stark an jenen von Isaac Reber aus dem Jahr 2011, der damals das ganze Baselbiet mit seinen Wahlplakaten «zupflasterte».
Jourdan: Es trifft sicher zu, dass Isaac Reber damals sehr viele Plakate aufhängen liess. Das ist der einzige Vergleich, den man machen könnte. Die Plakate haben zum Ziel, meine Kandidatur bekannt zu machen. Ich stelle fest, dass sich die Zugriffszahlen auf meine Homepage vom ersten Tag der Plakatierung an verfünffacht haben. Und das ist gut so: Denn wer sich mit meiner Kampagne beschäftigt, entdeckt auf meiner Website viele Inhalte und sachpolitische Aussagen. Und kann zum Beispiel auch die Kaminfeuergespräche anschauen, bei denen ich mit Persönlichkeiten aus den Bereichen Energie, Gesundheit und Pflege, Wirtschaft, Bildung und so weiter Themen diskutiere, die sich unserem Kanton als Herausforderung stellen.
Manuel Ballmer, Sie werden ja stets als Aussenseiter bezeichnet. Auch am Podium am Gym Münchenstein haben Sie selber darauf hingewiesen. Sind Sie wirklich ein Aussenseiter?
Ballmer: Die Grünliberale Partei (GLP) wird bei diesen Wahlen immer gern als Aussenseiter bezeichnet. Das mag man so sehen. Aber wir sind durchaus nicht chancenlos.
Kann man Ihre Kandidatur eher als Anschubhilfe für Ihre gleichzeitige Kandidatur für den Landrat betrachten? Oder anders gefragt: Wollen Sie eigentlich gar nicht Regierungsrat werden?
Ballmer: Ich würde sicherlich nicht Geld für eine kantonsweite Kampagne ausgeben, an so vielen Auftritten wie heute hier am Gym Münchenstein teilnehmen und kandidieren, wenn ich nicht wirklich Regierungsrat werden wollte. Ich wäre auch nicht angetreten, wenn ich nicht eine Chance sehen würde, gewählt zu werden. Wenn man die Berichte zu den Wahlen in den Medien liest, könnte man glauben, was für tolle Arbeit die Bisherigen gemacht haben. Dabei lassen sich in einigen Belangen Führungsversagen des Regierungsrats feststellen, Bereiche, in denen wir nicht vorwärtskommen.
Wo zum Beispiel?
Ballmer: Gerade vergangene Woche haben wir gesehen, dass die Richter Entscheide des Regierungsrats zurückpfeifen. Die Regierung verordnete einen Ärztestopp, was das Gericht als nicht rechtens bezeichnete. Der Regierungsrat hat hier offensichtlich seine Kompetenzen überschritten und in dieser wichtigen Frage nicht einmal die Meinung des Landrats eingeholt. Oder das Biozentrum-Debakel mit den Kostenüberschreitungen. Im Nachbarkanton gab es dazu eine Parlamentarische Untersuchungskommission, die das Ganze auf Hunderten von Seiten aufgearbeitet hat; und im Baselbiet nimmt man es einfach hin. Die Regierung hat offensichtlich einige Probleme, ihre Planung und Strategie gut rüberzubringen. Oder auch bei den Steuerreformen: Da wird der Regierungsrat immer wieder vom Bundesgericht zurückgepfiffen.
Jourdan: Tatsächlich spricht die Regierung zu wenig mit dem Volk und dem Landrat. Deshalb sind auch wichtige Vorlagen an der Urne gescheitert, wie etwa Salina Raurica oder andere Infrastrukturprojekte. Und was die Steuerreformen angeht, so bedaure ich, dass die Regierung jeden Revisionsschritt einzeln vorlegt. Dieses Vorgehen führt immer wieder zu parteipolitischen Grabenkämpfen mit der Gefahr von Blockaden. Aus meiner Sicht wäre es transparenter und hätte eine grössere Chance für einen Gesamtkonsens, wenn die verschiedenen Themen zu einem von allen Seiten austarierten Gesamtpaket geschnürt würden, das danach vom Parlament breit abgestützt der Bevölkerung zur Abstimmung vorgelegt wird.
