Einen Lebenstraum erfüllt
08.11.2022 Kultur, LausenLuisella Masciorini verkauft an der Herbstmesse exklusiven Schmuck
Am «Häfelimärt» der Basler Herbstmesse, die noch bis Sonntag andauert, stellen Kunsthandwerker vielfältige Produkte aus. So auch Luisella Masciorini aus Lausen, die selbst hergestellten Schmuck verkauft. Die Materialien ...
Luisella Masciorini verkauft an der Herbstmesse exklusiven Schmuck
Am «Häfelimärt» der Basler Herbstmesse, die noch bis Sonntag andauert, stellen Kunsthandwerker vielfältige Produkte aus. So auch Luisella Masciorini aus Lausen, die selbst hergestellten Schmuck verkauft. Die Materialien dafür findet sie in der Natur.
Willi Erzberger
64 Händler und Produzenten aus dem Baselbiet preisen an der Basler Herbstmesse am Häfelimärt auf dem Petersplatz ihre Produkte an. 21 von ihnen stammen aus dem oberen Kantonsteil. Und wer genau hinschaut, entdeckt im Marktgetümmel oftmals Erstaunliches. So etwa eine 68-jährige Frau aus Lausen, die sich im bewundernswerten Alleingang in der regionalen Kunstszene etabliert hat: Luisella Masciorini. Sie schürft nach allen erdenklichen Materialien, die sie in der Natur findet, und schafft daraus kleine Schmuckstücke wie Stein- und Holzringe, Halsketten oder Ohrringe.
Bei ihren vielen Schürfgängen in der Region oder in entfernteren Gegenden wird sie laut eigener Aussage «je nach Tagesform abrupt von teilweise ausgefallenen Gestaltungsmöglichkeiten überflutet», wenn sie mit ihren Kenneraugen den Blick über den Boden schweifen lässt. Es könne dann häufig vorkommen, dass ihr Arbeitstag erst um 2 Uhr morgens zu Ende geht.
Zurück im Atelier, in ihrer Werkstatt, heisst es dann bohren sowie Formen aus Nussbaum, Ebenholz, Bergahorn, Kieselsteinen, harten Granitklötzen oder anderen Steinmaterialen herzustellen. «Ich entscheide immer aus dem Bauch heraus. Plötzlich führen die inneren Emotionen zu einem Bild im Kopf, das mich schliesslich zum Endprodukt führt», sagt die Künstlerin. Im Winter jeweils verarbeitet sie die Rohlinge in ihrem Atelier, inklusive Feinschliff. Das sei harte Arbeit, sagt die Lausnerin.
Aus einfachen Verhältnissen
Masciorini – ein «Buuremäitli» – ist gebürtige Tessinerin und wuchs dort in bescheidenen Verhältnissen auf. Als 16-jähriger Teenager zog sie schliesslich ins obere Baselbiet, um Deutsch zu lernen. Heute bezeichnet sich Masciorini als echte Oberbaselbieterin. «Und das werde ich bis zu meinem Lebensende auch bleiben.»
In der Zwischenzeit war sie beruflich eine längere Zeit in zwei Baselbieter Gemeinden als Dienstleisterin tätig, später auch im Spital Laufen. «Stinklangweilig» sei diese Arbeit allerdings gewesen, «sie füllte mich überhaupt nicht aus». Zwei Jahre folgten in einer Speditionsfirma. Die eigenwillige Frau nahm auch an Steinmetz- und Holzschmuck-Kursen teil. Bei einem dieser Kurse freundete sie sich mit dem Leiter an, mit dem Lausner Bildhauer Peter Thommen, der landesweit Auftragsarbeiten ausführte. Thommen erkannte das farbschöpferische Talent der kunstbeflissenen Masciorini. «Ohne Peter hätte ich es nie so weit gebracht.»
Doch wie erklärt sie sich, dass ihr Talent eine so lange Zeit brach lag? Die Künstlerin erklärt: Ihre Familie habe in bescheidenen Verhältnissen gelebt und die Eltern hätten es sich nicht leisten können, ihrem Nachwuchs Spielsachen zu kaufen. «Wir Kinder mussten uns mit dem genügen, was in bäuerlichen Häusern halt so herumlag: mit Kieselsteinen, Ästen, einem ‹Kesseli› Sand und ähnlichem.» Dennoch – oder gerade dadurch – entwickelte sich bei den glücklichen Kindern Kreativität, wie das Beispiel Luisa Masciorini eindrücklich zeigt.
Als Heranwachsende sei sie dann wild und sehr selbstbewusst gewesen, beschreibt die jetzige Schmuckdesignerin diese Lebensphase. Doch ihr Traum von der Kunst habe sie immer angetrieben. Sie belegte auch Fachkurse über das Auffinden und künstlerische Weiterentwickeln von Schürfmaterial. Und Masciorini hatte prioritär stets geschäftliche Grundsätze vor Augen. «Ich wusste», so Masciorini, «dass sich das Schaffen als Künstlerin lohnen muss, damit ich geschäftstüchtig bleiben und überleben kann.»
Schicksalschlag trübte Freude
Nach längeren Denkpausen und ernsthaften Beratungen mit ihrem kränkelnden Partner stellte sie schliesslich am Muttenzer «Märt» erstmals ihre Preziosen aus, damals noch auf einem kleinen Tisch. Dort wurde sie von jemandem ermuntert, sich doch für den schweizweit bekannten Weihnachtsmarkt in Basel zu bewerben. Masciorini tat es. Und ihr Angebot, bestehend aus Einzelschmuckstücken begleitet von Zeichnungen, entzückte offenbar auch die städtischen Behörden der Fachstelle Messen und Märkte. Sie erhielt die Zulassung zur Teilnahme am Basler Weihnachtsmarkt.
«Jetzt geht es richtig los», frohlockte die Anbieterin exklusiver Schmuckstücke damals und kaufte sich ein Auto für den Transport des Standmaterials – dies auch in der Absicht, das Fahrzeug später für die Herbstmesse einzusetzen. Der Start als Solo-Kleinunternehmerin auf dem Barfüsserplatz hätte vor 15 Jahren ihr schönster Tag des Lebens werden sollen. Doch es kam anders.
Denn ihr Lebenspartner verstarb drei Tage vor dem vermeintlichen Jubeltag mitten in der hektischen Vorbereitungsphase für den Weihnachtsmarkt. «Ich musste mich fürchterlich zusammennehmen und als Verkäuferin trotzdem fröhlich in die Welt schauen», blickt Masciorini zurück. Das sei auf Dauer beinahe unerträglich geworden. «Längere Aufenthalte auf der Toilette waren die einzigen Möglichkeiten, um mich auszuweinen», schildert die damals abrupt durch die «Hölle» gejagte Frau.
Das Kunsthandwerk half Masciorini, durch diese schwierige Zeit zu kommen. Bis zum Ausbruch der Pandemie war die Lausnerin an beiden Basler Märkten präsent, also während der Herbstmesse und vor Weihnachten. Ab diesem Jahr trifft man sie aber nur noch auf dem Petersplatz an. Sie könne auf eine langjährige Kundschaft aus der ganzen Schweiz zählen, die ihr auch dieses Jahr die Treue halte, erzählt Masciorini. Dennoch habe sie gewisse Sorgen: «Alle Produkte werden teurer und die Leute deshalb zu Einschränkungen gezwungen.» Sie werde allerdings so lange auf dem Markt bleiben, bis das für sie nicht mehr finanzierbar sei, hält Masciorini zum Abschied fest.