Romantik 2.0
24.11.2022 Buckten, PolitikMeine letzte Kolumne mit Eindrücken von einer SAC-Hütte hatte ich mit dem Titel «Hüttenromantik» überschrieben. Heute drehen sich meine Gedanken um eine Welt, die auf den ersten Blick wenig mit Romantik zu tun hat.
Nachdem wir uns im Corona-Zeitalter an virtuelle ...
Meine letzte Kolumne mit Eindrücken von einer SAC-Hütte hatte ich mit dem Titel «Hüttenromantik» überschrieben. Heute drehen sich meine Gedanken um eine Welt, die auf den ersten Blick wenig mit Romantik zu tun hat.
Nachdem wir uns im Corona-Zeitalter an virtuelle Sitzungen gewöhnt haben, werden neue Anwendungen und Plattformen entwickelt, die unser Umfeld weiter zu einer technologiedominierten Gesellschaft verändern. Ins Auge gesprungen sind mir die Pläne von Mark Zuckerberg. Mit seinem Konzern Meta, früher bekannt als Facebook, hat er durch Zukauf von Instagram und Whatsapp bereits einen riesigen Einflussbereich geschaffen. Er plant nun als nächsten Schritt zum Internet das sogenannte Metaversum. Das Leben soll sich in einer künstlichen Parallelwelt, in die wir per Internet und Spezialbrille eintreten, abspielen – eine Art Videospiel, in dem wir als Avatar, einem virtuellen Ich, unterwegs sind. Ohne die Wohnung zu verlassen, soll man dort arbeiten gehen, die Freizeit verbringen, Freunde treffen und auch andere Leute kennenlernen können. Manch eine oder einer mag nun einwerfen, dass wir heute mit den Sozialen Medien nicht so weit davon entfernt sind. Auch wenn diese Vision eigentlich nur die konsequente Weiterentwicklung der aktuellen Technologien ist, so gibt mir diese Aussicht doch reichlich zu denken. Wie würde so ein Leben sein? Mir scheint diese Vision träumerisch und verklärt, was mich zur Romantik bringt.
Heute bezeichnen wir etwas als romantisch, wenn es gefühlsbetont und verträumt wirkt. Wir klassieren damit auch etwas herablassend aus unserer Sicht unrealistische Vorstellungen. Romantik als Begriff stammt aus der Literatur, wo abenteuerliche, fantastische, unwirkliche und erfundene Geschichten als Roman bezeichnet werden. Die Epoche der Romantik im 19. Jahrhundert war eine Antwort auf die Zeit der Klassik und Aufklärung, wo klassische Schönheitsideale, Ordnung und Vernunft vorherrschten. Die Romantiker verachteten die strenge Sachlichkeit und waren getrieben von einer Sehnsucht nach Natur, Wundern, Mystik und individueller Freiheit.
Die Romantik war eine Gegenwelt zur Vernunft der Klassik. Metaversum kann heute auch als Gegenwelt zur leistungsorientierten Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft gesehen werden. Die Flucht in die virtuelle Welt ist jedoch reichlich romantisch und keine vernünftige Lösung. Technisch wird zwar gewiss vieles besser darstellbar. Und selbstverständlich verzichte ich auch nicht völlig auf diese Technologien, ich habe schliesslich ja auch zur Romantik noch etwas gegoogelt. Aus meiner Sicht können damit aber beispielsweise nie die vielfältigen Sinneseindrücke einer Wanderung über windige Gratwege und des anschliessenden Gesprächs beim «Zvieriplättli» auf der Sonnenterrasse vermittelt werden.
Unsere Gesellschaft und Kultur sind geprägt vom realen Zusammenleben und Austausch; erst diese Interaktion macht uns zu Menschen. So wie vergangenes Wochenende, als wir vom Chor Buckten nach intensiven Proben beim Publikum Begeisterung spüren durften und wo am Apéro danach viele glückliche Gesichter zu sehen waren – live is life!
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.