AUSGEFRAGT | MARC SCHERRER, STV. DIREKTOR WIRTSCHAFTSKAMMER BASELLAND
21.10.2022 Gesellschaft«Ziel ist höherer Stellenwert für Berufsausbildung»
Marc Scherrer, der frühere Präsident der CVP Baselland, heute Die Mitte, hat einen neuen Job: Als stellvertretender Direktor leitet er seit dem 1. September den Bereich Berufsbildung der ...
«Ziel ist höherer Stellenwert für Berufsausbildung»
Marc Scherrer, der frühere Präsident der CVP Baselland, heute Die Mitte, hat einen neuen Job: Als stellvertretender Direktor leitet er seit dem 1. September den Bereich Berufsbildung der Wirtschaftskammer Baselland. Den Fachkräftemangel will er mit gezielten Massnahmen verringern, im Verbund auch mit dem Kanton.
André Frauchiger
Herr Scherrer, was reizt Sie an Ihrem neuen Job?
Marc Scherrer: Das Thema Berufsbildung ist unglaublich wichtig. Ich arbeite sehr gerne mit jungen Menschen zusammen. Es geht darum, diese zu motivieren, ihre berufliche Zukunft zu planen. Auch die enge Zusammenarbeit mit den Branchenverbänden und dem Kanton ist eine spannende und herausfordernde Aufgabe. Die Wirtschaftskammer hat eine Art Scharnierfunktion im Bemühen, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Und wir erreichen dieses Ziel nur, wenn wir alle zusammenarbeiten. Das möchte ich besonders betonen.
Welche Erfahrungen bringen Sie für die Berufsbildung mit?
Vor meinem Studium habe ich selber auch eine Berufslehre absolviert. Bei der Firma Manor hatte ich Lehrlinge in meinen Bereichen, konnte also in der Praxis Erfahrungen sammeln. Und letztlich habe ich auch ein persönliches und grosses Interesse am Thema Berufsbildung. Als Mitglied der Geschäftsleitung der Wirtschaftskammer habe ich aber auch Schnittstellen zu anderen Bereichen, darunter wirtschaftspolitische Themen; viele davon kann ich mit meinem Landratsmandat verbinden.
Hat Ihre Anstellung auch mit der Meinung des neuen Wirtschaftskammer-Präsidenten Roman Mayer zu tun, wonach das Problem des Fachkräftemangels intensiv angegangen und behoben werden muss?
Innerhalb des Zentralvorstands und der Geschäftsleitung sind wir uns alle einig – die Berufsbildung muss gestärkt werden. Zu Ihrer Frage: Ich glaube nicht, die Stelle gab es ja schon unter meinem Vorgänger Urs Berger, der pensioniert worden ist. Aber es ist ganz klar: Es gibt heute bei den jungen Menschen einen Trend weg von der Lehre zur Matura und zu weiterführenden Schulen. Das hat einen Fachkräftemangel zur Folge. Dies spüren wir alle tagtäglich, nicht nur im Bereich der Pflege und der Gastronomie. Wir müssen das ändern. Wir brauchen dringend qualifizierte Arbeitskräfte.
Worauf führen Sie diesen Trend zur weitergehenden Schule zurück?
Es ist ein gesellschaftlicher Trend, den wir alle gemeinsam wieder kehren müssen. Die Berufslehre ist eine erstklassige Grundlage fürs Leben, mit der später alle Möglichkeiten offenstehen. Diese Überzeugung soll an die jungen Menschen weitergegeben werden. Es braucht wieder mehr Wertschätzung für das Erlernen eines Berufs. Insbesondere auch Eltern und Lehrpersonen sollten die Jugendlichen dazu motivieren, eine Berufslehre zu absolvieren, im Beruf zu arbeiten und sich dann weiterzubilden.
Haben Sie konkrete Ideen, wie das erreicht werden kann?
Ja, die haben wir. Zum einen haben wir mit der Berufsschau, an der Jugendliche, Eltern und Lehrpersonen viele Berufe live kennenlernen können, ein wichtiges Instrument. Sie wird kommendes Jahr zum ersten Mal in der St. Jakobshalle durchgeführt und wir werden einige Neuerungen präsentieren können. Weiter werden wir die «digitale Berufsschau» lancieren. Damit werden sich Eltern und Schulklassen in einer digitalen Umgebung im Haus der Wirtschaft über die Berufslehre informieren können. Mithilfe der digitalen Berufsschau soll auch ein flächendeckendes und koordiniertes Informationsangebot für die Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrpersonen geschaffen werden, womit ein niederschwelliger Zugang zur Berufslehre und Wirtschaft ermöglicht wird. Und wir pflegen einen sehr intensiven und konstruktiven Austausch mit dem Kanton und den Schulen und haben in diesem Verbund auch bereits wichtige Arbeitsgruppen zur Stärkung der Berufsbildung lanciert.
Ziehen da die KMU mit?
Ja absolut, die Betriebe und Branchen bringen sich ein – ich habe einen sehr guten Eindruck. Und auch wenn es um die Finanzierung und Organisation von Massnahmen geht, arbeiten wir Hand in Hand.
Wo wollen Sie bei der Berufsausbildung in fünf Jahren sein?
Mein oberstes Ziel ist, dass die Berufsausbildung in fünf Jahren einen deutlich höheren Stellenwert hat als heute. Dass der Fachkräftemangel viel kleiner ist und die Unternehmen gut ausgebildetes Fachpersonal finden. Dann haben wir als Wirtschaftsverband, in Zusammenarbeit mit den Branchenverbänden, dem Kanton und den Schulen, gute Arbeit geleistet.
Zur Person
fra. Marc Scherrer ist 1986 geboren und in Zwingen aufgewachsen. Seit 15 Jahren wohnt er in Laufen. Er absolvierte eine Lehre als Informatiker. Später holte er die Berufsmaturität nach und studierte Wirtschaft an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Den Master absolvierte er an der Hochschule Luzern. Noch während des Studiums arbeitete er im Rahmen eines einjährigen Praktikums bei der Elektra Baselland (EBL) in Liestal. Er half dabei beim Aufbau des Bereichs Business Intelligence (Data Analytics). Danach wurde er von der Warenhauskette Manor engagiert. In den vergangenen zehn Jahren durchlief er bei Manor mehrere Stufen und Aufgabenbereiche (Finanzabteilung, Projektleitung, Warenhäuser in Baden, Liestal und Genf). Auf Direktionsstufe war er zuletzt bei Manor am Hauptsitz in Basel zuständig für die Bereiche Nachhaltigkeit, Wirtschaftspolitik und Sicherheit.
Seit bald 20 Jahren ist Scherrer Mitglied der CVP, heute Die Mitte. Von 2014 bis 2017 war er Präsident der CVP-Kantonalpartei Baselland. Er sitzt seit 2015 als Vertreter seiner Partei im Landrat. Scherrer ist zudem seit 2010 Präsident des Gewerbevereins KMU Laufental und Stiftungsratspräsident des «Business Park Oberbaselbiet, Laufental, Thierstein». Seit dem 1. September arbeitet Scherrer als stellvertretender Direktor bei der Wirtschaftskammer Baselland.