Herr Jourdan, vor zehn Jahren, bei Ihrer ersten Kandidatur für den Regierungsrat, haben Sie mit 46 Prozent Stimmen ein sehr beachtliches Resultat erzielt. Damals punkteten Sie mit Ihrer Jugendlichkeit. Womit wollen Sie dieses Mal überzeugen?
Jourdan: Ich kann auf eine lange berufliche und politische Erfahrung zurückblicken. Ich bin Ökonom, habe Sozial- und Gesundheitspolitik studiert, war acht Jahre im Landrat und bin seit 14 Jahren Gemeinderat in Muttenz. Zudem war ich beruflich im Gesundheitswesen und in der Gesundheitspolitik tätig und führe mittlerweile ein KMU mit mehr als 30 Mitarbeitenden. Ich glaube, dass ich damit ein spannendes Angebot für die Wählerinnen und Wähler im Hinblick auf die frei werdende Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion mache.
Sie haben klar gesagt, dass Sie die Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion (VGD) übernehmen möchten, was ja eher ungewöhnlich ist. Trauen Sie sich die anderen Direktionen nicht zu?
Jourdan: Oh doch. In Muttenz, der drittgrössten Gemeinde im Baselbiet, betreue ich das Bauwesen, im Landrat war ich in der Finanzkommission. Aber es scheint nun einmal so, dass die vier Bisherigen ihre Direktionen behalten, sodass nur die VGD von Thomas Weber zu besetzen ist. Und dafür bringe ich fachliche Kompetenz und Erfahrung mit. Ich traue mir auch jede andere Direktion zu.
Sie, Herr Ballmer, haben bislang kein politisches Mandat innegehabt. Betrachten Sie dies als Nachteil? Ballmer: Nein, im Gegenteil. Ich bin ja seit Langem politisch aktiv, wenn auch nicht in einem gewählten Amt. Ich habe die GLP im Baselbiet mitbegründet. Aber die mangelnde Erfahrung in politischen Ämtern ist durchaus auch ein Vorteil. Ich habe den unbefangenen Blick von aussen. Es gibt immer wieder erfolgreiche Quereinsteiger, wie man kürzlich in den Kantonen Waadt und Zug gesehen hat, oder im Kanton Nidwalden, wo der GLP-Kandidat Peter Truttmann überraschend gewählt wurde. Aber ich kann auch auf eine breite Unterstützung zählen, aus meinem Umfeld, aber auch das Komitee mit Mitgliedern der Grünen und der «Mitte» steht hinter mir.
Ihnen, Manuel Ballmer, sagt wohl vor allem das V in der VGD zu …
Ballmer: Nur weil ich mich gesundheitspolitisch noch nicht gross geäussert habe, heisst das nicht, dass ich hier nicht Akzente setzen könnte. Ich habe zum Beispiel beim gleichen Professor wie Thomi Jourdan Gesundheitsökonomie studiert. Ich durfte für zwei Jahre eine Krankenkasse bei ihrer Digitalisierungsstrategie unterstützen und habe so einen tieferen Einblick in das Gesundheitswesen erhalten.
Sie beide sagen übereinstimmend, die bisherige Regierung habe in den vergangenen vier Jahren zu wenig gut gearbeitet. Wo genau besteht denn Handlungsbedarf?
Jourdan: Grundsätzlich gilt, dass es in der Politik schneller gehen muss. Die politischen Prozesse dauern zu lange. Die Bevölkerung muss früher und vertiefter in Entscheide einbezogen werden, damit die Richtung vorgegeben wird. Was die Sachthemen angeht: Bei der Klimapolitik muss man endlich handeln. Im Gesundheitswesen schwebt mir eine Gesundheitsregion vor, in die neben Basel-Stadt auch die Kantone Jura, Solothurn und Aargau einbezogen werden. Zu einer erfolgreichen Standortförderung gehört vor allem eine funktionierende multimodale Verkehrserschliessung. Da hapert es immer wieder. Hier braucht es eine gesamtheitliche Betrachtungsweise: Der motorisierte Individualverkehr, der öV und der Langsamverkehr müssen miteinander geplant – und die Bevölkerung frühzeitig einbezogen werden.
