Nächste Runde für die Gemsacker-Überbauung
09.08.2022 Böckten, PolitikChristian Horisberger
Die Nerven der Grundeigentümer und Investoren einer Wohnüberbauung in Böckten werden erneut auf die Probe gestellt. Wie schon vor zweieinhalb Jahren ist gegen ein von der Gemeindeversammlung bewilligtes Bauprojekt im Gebiet Gemsacker erneut das ...
Christian Horisberger
Die Nerven der Grundeigentümer und Investoren einer Wohnüberbauung in Böckten werden erneut auf die Probe gestellt. Wie schon vor zweieinhalb Jahren ist gegen ein von der Gemeindeversammlung bewilligtes Bauprojekt im Gebiet Gemsacker erneut das Referendum ergriffen worden. Damals mit Erfolg: Die Stimmberechtigten schickten den Quartierplan (QP) für die Überbauung an der Urne deutlich bachab. Dasselbe Schicksal droht nun der zweiten Version des Quartierplans.
Der Gemsacker in Böckten ist ein Flecken Bauland, der von bebauten Grundstücken und von der Bahnlinie eingeschlossen ist. Seit Jahrzehnten wird das rund 10 000 Quadratmeter grosse Areal lediglich landwirtschaftlich genutzt. Vor zwölf Jahren nahmen die Grundeigentümer die Entwicklung des Baulands, das wegen des Bahnlärms der Quartierplanpflicht unterliegt, in die Hand und Ende 2019 lag ein erster Quartierplan zur Beschlussfassung vor.
Vor gut zwei Jahren hatte ein Referendumskomitee vorab wegen des drohenden Mehrverkehrs auf dem Schulweg und des mit 29 Wohneinheiten für seine Begriffe zu grossen Volumens der Überbauung Unterschriften gegen den Gemeindeversammlungsbeschluss gesammelt. Manche der Unterzeichnenden fühlten sich von der Gemeinde mit dem Projekt auch überrumpelt.
Neue Erschliessung
Die Planer des Liestaler Architekturbüros Architeam passten ihr Projekt nach dem Volksabstimmungs-Nein zum Quartierplan an. Am Kern der Überbauung mit zwei Mehrfamlienhäusern, vier Doppelhäusern sowie fünf frei stehenden Einfamilienhäusern hielten sie fest. Verändert wurde die Erschliessung: Unter Einbezug einer zugekauften Parzelle soll die Zufahrt zum Neubaugebiet nun nicht mehr vom Tiergartenweg, dem Schulweg, her entlang des Bahndamms erfolgen wie im QP1 vorgesehen, sondern vom Bündtenweg her über das in den QP2 integrierte Grundstück. Auf diesem werden zwei zusätzliche Einfamilienhäuser errichtet, womit sich die Zahl der neuen Wohneinheiten auf 31 erhöht.
Die Gemeindeversammlung hat dem Quartierplan sowie einem 800 000-Franken-Erschliessungskredit kurz vor Ferienbeginn deutlich zugestimmt. Kürzlich meldete die Gemeinde das Zustandekommen des Referendums und dass über die Vorlage am 25. September an der Urne abgestimmt wird.
Die Mitglieder des Referendumskomitees mit Robert Huber, Daniel Traina und Thomas Rimensberger, die alle am Bündtenweg in der Nähe des Gemsackers wohnen, sträuben sich wegen des drohenden Mehrverkehrs in ihrem Quartier und wegen der für ihre Begriffe zu dichten Bebauung gegen das Projekt, wie Rimensberger auf Anfrage sagt. Der Mehrverkehr auf dem Bündtenweg sei umso problematischer, da eine nationale Veloroute durch diese Quartierstrasse führe.
Als direkter Anstösser der Bauparzelle habe er auch kein Interesse daran, für volle drei Jahre eine Baustelle vor der Nase zu haben, gibt Rimensberger zu. Die Bauzeit für die Erschliessungsstrasse habe die Gemeinde auf ein halbes Jahr veranschlagt. Die Planer sprechen von weiteren zweieinhalb Jahren, bis die zwei Mehrfamilienhäuser, acht Doppel- und nun sieben Einfamilienhäuser stehen.
