«Es geht nicht darum, Gegner kaputt zuschlagen»
16.12.2022 Sport, TittertenBoxen | Bénédikt Germann wurde Nachwuchs-Schweizer-Meister
Im September wurde Bénédikt Germann Schweizer Meister und feierte seinen bisher grössten sportlichen Erfolg. Neben seiner Karriere als Nachwuchsboxer absolviert er eine Lehre als Landwirt. Auch seine Freizeit ...
Boxen | Bénédikt Germann wurde Nachwuchs-Schweizer-Meister
Im September wurde Bénédikt Germann Schweizer Meister und feierte seinen bisher grössten sportlichen Erfolg. Neben seiner Karriere als Nachwuchsboxer absolviert er eine Lehre als Landwirt. Auch seine Freizeit verbringt er oft draussen, gerne auch mit abenteuerlichen Aktivitäten.
Luana Güntert
Ein Jahr Training, ein Schweizer-Meister-Titel. Was für eine Bilanz! Der Boxer Bénédikt Germann aus Titterten hat das, wovon viele Sportlerinnen und Sportler träumen: Talent. Der 16-Jährige kam erst vor einem Jahr mit dem Boxsport in Kontakt, seither ist er angefixt. «Ich war schon immer sportlich, bis vor drei Jahren habe ich noch Parcours absolviert», sagt Germann. Da ihn dieser Sport nicht mehr erfüllt hat, riet ihm seine Mutter, das Boxen auszuprobieren. «Sie ist Boxtrainerin und selber auch aktiv», sagt er. Somit trat er 2019 dem Boxclub Noble Art in Frenkendorf bei. Zuerst versuchte er sich zwei Jahre im Kickboxen.
Vor rund einem Jahr wechselte er dann vereinsintern zu den Boxern. Sein Talent im Ring zeigte sich schnell: Im September holte er sich in Martigny an den Nachwuchs-Schweizermeisterschaften den Sieg in der Kategorie Schwergewicht. Hat er diesen Erfolg im Wallis erwartet? «Ich habe natürlich auf einen Sieg gehofft, ging aber locker an die Sache heran. Wenn ich nicht gewonnen hätte, wäre ich um eine Erfahrung reicher gewesen», sagt er rückblickend.
Die neu lieb gewordene Sportart fasziniert Germann: «Im Boxen geht es nicht darum, den Gegner ‹kaputtzuschlagen›», sagt er. Er und seine Gegner hätten jeweils viel Respekt voreinander und der Reiz liege darin, sich zu testen und auszutricksen. Zudem könne er sich in diesem Sport austoben. Schmerzen nach einem Kampf verspürt der Titterter selten. «Ich hatte erst einmal ein blaues Auge.»
Neben dem Sport absolviert Germann eine Lehre als Landwirt auf dem Hof Seilern in Reigoldswil. Vor ein paar Jahren entdeckte er sein Interesse für die Landwirtschaft. «Wir mussten drei Wochen auf einem Hof helfen, weil dies die Schule verlangte. Dieser Einsatz hat mir sehr gefallen», so der junge Mann im ersten Lehrjahr. Die Arbeit an Computern gefalle ihm nicht, lieber sei er draussen in der Natur.
An seiner Arbeit schätzt er die Vielseitigkeit: «Bis jetzt war noch kein Tag wie der andere», sagt er. Sein Arbeitsort, der Hof Seilern, hat Bio-Standard und hat sich auf die Milchproduktion und die Schweinezucht spezialisiert. Germann hilft beim Einstreuen, bei der Tierpflege, beim Heuen und übernimmt kleine Schweiss- und Schreinerarbeiten.
Der Alltag des 16-Jährigen ist intensiv. Sechs Mal pro Woche trainiert er. Germann absolviert zwei bis drei Boxeinheiten in Frenkendorf und die restlichen Krafttrainings zu Hause in Titterten. Um 6 Uhr muss er jeweils aufstehen, um rechtzeitig seine Arbeit antreten zu können. «Ich bin immer etwas müde. Am Sonntag schlafe ich jeweils aus, dann bin ich wieder fit», sagt er.
Abenteuerlust
Seine Stärke im Sport sieht Germann in seiner Grösse, da er so seine Gegner auf Distanz halten und von oben auf sie einschlagen kann. Mit einer Grösse von 1,88 Metern ist er seiner Konkurrenz meist körperlich überlegen. «In meiner Familie bin ich momentan der Kleinste», sagt er. Es ist also gut möglich, dass der 16-Jährige in ein paar Jahren noch einige Zentimeter grösser sein wird. Feilen muss Germann noch an seiner Ausdauer. «Ich habe mich auf das Krafttraining konzentriert. Doch nun muss ich wieder öfters joggen gehen», so der Lehrling.
Wenn Germann nicht gerade trainiert, verbringt er seine Freizeit draussen, gerne auch mit verrückten Aktionen. «Im vergangenen Winter habe ich den Jura überquert.» Ausgestatten, mit Schlitten und Rucksack, ist er von Biel nach Reigoldswil gewandert. Übernachtet hat er unter freiem Himmel in seinem Schlafsack. Auch sonst geht er regelmässig in den Jura und übernachtet dort, wo Fuchs und Hase sich gute Nacht sagen. «So etwas tut gut», sagt er und lacht.
Die Kälte braucht er auch im sportlichen Bereich. Nach einem Kampf stellt er sich jeweils unter die kalte Dusche, um herunterzufahren. Während des Kampfes ist Germann sehr fokussiert und ruhig. «Bei meinen Gegnern schreien die Trainer Tipps in den Ring und feuern sie an. Mein Coach Michael Sommer lässt mich jeweils machen und gibt mir dann in der Pause Ratschläge», sagt er. Sommer organisiert für den Boxclub Noble Art anspruchsvolle Trainings und lädt regelmässig andere Vereine ein, damit die Frenkendörfer Boxer gegen unterschiedliche Gegner trainieren können.
Spitzensport und Landwirtschaft
Seine Zukunft sieht der 16-Jährige im Spitzensport – jedoch nicht nur. Obwohl seine Eltern keinen Hof führen, möchte er nach der Lehre einen Betrieb übernehmen. «Dies würde ich gerne mit einem Partner machen, damit ich noch genug Zeit fürs Boxen habe», sagt er. In ferner Zukunft träumt der Titterter von der Europaund Weltmeisterschaft. «Dort angelangt bin ich aber noch lange nicht», sagt er. Sein nächster Kampf steht im Februar an. «Wahrscheinlich kämpfe ich in Deutschland oder Frankreich. Wir sind noch auf der Suche nach Gegnern.»