Geflüchtete auf dem Leuenberg?
29.09.2022 HölsteinDer Kanton plant ein weiteres Erstaufnahmezentrum
Wegen Versorgungsengpässen in der Ukraine wird nächstens ein Anstieg der Flüchtlingszahlen erwartet. Deshalb will der Kanton Baselland ein zweites Durchgangszentrum in Betrieb nehmen. Der Leuenberg in Hölstein steht dabei ...
Der Kanton plant ein weiteres Erstaufnahmezentrum
Wegen Versorgungsengpässen in der Ukraine wird nächstens ein Anstieg der Flüchtlingszahlen erwartet. Deshalb will der Kanton Baselland ein zweites Durchgangszentrum in Betrieb nehmen. Der Leuenberg in Hölstein steht dabei in der engeren Auswahl.
Elmar Gächter
Der Kanton rechnet gemäss Fabian Dinkel in den kommenden Monaten mit rund 1000 geflüchteten Personen, die dem Baselbiet zugewiesen werden könnten. Der Leiter des Kantonalen Sozialamts begründet diese Prognose mit den im Herbst zu erwartenden Versorgungsengpässen in der Ukraine. Dies könnte schweizweit zu einem Anstieg der Anträge für den Schutzstatus S führen. Es wird mit einem Anstieg von mehreren Tausend Anträgen gerechnet. Um den Ansturm bewältigen zu können, sucht der Kanton neben dem bereits bestehenden Erstaufnahmezentrum (EAZ) im ehemaligen Kantonsspital Laufen einen zusätzlichen Standort.
«Das EAZ Laufen kann, wenn diese Prognosen eintreffen, über das Winterhalbjahr kaum genügend Plätze anbieten», hält Dinkel fest. Und wie es scheint, wurde sein Amt auf dem Leuenberg oberhalb der Gemeinde Hölstein fündig. Das zurzeit leer stehende Gebäudeensemble bietet Platz für höchstens 150 Personen, und es könnte relativ rasch bezogen werden. Die Verhandlungen mit den Betreibern – Eigentümerin ist nach wie vor die Hotel Leuenberg AG – sind laut Dinkel weit fortgeschritten, es gebe jedoch noch «gewisse Unsicherheiten».
Die Absicht, auf dem Leuenberg geflüchtete Personen unterzubringen, ist nicht neu: Bereits im Jahr 2014, als sich der Hölsteiner Gemeinderat erfolgreich gegen ein Bundesasylzentrum in der einstigen Aussenstation der Psychiatrischen Universitätsklinik Basel in der «Holdenweid» gewehrt hatte, stand die damalige kirchliche Tagungsstätte als Alternative zur Diskussion. Allerdings scheiterte ein entsprechender parlamentarischer Vorstoss, weil der Leuenberg-Verein als seinerzeitiger Eigentümer der Liegenschaft den Leuenberg als Tagungszentrum erhalten wollte. Im Gegensatz zum damaligen deutlichen Nein des Gemeinderats gegen ein Bundesasylzentrum in der «Holdenweid» befürwortet er jetzt das EAZ auf dem Leuenberg.
Zwei bis vier Wochen im Zentrum
Käme eine Vereinbarung zustande, würde das EAZ auf dem Leuenberg vorläufig bis nächsten Sommer betrieben werden. Gedacht ist es vor allem für die Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine, aber auch für Asylbewerberinnen und Asylbewerber aus andern Ländern. «Geflüchtete Personen befinden sich nicht länger als zwei bis vier Wochen im EAZ, bevor sie den Gemeinden zugewiesen werden», hält Dinkel vom Kantonalen Sozialamt fest. Dies bedeute auch, dass die schulpflichtigen Kinder der geflüchteten Familien in der ihnen zugewiesenen Gemeinde die Schule besuchen und nicht in Hölstein.
Dies sei eine der Bedingungen, dass Hölstein hinter dem EAZ auf dem Leuenberg stehe, sagt Gemeindepräsidentin Andrea Heger im Gespräch. «Wir haben bereits vier Kinder aus der Ukraine in unserer Schule aufgenommen. Betreffend Schulraum haben wir derzeit schlichtweg keine Kapazität, weitere Klassen zu bilden.» Für den Gemeinderat sei es auch wichtig, dass der Betrieb des EAZ zeitlich befristet ist. Heger weist zudem darauf hin, dass ihre Gemeinde – sollte der EAZ-Standort Leuenberg Tatsache werden – keine weiteren Asylbewerber zugewiesen bekäme, für die Hölstein verantwortlich wäre.
Wie die Bevölkerung zum geplanten EAZ steht, lasse sich heute nur schwer beurteilen, meint Heger. «Auf jeden Fall habe ich von den Einwohnerinnen und Einwohnern noch nichts Negatives über die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine gehört.» Im Gegenteil: Es sei eine grosse Solidarität zu spüren, so die Gemeindepräsidentin.
«Weit fortgeschritten»
Zur Frage, was passiere, wenn sich das EAZ nicht auf dem Leuenberg realisieren liesse, sagt Dinkel, dass neben Hölstein verschiedene andere Standorte evaluiert werden. «Wir prüfen auf verschiedenen Ebenen, aber damit etwas zustande kommt, müssen verschiedene Faktoren zusammenspielen.» Der Leuenberg zähle zu jenen Optionen, die am weitesten fortgeschritten seien. Allenfalls bieten sich auch Lösungen mit Unterkünften im Baselbiet an, die aktuell vom Bund betrieben werden, so der Leiter des Kantonalen Sozialamts.
Und wenn alle Stricke reissen sollten, müsste der Kanton geflüchtete Personen wieder direkt den Gemeinden zuweisen. Es sei jedoch nach wie vor das Ziel, mit den EAZ den Gemeinden eine vorgeschaltete Lösung anzubieten, damit sie sich möglichst gut auf die Aufnahme der Geflüchteten vorbereiten können, erklärt Dinkel. «Mit dem Standort Laufen machen wir diesbezüglich sehr gute Erfahrungen.»