Zwischen Smoking und Bratenfett
10.01.2023 BöcktenCharles Brauer las Amüsantes von David Foster Wallace
Einen urkomischen Text präsentierte Charles Brauer an der Neujahrslesung von «Kultur Böckten» am vergangenen Sonntag. Es war die 26. Lesung des Schauspielers in Böckten, und einmal mehr war sie ein ...
Charles Brauer las Amüsantes von David Foster Wallace
Einen urkomischen Text präsentierte Charles Brauer an der Neujahrslesung von «Kultur Böckten» am vergangenen Sonntag. Es war die 26. Lesung des Schauspielers in Böckten, und einmal mehr war sie ein Hochgenuss.
Barbara Saladin
Eine Seefahrt, die ist lustig – aber nicht nur. Sie kann auch merkwürdig, absurd und dekadent sein, mindestens wenn es um die Luxuskreuzfahrt geht, die David Foster Wallace in einem Essay beschreibt. Vor gewohnt vollen Rängen las der Böckter Schauspieler Charles Brauer an der traditionellen Neujahrslesung von «Kultur Böckten» einen Text des amerikanischen Schriftstellers, dessen Name für die meisten im Publikum wohl eher unbekannt war. Der Lehrer und Autor aus Illinois sei aus einer Akademikerfamilie gekommen und habe stets das Gefühl gehabt, den Erwartungen nicht zu genügen, sagte Brauer über ihn. Im Jahr 2008 nahm Wallace sich in einer depressiven Phase das Leben.
Das von Charles Brauer für die diesjährige Lesung ausgesuchte Essay hatte allerdings nichts Schweres, sondern war vielmehr urkomisch. «Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich» beschreibt eine Luxuskreuzfahrt in der Karibik, die der Autor 1995 unternommen hatte. Es ist eine Reportage über die zuweilen fast schon paradoxen Abgründe dieser Glitzerwelt auf dem Riesenschiff – einer Welt zwischen Badelatschen, blasslila Hosenanzügen und Smokings. Bissig, frech und gnadenlos treffend beschrieben (und übrigens als Taschenbuch erhältlich).
In mitreissender Manier
Sieben Tage verbrachte David Foster Wallace auf einem Kreuzfahrtschiff, das in echt «Zenith» hiess, von Wallace aber in sein Gegenstück «Nadir» umgetauft wurde und das «so sauber und weiss war wie nach einer Kochwäsche». In höchst unterhaltsamer Weise erzählt der Autor von seinen Erlebnissen und Ideen: Wie er plante, mit einem Eimer Bratenfett Haie anzulocken und weshalb dieser Plan misslang. Wie sein Versuch, seinen Koffer selber zur Kabine zu schaffen, «kafkaeske Dimensionen» annahm. Wie er herausfinden wollte, nach welchem ausgeklügelten System das Personal es schaffte, sein Zimmer ständig sauber zu machen und das Kopfkissen mit einem schokoladeumhüllten Pfefferminzplättchen zu bestücken, ohne dass er jemanden traf.
Brauer las den Text in gewohnt mitreissender Manier vor, sodass das Publikum sich fast schon selber auf dem Schiff wähnte, umgeben von den anderen Gästen und der Crew, und ob des Stampfens und Rollens vielleicht sogar ein bisschen seekrank. Es war eine wilde Fahrt durch die Kulinarik, das Unterhaltungsprogramm und die Toilettenspülung des Luxusliners. Wallaces genauer Blick auf die Mitreisenden – dem Vernehmen nach entweder «steinalt» oder «mit Flitterwochenausstrahlung» – sorgte dabei ebenfalls für viele Lacher im Publikum.
Dieses liess sich in der Pause dann zwar nicht mit Petersiliensträusschen auf Babykarotten oder Ähnlichem aus der maritimen Haute Cuisine verwöhnen, wohl aber von köstlichem Speckzopf. Schliesslich war man nicht auf Kreuzfahrt, sondern im Gemeindezentrum Böckten. Zum Glück!