Ballmer: Mir erscheint die Digitalisierung sehr wichtig. Bei der Klimastrategie sollten zudem erneuerbare Energien stärker gefördert werden. Taten sind auch im Gesundheitswesen gefragt. Ich habe eine Umfrage lanciert und bereits mehr als 500 Antworten dazu erhalten.
Was lässt sich da herauslesen?
Ballmer: Demnach wünschen sich die Baselbieterinnen und Baselbieter an erster Stelle tiefere Krankenkassenprämien, an zweiter Stelle folgen der Ausbau der Solarenergie und die Bekämpfung der Klimakrise vor einem starken und günstigen öV. Zu den steigenden Krankenkassenprämien beispielsweise habe ich von keiner der Regierungsparteien wirklich neue Ansätze gehört, wie man dagegen ankämpfen könnte. Ob die Gesundheitsregion wirklich zeitnah Vorteile bringt, glaube ich weniger, etwa gerade im Kanton Jura sehe ich andere Pläne. Mir schwebt eine integrierte Versorgungsregion vor, in der Leistungserbringer und Versicherer mehr zusammenspannen. Das bringt einen besseren Informationsaustausch zwischen Spitälern, Ärzten, Apotheken, Krankenkassen, Spitex und so weiter.
Zur Finanz- und Steuerpolitik: Sollen die Steuern im Baselbiet weiter gesenkt werden?
Ballmer: Ich halte nicht viel von einem Steuerwettbewerb unter den Kantonen. Im Baselbiet gibt es zu grosse Abweichungen in der Steuerlast zwischen Hauseigentümern und Mietern. Aber Steuern weiter zu senken, halte ich nicht für gut. Dann fehlen dem Kanton – und den Gemeinden – finanzielle Mittel, beispielsweise für die Bildung oder das Gesundheitswesen. Vermutlich verkauft sich das Baselbiet interkantonal zu wenig gut. Denn so steuerlich unattraktiv, wie es oft dargestellt wird, ist das Baselbiet gar nicht.
Jourdan: Genau. Wir Baselbieter dürfen selbstbewusster auftreten und auf unsere Stärken verweisen. Das Baselbiet hat viele Stärken, die man in die Waagschale werfen kann: Wir sind ein starker Wirtschaftsstandort mit vielen KMU, haben gute Verkehrsverbindungen, hervorragende Bildungsinstitutionen und vieles mehr. Das Baselbiet hat eine sehr soziale Steuerkurve, welche die unteren Einkommen stark entlastet.
Trotzdem gibt es einen regen Steuerwettbewerb unter den Kantonen …
Jourdan: Wir sollten den Steuerwettbewerb nicht weiter anheizen; aber ich bin der Meinung, dass wir bei der Einkommenssteuer eine starke Progression haben und es angezeigt ist, im interkantonalen Vergleich einen Mittelfeldplatz anzustreben. Der Mittelstand, und damit indirekt auch die KMU, sollten entlastet werden, denn dieser bildet das Rückgrat unserer Wirtschaft.
Ballmer: Die Regierung und das Parlament scheuen offenbar die politische Auseinandersetzung und Diskussion zu heiklen Themen. Dabei sollte man gerade kontroverse Themen vertieft diskutieren, im Landrat wie auch in der Öffentlichkeit. Es fehlt an der Leidenschaft, sich dem Diskurs zu stellen und gangbare Lösungen zu finden.
Jourdan: Die Politik sollte weniger Angst haben vor dem Diskurs mit der Bevölkerung respektive auch einmal vor einem Nein. Es braucht den frühzeitigen Einbezug der Bevölkerung, bevor viel Geld für Planungen ausgegeben wird. Je früher der Einbezug, desto grösser sind dann auch die Erfolgschancen. Diese Haltung fehlte bei der Planung von Salina Raurica, die dadurch scheiterte. Und das droht nun auch dem Zubringer Allschwil (Zuba) – weil zuerst geplant und dann erst die Bevölkerung gefragt wird …
Ballmer: Beim Zuba kommt noch hinzu, dass Baselland es nicht alleine in den Händen hat. Hier sind wir auf gute Zusammenarbeit mit unserem Partner Basel-Stadt angewiesen. Auch schon bei der PUK zur Uni-Affäre zeigte sich, dass man im Baselbiet lange die Meinung vertrat, man müsse nicht 50 Prozent der Kosten tragen, weil Basel-Stadt den Lead in dieser Sache hatte. Der federführende Kanton sollte deshalb auch mehr an den entstandenen Schaden bezahlen. Das ist Rosinenpickerei vonseiten der Baselbieter Regierung. Das ist keine ehrliche Partnerschaft.
