Die Farbfotografin des Jahres
14.10.2022 SissachGabi Pavanello gewinnt bedeutende Auszeichnung
Gabi Pavanello aus Sissach ist von «Photosuisse» zur Farbfotografin des Jahres gekürt worden. Es handelt sich um so etwas wie die Schweizermeisterschaft der Amateurfotografinnen und Amateurfotografen. Pavanello ist nun auf dem ...
Gabi Pavanello gewinnt bedeutende Auszeichnung
Gabi Pavanello aus Sissach ist von «Photosuisse» zur Farbfotografin des Jahres gekürt worden. Es handelt sich um so etwas wie die Schweizermeisterschaft der Amateurfotografinnen und Amateurfotografen. Pavanello ist nun auf dem Weg zu den Profis.
David Thommen
«Ich bin so etwas von angefressen, dass es für mich fast nichts mehr anderes gibt», sagt Gabi Pavanello mit einem Lachen, als wir sie in ihrem Wohnhaus am Sissacher Sonnenhang besuchen. Zahlreiche grossformatige Fotografien hängen im Wohnzimmer, einige lehnen am Boden stehend an den Wänden. Früher sei für sie der Orientierungslauf ähnlich wichtig gewesen, sagt die 51-Jährige. Seitdem sie wegen Gelenkproblemen auf den Sport verzichten muss, hat nun die Fotografie diese Stellung eingenommen.
Sie habe im Jahr 2016 schöne Fotos eines Bekannten gesehen und habe dabei gedacht: «Das kann ich auch!» Und kaufte sich mit 45 Jahren die erste Kamera ihres Lebens, eine Occasion-Canon. Seither kann sie den Finger kaum noch vom Auslöser nehmen. Mittlerweile hat sie es weit gebracht: Im September durfte sie die Auszeichnung «Farbfotografin des Jahres» von «Photosuisse» entgegennehmen.
«Photosuisse» ist die Dachorganisation von Fotointeressierten aus der ganzen Schweiz. 38 Schweizer Fotoklubs sowie rund 130 Einzelmitglieder gehören dem Verband an, der jährlich einen grossen Wettbewerb veranstaltet – sozusagen die Schweizermeisterschaft der Amateurfotografen. Gabi Pavanello holte unter 98 Bewerberinnen und Bewerbern, die in der Kategorie «Farbfotografie» mitgemacht haben, den 1. Rang. Über alle Kategorien hinweg («Bester Allround-Fotograf») belegte sie den guten vierten Platz. Gleich mehrere von ihr eingereichte Fotos und Bildserien hatten die Jury überzeugt und sind mit hohen Punktezahlen belohnt worden. Am besten abgeschnitten hat ihr Porträt einer farbigen Frau mit Kopfschmuck. Zu gefallen wusste auch eine Serie mit witzigen Bildern von Spielfigürchen, die sich an Alltagsgegenständen zu schaffen machen.
Viele Landschaftsfotos
Auf dem Esstisch breitet Pavanello eine Vielzahl von ausgedruckten Bildern aus. Einige kommen aus dem Bereich Makrofotografie, andere zeigen abstrakte Kunst. Dafür hat Pavanello Strukturen aus kleinen Papierbändern hergestellt, diese speziell beleuchtet und effektvoll fotografiert. In grosser Mehrheit handelte es sich aber um Naturund Landschaftsfotografien.
Häufig macht sie sich zunutze, was weniger ambitionierte Fotografinnen und Fotografen als lästig empfinden: Dämmerung, Dunkelheit, Gegenlicht, Nebel. «Drei Mal bin ich zum Fotografieren auf den Creux du Van im Kanton Neuenburg gestiegen, jedes Mal war schlechtes Wetter …» Zum Glück, muss man sagen: Ihr Bild «Knorrige Bäume» im Nebel wurde ausgezeichnet. Ihr Rezept? Akribie, Geduld und die Suche nach einer eigenen Bildsprache.
Pavanello, die hörbar aus dem Bündnerland stammt und seit 20 Jahren mit ihrer Familie in Sissach lebt, suchte bald nach ihren ersten Fotoversuchen Anschluss an Gleichgesinnte – und wurde beim «Aarso Fotoklub Zofingen» heimisch. «Seit drei Jahrzehnten ist das der beste Fotoklub im ganzen Land», sagt sie. Auch bei internationalen Wettbewerben seien Mitglieder häufig auf den vordersten Rängen zu finden. Das fotografische Niveau sei «unglaublich hoch», wovon sie stark profitiere.
