AUSGEFRAGT | BERARDINO BARBATI, LEITER KANTONALES FUNDBÜRO UND VERWERTUNGSDIENST
28.10.2022 Baselbiet, Gesellschaft«Das Eigentum wird schnell aufgegeben»
Beim Kantonalen Fundbüro und Verwertungsdient werden neben alltäglichen Gegenständen wie Schlüsseln und Mobiltelefonen auch Dinge wie Zahnprothesen und Eheringe abgegeben. Leiter Berardino Barbati über seine Arbeit mit ...
«Das Eigentum wird schnell aufgegeben»
Beim Kantonalen Fundbüro und Verwertungsdient werden neben alltäglichen Gegenständen wie Schlüsseln und Mobiltelefonen auch Dinge wie Zahnprothesen und Eheringe abgegeben. Leiter Berardino Barbati über seine Arbeit mit ständigen Überraschungen.
Sander van Riemsdijk
Herr Barbati, wie muss man sich Ihren Job vorstellen?
Berardino Barbati: Im Rahmen meines Verwertungsauftrags unterliegt mir die Organisation und Verantwortung für das Lagerwesen betreffend Fundgegenstände, sichergestellte und beschlagnahmte Güter, Verwahrung und Verwertung von polizeilich beschlagnahmten Fahrzeugen – kantonal sowie ausserkantonal –, die Verwertung aller Güter, inklusive Liegenschaften. Ebenso die Moderation und die Organisation der öffentlichen Versteigerungen. Dies alles in absoluter Diskretion, die bei uns grossgeschrieben wird. Dabei werden sensible Prozesse im Vieraugenprinzip ausgeführt.
Das heisst?
Wichtige Entscheidungen oder aber Tätigkeiten im Bereich von abgegebenen Fund- und Wertsachen werden immer von zwei voneinander unabhängigen Personen getroffen beziehungsweise ausgeführt.
Was ist der Unterschied zwischen einem Fundbüro und einem Verwertungsdienst?
Unser gesetzlicher Auftrag ist, Güter aus zivilrechtlicher Angelegenheit sowie aus strafrechtlicher Angelegenheit zu verwahren, zu verwerten, auszuhändigen oder zu vernichten. Der Verwertungsdienst erhält die Güter aus verschiedenen Instanzen wie Staatsanwaltschaft, Gerichten, Polizei und so weiter. Damit ist der Verwertungsdienst also auch ein interner Dienstleister für alle Direktionen des Kantons Baselland.
Was fasziniert Sie an der Aufgabe?
Jeder Tag bei uns ist anders. Mich faszinieren die Vielfalt der Aufgaben und die täglichen, neuen Herausforderungen. Diese variieren zum Beispiel vom Auftrag, eine Liegenschaft zu verwerten bis zur Verwertung eines verwahrten Lamborghinis oder 200 Louis-Vuitton-Taschen, die vom Gericht in Gewahrsam genommen werden müssen. Wir haben es sowohl mit alltäglichen Gütern als auch mit ganz teuren Gegenständen zu tun. Wenn ich die Güter in unserem Shop oder an einer Versteigerung verkaufen kann, ist dies für mich ein Erfolgserlebnis.
Wie gross ist der Lagerraum und wie viele Gegenstände werden jährlich eingeliefert?
Der gesamte Lagerraum mit der Halle, wo die herrenlosen Fahrzeuge aufbewahrt werden, misst 350 Quadratmeter. Hier werden jährlich durchschnittlich 650 Gegenstände wie Schlüssel, Möbel, Schmuck, Bargeld, Eheringe, Velos, Notebooks, einschliesslich herrenlose Fahrzeuge durchmischt gelagert. Wir machen einmal im Monat eine Tour und holen nicht abgeholte Fundgegenstände bei den Polizeiposten ab.
Jeden Tag verlieren Menschen Gegenstände. Welche werden am häufigsten abgegeben?
Am meisten sind es Kleinigkeiten wie Mobiltelefone, Schlüssel, Ohrringe, Hörgeräte, Eheringe, sogar Zahnspangen und Zahnprothesen. Dazu immer wieder Portemonnaies mit Geld. Beim Bargeld bin ich immer wieder erstaunt, wie ehrlich die Bevölkerung ist und die Geldscheine in einer Selbstverständlichkeit abgegeben werden. Der grösste Betrag bis jetzt waren 28 000 Franken in 28 Scheinen zu je 1000 Franken. Wir mussten dann abklären, unter welchen Umständen das Geld gefunden worden war. Absolut seltsam war ein Fundort im Wald mit einem renommierten Bild von einem bekannten Künstler. Der einmalige Renner ist ein Fund von 42 Geldscheinen à 500 Euro im Unterboden einer Versandschachtel.
Ist eine Tendenz bei der Abgabe von Fundstücken durch Personen und durch die Polizei beziehungsweise des Gerichts feststellbar?
Ja, diese ist steigend. Ich vermute, dass es mehr Delikte gibt und die Menschen auch ihre Sachen leichtfertig verlieren. Das Eigentum wird schnell aufgegeben, denn nur etwa 5 Prozent der abgegebenen Gegenstände finden ihren Besitzer wieder. Vieles ist ja versichert, beziehungsweise der Wohlstand ermöglicht es uns, bei Verlust den Gegenstand problemlos zu ersetzen.
Was passiert mit den Gegenständen, die nicht abgeholt und nicht verkauft werden?
Wenn wir nach der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist von einem Jahr keine Abnehmer für die Fundsachen finden, werden die Waren vernichtet. Bei Deliktgütern auf Anordnung des Gerichts.
Sie betreiben einen Laden und führen zwei Mal im Jahr eine öffentliche Versteigerung durch. Was wird zum Verkauf angeboten und was wird versteigert?
Kleinere Gegenstände werden zu einem festen Preis im Laden angeboten. Alles, was Räder hat, wird öffentlich versteigert. Durchschnittlich nehmen 200 bis 300 Personen an einer solchen Versteigerung teil. Die Fahrzeuge werden ab Platz nach dem Motto «Wie gesehen, so gekauft» veräussert. Es gibt keine Garantie und alles muss vor Ort sofort bar bezahlt werden. Dafür ist das Mindestgebot sehr tief. Es sind Fund- und Deliktgüter. Letztere müssen von der Polizei oder vom Gericht zum Verkauf freigegeben werden. Der Erlös, sowohl vom Laden als auch von der Versteigerung, geht in die Staatskasse und fliesst so wieder zurück zur Bevölkerung.
Zur Person
svr. Berardino Barbati, 56 Jahre alt, leitet das Fundbüro seit 15 Jahren. Vorher war er 23 Jahre Leiter des Kantonalen Betreibungsamtes in Liestal. Vor 40 Jahren hat er die Lehre als Ersatzteilverkäufer absolviert und danach Zusatzausbildungen besucht. Er hat drei Kinder, vier Enkelkinder und ist wohnhaft in Basel. Zu seinen Hobbys zählen Kochen und Reisen.
Shop und Versteigerung
svr. Das Fundbüro und der Verwertungsdienst des Kantons Baselland befinden sich an der Oristalstrasse 100A in Liestal. Die nächste öffentliche Versteigerung findet morgen Samstag, 29. Oktober, ab 10.15 Uhr an dieser Adresse statt. Zum Erwerb stehen rund 140 Fahrräder, vier Autos und ein Arbeitsanhänger. Besichtigung ab 9 Uhr.