Jourdan: Es zeugt auch hier einmal mehr von fehlendem Selbstbewusstsein des Baselbiets. Wir sind ein starker Kanton und Teil einer starken Region, in der wir gemeinsam Lösungen erarbeiten müssen, die unsere Region und damit unseren Kanton vorwärtsbringen.
Zur Energiepolitik: Was kann der Kanton tun, soll er Photovoltaikanlagen (PVA) fördern oder den Energiefonds wieder äufnen?
Ballmer: Ich bin nicht für eine direkte Finanzierung von PVA und ähnlichen Anlagen durch den Staat. Mir schwebt eher eine Art günstiger Energiekredit mit einer langen Laufzeit und verschiedenen Modellen vor, mit dem es Hauseigentümern ermöglicht wird, entsprechende Anlagen zu bauen. Eine entsprechende Vorlage habe ich bereits ausgearbeitet, die ich in den Regierungsrat bringen oder allenfalls als Motion im Landrat einreichen werde. Der Kanton sollte nicht eigentlich Geld geben, aber Anreize für solche Investitionen schaffen.
Jourdan: Private und Wirtschaft sind bereit, im Energie- und Klimabereich zu investieren. Deshalb sollten die bürokratischen Hürden abgebaut werden, damit die geplanten Anlagen auch rasch installiert werden können. Man muss mehr tun und weniger darüber reden. Wir dürfen zudem nicht vergessen: Die Energieoffensive ist eine grosse Chance für unser lokales Gewerbe und die KMU.
Zum Schluss: Wie haben Sie den bisherigen Wahlkampf erlebt?
Ballmer: Der Wahlkampf war fast etwas zu brav. Wir hätten gerne mehr gemeinsame Auftritte mit allen Kandidierenden, einschliesslich den bisherigen Mitgliedern des Regierungsrats gehabt, damit sich die Interessierten vor Ort eine Meinung bilden können. Befremdet aber hat mich der Aufruf der Bürgerlichen, man solle nur drei Namen auf den Wahlzettel schreiben.
Jourdan: Die Stimmberechtigten haben die Freiheit, unsere Namen noch draufzusetzen. Das Baselbiet kennt weder links noch rechts eine Zauberformel. Unser Kanton hat es verdient, dass in der Regierung die fünf am besten geeigneten Persönlichkeiten sind – genauso wie wir das bei Unternehmen erwarten: Nicht ein Parteischild ist entscheidend, sondern die Erfahrung, die Kompetenz und die Persönlichkeit. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir alle am Wahlabend des 12. Februar eine dicke Überraschung erleben werden.
Zu den Kandidaten
tim. Thomi Jourdan ist 48 Jahre alt, verheiratet und Vater von drei Kindern (22/20/10) und einem Pflegekind (15). Er ist Ökonom lic. rer. pol. und führt als Geschäftsführer seit sieben Jahren ein KMU mit gut 30 Mitarbeitenden im Immobilienbereich. Zuvor war er in verschiedenen Bereichen im Gesundheitswesen tätig. Seit über vierzehn Jahren ist er Mitglied des Gemeinderats von Muttenz und Vorsteher des Departements Hochbau und Planung. Von 2000 bis 2008 war er Landrat.
Manuel Ballmer ist 42 Jahre alt, in Liestal aufgewachsen und wohnt in Lupsingen. Die Erfahrungen und Kompetenzen aus seinen verschiedenen beruflichen Stationen, die er sowohl als Arbeitnehmer als auch als Arbeitgeber sammeln konnte, möchte er nun in die Baselbieter Politik einbringen. Er ist dreifacher Familienvater. Seit mehr als 10 Jahren engagiert er sich als Gründer und Präsident einer Solargenossenschaft für die lokale Stromproduktion aus erneuerbaren Energien. Er ist Mitbegründer der Grünliberalen Basel-Landschaft und der Sektion Liestal.