Wortkarger Angeklagter
22.12.2022 Baselbiet, Justiz, RegionMuttenz | Ein junger Drogendealer schweigt vor Gericht
Wegen Drogenhandels stand gestern ein 21-jähriger Mann vor dem Strafgericht. Zu seinen Taten schwieg er – ebenso wenig sagte er etwas zu seiner Person. Und auch über die Menge des tatsächlich verkauften Kokains und ...
Muttenz | Ein junger Drogendealer schweigt vor Gericht
Wegen Drogenhandels stand gestern ein 21-jähriger Mann vor dem Strafgericht. Zu seinen Taten schwieg er – ebenso wenig sagte er etwas zu seiner Person. Und auch über die Menge des tatsächlich verkauften Kokains und Marihuanas herrschte Uneinigkeit.
Thomas Immoos
Schon nach wenigen Minuten wurde gestern die Verhandlung vor dem Strafgericht in Muttenz unterbrochen. Der Verteidiger hatte beantragt, das Verfahren gegen seinen Mandanten sei einzustellen. Denn Polizei und Staatsanwaltschaft seien durch einen Zufallsfund auf den 21-Jährigen aus dem Oberbaselbiet gestossen. In Zürich war Tage zuvor ein Mann aus dem Kanton Baselland mit Falschgeld erwischt worden; bei der Durchsuchung seiner Habseligkeiten ist man dabei auch auf Kontakte zum Angeklagten gestossen. Eine solche «fishing expedition» dürfe nicht verwertet und zulasten seines Mandanten angewendet werden, so der Verteidiger.
Nach einer längeren Beratungspause wies das Gericht unter der Leitung von Annette Meyer López den Antrag zurück. Die Delikte des Angeklagten seien nicht nur durch Zufall gefunden worden. Es gebe auch Aussagen, die der in Zürich durchsuchte Mann bei Einvernahmen gemacht habe. Zudem habe dieser von sich aus den Code zu seinen Handys freigegeben.
In der Befragung gab sich der im Baselbiet aufgewachsene Angeklagte sehr wortkarg. Zu seinen familiären, finanziellen und persönlichen Verhältnissen gab er sehr wenig preis. Und auf alle Fragen antwortete er nur mit einem knappen «Mache keine Aussage». Selbst die Frage nach seiner Muttersprache und nach seinem aktuellen Befinden blieben unbeantwortet. Als ihn die Gerichtspräsidentin zu den einzelnen Drogendeals – nachgewiesen wurden ihm über 30 Taten – befragte, kam jedes Mal die gleiche Antwort: «Ich verweigere die Aussage.»
«Nur die Spitze des Eisbergs»
Staatsanwältin Barbara Egeler äusserte ihr Bedauern darüber, dass man vor Gericht nicht erfahre, was im jungen Mann vorgeht, welche Pläne er hat und wie es um seine Finanzen steht. Was die nachgewiesenen Verkäufe von Drogen angeht, so zeigte sich Egeler überzeugt, «dass diese nur die Spitze des Eisbergs sind». Der Angeklagte hatte über diverse Handys und Smartphones telefonisch und persönliche Kontakte zu seinen Kunden, darunter auch eine Minderjährige, geknüpft. Über codierte Wörter einigte man sich über die Art der Drogen – Kokain oder Marihuana –, deren Menge und Preis sowie über die Übergabeorte. Zudem hat man in seiner Wohnung nicht nur mehrere Handys, sondern auch eine Digitalwaage, eine Hanfmühle sowie 1150 Franken Bargeld gefunden. Für die Staatsanwältin dürften die Taten nicht bagatellisiert werden. Es handle sich um mehrfache qualifizierte Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Zudem sei der Mann einschlägig vorbestraft. Zu seinen Gunsten könne höchstens das junge Alter angeführt werden. Sie beantragte eine 24-monatige Haftstrafe, die gerade noch bedingt ausgesprochen werden kann. Allerdings sei die Probezeit auf fünf Jahre festzusetzen. Prognose und Rückfallgefahr seien schwer zu beurteilen, da der Mann keine Aussagen gemacht hat. Weil der Mann keine Beziehungen zu seiner Heimat Bosnien-Herzogowina habe, sei – weil dies ein Härtefall sein – von einem Landesverweis abzusehen.
Verteidiger Christian Möckli bezweifelte in seinem Plädoyer in einigen Fällen nicht nur die Menge der verkauften Drogen. Er stellte auch infrage, ob überhaupt Verkäufe stattgefunden haben; es seien allenfalls Vorgespräche oder Verhandlungen gewesen. «Der Verkauf lässt sich über den Chat-Verlauf nicht bestätigen», hielt der Verteidiger fest. Sein Mandant sei zu einer Strafe von 180 Tagessätzen à 10 Franken zu verurteilen, dies bei einer Probezeit von zwei Jahren. Zugunsten seines Mandanten hielt der Verteidiger zudem fest, dass dieser «als Erwachsener nicht vorbestraft ist».
Die Urteilsverkündigung erfolgte gestern nach Redaktionsschluss – die «Volksstimme» berichtet am Freitag darüber.