Vom Viadukt ab unters Reetdach
27.09.2022 RümlingenDas «Homburger-Stübli»-Wirtepaar zieht nach Norddeutschland
Elf Jahre haben Tine Andersen und Heinz Marbot im «Homburger Stübli» gewirtet. Jetzt verabschiedet sich das Paar von seinen Gästen sowie aus der Gastronomie und zieht gen Norden. Damit endet auch ...
Das «Homburger-Stübli»-Wirtepaar zieht nach Norddeutschland
Elf Jahre haben Tine Andersen und Heinz Marbot im «Homburger Stübli» gewirtet. Jetzt verabschiedet sich das Paar von seinen Gästen sowie aus der Gastronomie und zieht gen Norden. Damit endet auch die lange Geschichte des Wirtshauses in Rümlingen.
Jürg Gohl
Mit einem Bier, dem für Norddeutschland typischen Getränk, stossen Tine Andersen und ihr Mann Heinz Marbot am Stammtisch des Restaurants Homburger Stübli auf ihre Zukunft an. Und auf ihre gemeinsame Vergangenheit in diesem Wirtshaus. Das Pächterpaar hat das Gasthaus ohne jegliche gastronomische Ausbildung am 11. November 2011 übernommen, 11 Jahre später ist nun Schluss. Die beiden entschwinden nach Norddeutschland, das «Homburger Stübli» verschwindet als Restaurant von der Bildfläche (siehe Kasten). Der letzte «suure Mogge» ist gekocht, die letzte Zwetschgenwoche abgehakt, die Paella-Pfanne verstaut.
Heinz Marbot ist in Sissach aufgewachsen und war lange in Gelterkinden daheim; Tine Andersen, die seit 20 Jahren seine Lebenspartnerin ist, zog 1979 ins Oberbaselbiet, genauer nach Rünenberg, und stammt ursprünglich von Sylt. Sie wird die nordfriesische Insel bald mit einer kurzen Zugfahrt besuchen können. Denn am 22. November wird gezügelt.
Vier harte Lehrjahre
«Euch gebe ich das Haus», sagtegemäss Heinz Marbot Besitzerin Vreni Kälin damals, als sie Interesse am leeren «Homburger Stübli» bekundeten. Seine Frau führte bis dahin eine Praxis für medizinische Massagen, er war gelernter Pharmalaborant. Ihre bisher einzigen Erfahrungen im «Beizern» gingen auf verschiedene Vereinsanlässe zurück, an denen sie in der Küche oder im Service wirbelten. «Wir kochen und essen beide sehr gern», bemüht sich Heinz Marbot, den bescheidenen Leistungsausweis aufzupolieren.
Entsprechend bezeichnen sie ihre ersten vier Jahre als «sehr harte Lehrzeit». Noch so grosser Idealismus kann die Erfahrung wie das Heraustüfteln idealer Öffnungszeiten und Bezugsquellen, das Perfektionieren der Abläufe und der Rezepte, das Berechnen der Preise und vieles mehr nicht ersetzen. Hinzu kam, dass das Image ihrer neuen Gaststube als Feierabend-Beiz nicht ihren Vorstellungen entsprach. Sie wollten mit gutem Essen und vor allem einer familiären Atmosphäre punkten, was ihnen nach der Lehrzeit denn auch recht gut gelang. Von Beginn weg haben sie aber gemeinsam beschlossen, sofort die Reissleine zu ziehen, sobald es jemandem von ihnen zu viel würde. Manchmal fehlte dazu nicht viel.
Pandemie als Einschnitt
Allmählich entwickelte sich ihr Betrieb, den sie bis auf wenige Grossanlässe stets alleine führten, in die gewünschte Richtung. «Unsere Bilanz fällt heute sehr positiv aus, wenn wir das Finanzielle einmal weglassen», sagen beide unisono, «denn ohne Selbstausbeutung und Verzicht lässt sich ein solcher Betrieb nicht führen.» Ausgerechnet die Pandemie, die insbesondere der Gastronomie stark zusetzte, trug wesentlich zu diesem Fazit bei. Das Wirtepaar wurde vom Staat und dem Gastro-Verband stark unterstützt, der Vermieter kam seinen Pächtern bei der Miete entgegen, und die Stammgäste bezogen grosszügig die vorgekochten Gerichte.
Die Pandemie führte auch dazu, dass das Paar auch einmal Zeit für sich selber fand. Wohl arbeiteten sie vorher den ganzen Tag Hand in Hand – er in der Küche, sie in der «Gefechtsstation», wie sie die eigentliche Gaststube gerne nennen. Doch für echte Gespräche wie über die eigene Zukunft fehlte ihnen vorher die Zeit, obschon Heinz Marbot im November 65 Jahre alt wird und deshalb Weichen zu stellen waren. So konnte der Entscheid aber reifen, gemeinsam das Kapitel «Homburger Stübli» abzuschliessen, um sich in ein geräumigeres Haus mit Umschwung zurückzuziehen.
Erste Ideen, etwa im Oberbaselbiet oder dann in Südfrankreich ein Bauernhaus oder Ähnliches zu erwerben, scheiterten teilweise nur ganz knapp, bis das Paar auf Norddeutschland stiess und bei Tine Andersen sachte das Heimweh anklopfte. Als am Auffahrtstag dieses Jahres eine geschlossene Gesellschaft zu Gast war, entdeckten sie auf der Website «unser Traumhaus» mit viel Umschwung und einem alten Reet-, also Strohdach, und machten sich noch gleichentags auf den Weg nach Langenhorn, einer 3000-Seelen-Gemeinde nördlich von Husum, direkt an der Nordsee. Dort unterschrieben sie.
Inzwischen sind sie dort bereits mit allen per Du, einzig das dort gebräuchliche Plattdeutsch ist noch eine Fremdsprache für sie. «Ich freue mich auf meine neue alte Heimat», sagt Tine Andersen, «dort, wo uns der Wind um die Ohren bläst.» Da sie ihre alte Leidenschaft als Gastgeber nicht ganz zurückstellen, werden sie dort auch Ferienwohnungen einrichten, um Gäste zu empfangen. «Empfangen, nicht bedienen», betonen sie, denn das hätten sie lange genug getan. Und prosten sich zu.
Das Ende des «Homburger Stüblis»
jg. Noch vor dem Wegzug des Wirtepaars wird das «Homburger Stübli» den Betrieb für immer einstellen. Damit endet die weit über 200-jährige Geschichte eines Wirtshauses an der Strecke zum Hauenstein Richtung Süden. Bevor die neue Hauptstrasse errichtet wurde, war das Haus in der Nähe der Kirche und des Viadukts und damit im engsten Dorfkern gelegen. Die heutige Liegenschaft beherbergte einst auch einen Krämerladen und eine Poststelle. Noch heute zeugen Ringe an der Aussenmauer, an denen einst die Pferde angebunden werden konnten, von der Geschichte des Hauses. Es wird am 18. Oktober letztmals geöffnet sein.