Dreschen mit altem Gefährt
15.07.2022 Bezirk Sissach, Wenslingen, LandwirtschaftOtto Graf
Wie keine andere Maschine im Getreideanbau revolutionierte der Mähdrescher das Einbringen der Ernte grundlegend. Was früher in mehreren Arbeitsschritten und zeitraubend mit viel Personal vonstattenging, erledigt heute eine Maschinistin oder ein Maschinist ...
Otto Graf
Wie keine andere Maschine im Getreideanbau revolutionierte der Mähdrescher das Einbringen der Ernte grundlegend. Was früher in mehreren Arbeitsschritten und zeitraubend mit viel Personal vonstattenging, erledigt heute eine Maschinistin oder ein Maschinist vergleichsweise bequem im Handumdrehen. Ursprünglich schnitten die Bauern mit Sichel und Sense unter sengender Sonne die Kornfelder. Danach wurden die Halme mit den Ähren zu einer Garbe gebunden. Damit die Körner in den Ähren optimal trocknen konnten, mussten die Garben zu Puppen aufgestellt werden. Eine Garbe kam in die Mitte. Vier standen aussen drumherum. Und eine diente aufgefächert als Deckel gegen das Regenwasser. Damit der Wind das Gebilde nicht gleich umbläst, wurde die Puppe mit einem «Garbenhälsig», einer dicken Schnur mit einer kleinen Holzscheibe an einem Ende, stabilisiert. Nach dem Trocknen wurden die Garben heimgefahren und in der Tenne zwischengelagert.
Waren die allgemeinen Arbeiten auf dem Feld abgeschlossen, schwangen die Männer den Dreschflegel und schlugen die Körner aus den Ähren. Waren Weizen und Streu getrennt, brachte der Bauer die schwere Fuhr zum Müller. Dieser vermahlte die Körner schliesslich zu Mehl. So steht es in alten Chroniken. Und nur noch wenige Zeitzeugen wissen aus eigener Erfahrung, was es damals brauchte, um ein Samenkorn in backfertiges Mehl zu verwandeln.
Im Zuge der Mechanisierung in der Landwirtschaft nahmen die Bindemäher viel Handarbeit ab, ebenso die Dreschmaschinen. Die Ernte blieb jedoch eine staubige und aufwendige Knochenarbeit. Das änderte sich erst mit dem Aufkommen des Mähdreschers, der alle Schritte in einem einzigen Arbeitsgang erledigte.
Überschaubare Technik
Nicht zuletzt wegen des bisher optimalen Verlaufs der Getreideernte entschied sich der Wenslinger Bauer, Lohnunternehmer und Gemeindepräsident Andreas Gass, einen Teil einer 1,8 Hektaren haltenden Parzelle im Gebiet Rütenen mit einem etwa 60-jährigen Mähdrescher der dänischen Marke JF abzuernten. Dazu musste Gass, der ausserdem Vizepräsident des Vereins «Freunde alter Landmaschinen der Nordwestschweiz» (Falnowe) ist und seit 30 Jahren mähdreschert, die Maschine an einen Traktor anbauen. Schon die Geschichte der Maschine klingt abenteuerlich. Importiert wurde sie um 1960 von der Firma Messer in Böckten und war zuletzt in Oeschgen bis etwa ins Jahr 2000 in Betrieb. Danach stand sie neben dem Friedhof in Hemmiken, versehen mit dem Schild «Für ein Trinkgeld zu haben». Der Bauer und Landwirtschaftsmaschinenmechaniker Ruedi Thommen erbarmte sich des vor sich hin rostenden Gefährts und erstand dieses zum angeschriebenen Preis.
Während sich Gass mit modernen Mähdreschern bestens auskennt, heuerte er vorsorglich Thommen als Bordmechaniker an. Ein weiser Entscheid, wie sich zeigen sollte. Schon nach ein paar Dutzend Metern musste der Fachmann eingreifen, um einen Stau zwischen Haspel und Einzugsschnecke zu beseitigen. Die Maschine habe kein Getriebe. Alle beweglichen Teile werden von Keilriemen angetrieben, sagt er und erklärt weiter: «Damit das Gerät rund läuft, müssen die Drehzahlen aller Elemente genau aufeinander abgestimmt sein.» Nach ein paar weiteren Nachjustierungen arbeitete der betagte Mähdrescher dann brav. Die Arbeitsbreite beträgt 2,5 Meter, während René Ritter mit seiner Maschine doppelt so viel und wesentlich schneller abarbeitet. Insgesamt, rechnet Gass vor, werde er der Landi in Gelterkinden von diesem Feld etwa 13,5 Tonnen Brotgetreide der Sorte Campanile einliefern können. «Die Qualität des Weizens ist ausgezeichnet. Und die Bedingungen zum Ernten könnten nicht besser sein», stellt er abschliessend fest.