Den meisten weiteren direkten Nachbarn der Bauparzelle scheint es zu gehen wie Rimensberger: «Vier von fünf Personen, die ich wegen des Referendums ansprach, haben unterschrieben», sagt er. «Vielen wäre es am liebsten, wenn der Gemsacker gar nicht bebaut wird und der Freiraum erhalten bleibt.»
Auszonung würde teuer
Gemeindepräsident Elmar Gürtler ist überrascht – vom Referendum an sich, weil es sich nicht abgezeichnet habe, und auch von der Argumentation. Mit der Erschliessung und der Ableitung der Fahrzeuge aus der Überbauung in Richtung Gelterkinden sei der grössere Teil des Bündtenwegs nicht vom Mehrverkehr tangiert. Wobei Gürtler offen anzweifelt, dass der zusätzliche Verkehr durch die Bewohner der neuen Überbauung fürs Quartier überhaupt spürbar wäre: Eine weit grössere Belastung sei der tägliche Umfahrungsverkehr am Feierabend, wenn sich auf der Hauptstrasse die Autos stauen, sagt er.
Nicht nachvollziehen kann der Präsident die Kritik am der intensiven Nutzung des Baulands: Diese entspreche den Empfehlungen von Bund und Kanton. Hinzu komme, dass die Gemeinde grosses Interesse daran habe, dass freie Flächen wie diese zeitnah überbaut werden, so Gürtler weiter. Böckten habe einen der höchsten Anteile nicht bebauten Baulands und laufe deshalb Gefahr, auf Geheiss des Kantons Baugrundstücke auszonen zu müssen. Mit dem Gemsacker könne Böckten den Anteil bebauter Bauparzellen immerhin auf 84 Prozent erhöhen. Der Kanton verlange einen Mindestwert von 90 Prozent.
Bei allfälligen Auszonungen könnte die Gemeinde entschädigungspflichtig werden. Das gelte auch für den Gemsacker: «Wenn man auf dem Areal eine grüne Wiese will, ist eine Anpassung im Zonenplan erforderlich, was eine Wertverminderung bedeutet. Die Eigentümer können gegenüber der Gemeinde Schadenersatz einfordern.»
Das Interesse Gürtlers gilt auch den künftigen Bewohnerinnen und Bewohnern von Neubauten: «Die Gemeindekasse ist auf zusätzliche Steuerzahler angewiesen, wenn wir den Steuerfuss auf dem heutigen Niveau behalten wollen.»
Erschliessung: keine Alternative
Trotz der bereits umfangreichen Planungsarbeiten seien der Gemeinde dadurch keine nennenswerten Kosten entstanden, sagt Präsident Gürtler. Die Planung sei zum grössten Teil durch die Firma Architeam AG erfolgt. Deren Inhaber Reto Buess zeigt sich erstaunt über die Kritik an der Dichte der Bebauung, da das erlaubte Maximum nicht ausgereizt worden sei. «Die Bedenken, dass eine Bauzeit eine gewisse Belastung darstellt, können wir hingegen nachvollziehen.»
Buess hofft auf ein Ja an der Urne. Was, wenn die Böckter auch dem zweiten QP die rote Karte zeigen sollten? «Eine weitere Erschliessungsmöglichkeit sehen wir nicht», sagt Buess. Und Gedanken über eine Redimensionierung des Projekts bestünden noch keine.
Das Architekturbüro von Buess ist zur Zeit lediglich Projektentwickler. Die Übernahme des Grundstücks vom Eigentümer sei abhängig vom Ausgang der Referendumsabstimmung über den Quartierplan. Abgestimmt wird am 25. September. Der Quartierplan ist gekoppelt an einen Kredit in der Höhe von 800 000 Franken für die Erschliessung des Gebiets. Diese Mittel würden via Anwenderbeiträge zurück in die Gemeindekasse fliessen.