Auf «Pirsch» allerdings geht sie allein. Ihr «Revier» ist und bleibt Europa. «Nein, fürs Fotografieren steige ich nicht in ein Flugzeug», sagt sie auf die entsprechende Frage. Sie nimmt den Familien-Van, legt eine Matratze in den Kofferraum und fährt los: Slowenien, Bayern, Holland, Toscana, Provence und so weiter. Und natürlich fotografiere sie auch in der näheren Umgebung, sagt sie und zeigt Bilder, die auf dem Vogelberg oberhalb von Reigoldswil entstanden sind, oder ein kunstvolles Bild vom Basler Münster, das wie gemalt wirkt. Pavanello lässt für diese Art von Aufnahmen den Verschluss lange offen und bewegt die Kamera gleichzeitig leicht, was einen traumhaften Wischeffekt zur Folge hat. Ähnliche Bilder hat sie von den Gondeln in Venedig gemacht.
Häufig lasse sie sich bei der Wahl ihrer Reiseziele durch Bilder anderer Fotografen inspirieren. Allerdings sei stets der Weg das Ziel. Häufig begegne sie unterwegs wunderbaren Motiven, und sei es, wenn sie im Morgengrauen nach einer Nacht auf einem unwirtlichen Parkplatz inmitten des Nirgendwos dem Licht entgegenmarschiere. Ihre liebsten Bilder seien immer mit Emotionen verbunden, sagt sie – mit der zauberhaften Landschaft, der Stimmung, den Geräuschen, den Düften der Natur.
Und wie sieht die Zukunft aus? Pavanello antwortet halbwegs belustigt: «Fotografieren natürlich!» Um das Metier voll zu beherrschen, steckt sie heute in einer Diplomausbildung für Fotografinnen und Fotografen auf Fachhochschulniveau. 250 Stunden Präsenz im Klassenzimmer sind gefordert, dabei wird auch der Umgang mit einer professionellen Blitzanlage und natürlich die Bildbearbeitung am Computer unterrichtet.
Bis fast unter die Dusche
Für das Diplom müssen eigenständig Projekte umgesetzt werden. Soeben im Kasten sind Fotos von zwei jungen Balletttänzerinnen, die sich während akrobatischen Sprüngen mit Mehl bewerfen. Beleuchtung und Blitz müssen hier perfekt stimmen. Zudem hat sie soeben eine Fotoreportage über den Eishockeyclub Langenthal abgeschlossen. Der tiefe Einblick in den Trainingsbetrieb wurde Pavanello von ihrem Sissacher Nachbarn Kevin Schläpfer ermöglicht, der den Klub trainiert: «Ich durfte volle zwei Tage lang alles bis fast unter die Dusche fotografieren …», sagt Pavanello und lacht. Keiner der Spieler durfte reklamieren; Schläpfer hatte es verboten.
Gabi Pavanello hat ursprünglich Damenschneiderin gelernt und widmete sich danach als Familienfrau ihren drei Kindern. Heute unterstützt sie nebenbei im Auftrag des OL-Verbands Schulen, die OL-Läufe veranstalten und betätigt sich auch im freiwilligen Schulsport. Nach ihrem Diplom dürfte sie das Fotografieren dann noch mehr in Beschlag nehmen: Die Aufträge häuften sich, sagt sie. So macht sie im Auftrag von Bands Aufnahmen von Rockkonzerten, porträtiert Mitarbeiter im Auftrag von Firmen oder fotografiert für Theater-Ensembles.
Eine ihrer grössten Arbeiten war eine Serie über das Stück «1918 – 100 Jahre Landesstreik» mit 20 Theatergruppen aus allen Landesteilen in Olten. Ganze 1000 Bilder aus unzähligen Proben und Aufführungen habe sie abgeliefert, sagt sie. Verwendet wurden die Fotos online und für ein Buch, das all die vielen Darstellerinnen und Darsteller erhielten. Einzelne Bilder davon wurden an der Werkschau von «photoSchweiz» in Zürich gezeigt. Eine Auswahl der grossformatigen Aufnahmen ist heute auch im Historischen Museum von Olten zu sehen. Ein toller Erfolg für eine Frau, die erst mit 45 Jahren ihre erste Kamera kaufte.