Eine Erfolgsgeschichte auf schmalster Spur
01.12.2022 Bauprojekte, Waldenburg, KulturVor gut 142 Jahren wurde der Betrieb der Waldenburgerbahn aufgenommen
Seit 1880 verbindet die Waldenburgerbahn einen Teil des Oberbaselbiets mit Liestal und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung des gleichnamigen Tals. Lange war die Bahn auf der einmaligen Spurbreite von 75 ...
Vor gut 142 Jahren wurde der Betrieb der Waldenburgerbahn aufgenommen
Seit 1880 verbindet die Waldenburgerbahn einen Teil des Oberbaselbiets mit Liestal und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung des gleichnamigen Tals. Lange war die Bahn auf der einmaligen Spurbreite von 75 Zentimetern unterwegs. Nun wechselt sie auf die Meterspur.
Sander van Riemsdijk
Die Geschichte der Waldenburgerbahn geht auf die 60er-Jahre des 19. Jahrhunderts zurück. Im Jahr 1858 nahm die normalspurige Centralbahn als letztes Teilstück der direkten Linie Basel–Olten die Strecke Sissach–Läufelfingen in Betrieb. Damit kam der – bis dahin sehr rege – Fuhrwerkverkehr durch das Waldenburgertal fast gänzlich zum Erliegen. Das Tal sah sich seiner Haupteinkünfte beraubt und drohte zu verarmen. Engagierte Menschen wollten dies verhindern. Es wurde der Beschluss für die Erstellung einer Eisenbahn mit Lokomotivbetrieb auf der Landstrasse Liestal–Waldenburg gefasst. Die Männer unter der Führung von Gedeon Thommen aus Waldenburg und Dr. M. Bider aus Langenbruck ergriffen die Initiative. Sie beschlossen zur Belebung des Verkehrs, des Handels und der Industrie im Tal, eine Bahn zu errichten.
Die erste Konzession für den Bau einer Schmalspurbahn datiert aus dem Jahr 1880: Am 15. März konnte mit dem Bau begonnen werden, und bereits am 30. Oktober wurde der Betrieb aufgenommen. Im Jahr 1887 konnte von der Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik die G 3/3 «Waldenburg» beschafft werden.
Beschränkte finanzielle Mittel
Die Finanzierung einer Bahn stiess auf grosse Schwierigkeiten, denn das Waldenburgertal und der Kanton Baselland waren dazumal beide arm. Der Kanton konnte einzig so viel beitragen, dass er der Bahngesellschaft das Recht einräumte, denjenigen Teil der Staatsstrasse zu benutzen, der über eine 18-Fuss-Breite hinausging. Die damalige Staatsstrasse war acht Meter breit und eigentlich nur für den Fuhrwerk-Transitverkehr erstellt worden. Die finanziellen Mittel waren beschränkt. Deshalb wurde eine Bahn mit einer Spurbreite von nur 75 Zentimetern gebaut.
Die Fahrzeit von Waldenburg nach Liestal damals – mit den zwei Lokomotiven mit den Namen «Dr. Bider» und «Rehhag», mit einem Post-/Gepäckwagen sowie mit vier zweiachsigen Personenwagen, zwei gedeckten und sechs offenen Güterwagen – betrug 55 bis 60 Minuten. Schon im Jahr 1912 liess die Gesellschaft ein Projekt ausarbeiten, das den Umbau der Bahn auf eine Meterspur zur Grundlage hatte. Die grossen Baukosten und der Ausbruch des Ersten Weltkriegs verhinderten aber die Umsetzung. Hingegen wurde das bestehende Gleis im Lauf der Jahre nach und nach erneuert.
Elektrifizierung steht zur Diskussion
Die einseitige Abhängigkeit von der Kohle, die unablässig steigenden Preise dieses importierten Energieträgers und die zunehmende Konkurrenz gegenüber dem Strassenverkehr veranlassten die Verantwortlichen, sich wiederholt intensiv mit der Frage der richtigen Traktionsart auseinanderzusetzen – zum ersten Mal bereits im Jahr 1902. Mit dem Kriegsausbruch 1914 verschwanden die Pläne allerdings wieder in der Schublade.
Es dauerte bis zum Jahr 1951, als der Landrat sich endgültig für die Elektrifizierung entschied. Unter grosser Beteiligung der Bevölkerung des Waldenburgertals wurde am 26. Oktober 1953 die Elektrifizierung mit 1500 Volt eingeweiht, was gleichbedeutend mit der Stilllegung des Dampfbetriebs war. Die unternehmerische Weichenstellung mit der Elektrifizierung in Richtung einer modernen Bahn machte sich sofort bezahlt: Fuhren zu Beginn jährlich etwa 380 000 Personen mit der Bahn, waren es ein Jahr später bereits fast 506 000 Fahrgäste. Im Jahr 1986 stieg die Zahl der beförderten Personen erstmals auf über 1 Million an.
Mit der Elektrifizierung verschwanden die alten Dampfloks: Nummer 5, «G. Thommen», wurde im Depot Waldenburg als Reserve remisiert und später als Freilichtdenkmal beim Bahnhof Liestal installiert. Die Schwesterlok mit der Nummer 6, «Waldenburg», gelangte ins Verkehrshaus in Luzern und die Loks mit den Nummern 4 und 7 wurden verschrottet.
Wechsel auf Meterspur
Per Juni 2016 fusionierte die Waldenburgerbahn mit der ebenfalls mehrheitlich dem Kanton Baselland gehörenden Baselland Transport AG (BLT). Im Hinblick auf die Erneuerung des Rollmaterials wurde bereits vor der Fusion über den Wechsel der Spurweite auf einen Meter diskutiert. Nach langwierigen Debatten beschloss der Landrat schliesslich am 17. Dezember 2015, mit 57 zu 20 Stimmen bei einer Enthaltung, die Umspurung auf 100 Zentimeter und führte damit die Waldenburgerbahn nach der Elektrifizierung an den zweiten Wendepunkt ihrer Geschichte.
Der Landratsentscheid bedeutete die Abkehr von der 75-Zentimeter-Spurbreite, die schweizweit als Kuriosum galt, und ebenso das Ende der beliebten Nostalgiefahrten mit der altehrwürdigen Dampflokomotive WB5, «Gedeon Thommen», und den alten Personenwagen. Mit dem Eintreffen des letzten fahrplanmässigen Zuges in Waldenburg am 6. April 2021 endete der Betrieb der Waldenburgerbahn auf der 750-Millimeter-Spur nach gut 140 Jahren.