Wie Phoenix aus der Asche
08.06.2022 Hölstein, Kultur
Elmar Gächter
Mit nicht weniger als mit dem Anspruch, die ehemalige Klinik aus den 1950er-Jahren, die Villa und den Hof von 1798 sowie den zugehörigen Umraum schrittweise zu einem Zukunftslabor auszubauen, haben Cornelia Huber und ihr Team 2015 erstmals ihre ...
Elmar Gächter
Mit nicht weniger als mit dem Anspruch, die ehemalige Klinik aus den 1950er-Jahren, die Villa und den Hof von 1798 sowie den zugehörigen Umraum schrittweise zu einem Zukunftslabor auszubauen, haben Cornelia Huber und ihr Team 2015 erstmals ihre Schritte in die «Holdenweid» bei Hölstein gesetzt. Hier sollten künftig Impulse für eine neue «Kultur der Wirklichkeit» ausgehen, die alle Dimensionen des Lebens einschliesst. Von manchen Zeitgenossen, nicht zuletzt aus jenem Dorf, zu dem das romantische Tälchen geografisch gehört, wurden diese Absichten als unrealistisch abgetan, ja gar belächelt. Wie um Himmels willen soll jemand die finanziellen Mittel und die Kraft aufbringen, die teilweise maroden Gebäude zu sanieren und zu neuem Leben zu erwecken?
Heute, sieben Jahre später, ist das einstige «Hirngespinst» zu einer Realität herangewachsen. Die ehemalige psychiatrische Klinik der Stadt Basel steht vor dem Abschluss der ersten grossen Sanierungsetappe.
84 Zimmer mit 115 Fenstern, dies zwei nackte Zahlen des riesigen Gebäudes. Und alles ist bald saniert und umgebaut. Das Dach mit seinen 1000 Quadratmetern Fläche ist neu eingedeckt, das Dachgeschoss ist isoliert und die ehemalige Wäschetrocknung und die Bedienstetenzimmer sind mit zusätzlichen Fenstern zu grossen Seminarräumen ausgebaut worden, der Umbau diverser Gästezimmer zu ganz individuellen Wohlfühloasen ist im Gang, die mehr als 2000 Quadratmeter grosse Aussenfassade erhält ein erfrischendes Outfit. Und das ganz Spezielle daran: Um den Innenausbau kümmert sich eine Schar von Idealisten, teilweise vom Verein Frequenzwechsel − dem Betreiber des Impulszentrums − angestellt, teilweise ehrenamtlich tätig.
Eigentümerin des Gebäudeensembles wiederum ist die Stiftung Holdenweid. Ganz «normal», dass sich hier eine pensionierte Kindergärtnerin zusammen mit einem ehemaligen Koch und einem im Rentnerleben stehenden Velomechaniker um das Legen von Parkettböden mit Materialien aus Abbruchobjekten kümmert. Selbstverständlich auch, dass sich dieses Beispiel der Wiederverwendung auch bei anderen Zimmern durchzieht. «Es ist für meinen Lebenspartner Markus Merz und mich eine eigentliche Leidenschaft, landauf und landab nach solchen nicht mehr benötigten Sachen zu suchen», so Cornelia Huber.
Am 20. August öffnet die «Holdenweid» ihre Türen, damit sich die Öffentlichkeit ein Bild der Geschehnisse machen kann. Zu den bereits abgeschlossenen Arbeiten zählt der Anschluss an das öffentliche Trinkwassernetz – gemäss Vertrag von der ehemaligen Eigentümerin Immobilien Basel-Stadt finanziert – sowie der Hochwasserschutz, der vergangenen Sommer bereits seine Bewährungsprobe bestanden hat. «Im Juni 2023 sollen alle Arbeiten abgeschlossen sein, so Gott will», blickt Cornelia Huber wie immer optimistisch der Zukunft entgegen.
Kosten von 4 Millionen Franken
Vor Beginn des kommenden Winters soll auch die neue Schnitzelheizung in Betrieb sein, die Anschlussmöglichkeiten für die übrigen Gebäude vorsieht. Rund 4 Millionen Franken werden dannzumal die Renovierungs- und Umbauarbeiten gekostet haben, weitgehend von Stiftungen finanziert.
Um die weiteren Gebäude wie Villa und Ökonomiegebäude des ehemaligen Landwirtschaftsbetriebs ebenfalls zu sanieren, muss eine Sonderzone geschaffen werden. Sie soll die Beherbergung zu Therapie-, Kur- und Erholungszwecken, Werkräume und Ateliers für Künstler und Gäste, Einrichtungen zur Verpflegung sowie Räumlichkeiten für Tagungs- und Schulungszwecke ermöglichen. Huber hofft, dass die Bevölkerung von Hölstein dieser Zonenplanänderung möglichst noch in diesem Jahr zustimmt. Spätestens bis zum Herbst werden im Übrigen die bisherigen Mieter der Villa gemäss richterlichem Beschluss das Herrenhaus verlassen müssen.
Die Frage, ob sie bei all den vielen Downs, die ein solches Riesenprojekt zwischendurch zwangsweise mit sich bringt, und bei der steten und aufwendigen Suche nach Geldgebern manchmal nicht am Vorhaben zweifelt, beantwortet Huber mit einem klaren Nein: «Ich habe stets gesagt, dass die ‹Holdenweid› keine Utopie ist. Ich bin eine Realistin, sonst wäre ich nicht hier. Wirklich scheitern kannst du nur, wenn deine Idee sich nicht an der Wirklichkeit orientiert. Die grösste Herausforderung ist es, unser Ziel, die Schaffung eines Orts, bei dem der Mensch im Mittelpunkt steht, in Einklang mit der Wirtschaftlichkeit zu bringen. Dabei darf das eine das andere nicht überdecken.» Mit dem, was sie bisher erreicht haben, sind Cornelia Huber und ihr Verein Frequenzwechsel auf bestem Weg der Zielerreichung.