Regendächer im Baumlabor
16.06.2022 Hölstein, LandwirtschaftElmar Gächter
2018 hat die Universität Basel ihr Forschungsprojekt im Gebiet Schoren ob Hölstein gestartet. Ziel des Experiments ist es, auf einer Fläche von rund 1,6 Hektaren Wald unter anderem herauszufinden, wie Bäume auf langfristige Veränderungen im ...
Elmar Gächter
2018 hat die Universität Basel ihr Forschungsprojekt im Gebiet Schoren ob Hölstein gestartet. Ziel des Experiments ist es, auf einer Fläche von rund 1,6 Hektaren Wald unter anderem herauszufinden, wie Bäume auf langfristige Veränderungen im Wasserhaushalt reagieren, wie gut sie in der Lage sind, sich anzupassen, und welche Arten besser als andere mit der Trockenheit umgehen können.
Das Forschungsgebiet zeichnet sich durch eine grosse Artenvielfalt aus, finden sich hier doch insgesamt vierzehn verschiedene Baumarten wie Fichten, Föhren, Weisstannen, Buchen, Eichen, Bergahorn, Esche, Elsbeeren und weitere. Die «Volksstimme» hatte Gelegenheit, vor Ort mit Projektleiter Ansgar Kahmen von der Universität Basel über die ersten Erkenntnisse zu sprechen.
Diese sind selbst für die Wissenschaftler sehr überraschend. Zudem befinden sich auf dem Gelände neu sieben Regendächer, die auf ausgewählten Versuchsflächen den Niederschlag während der Wachstumsperiode der Bäume um rund 50 Prozent reduzieren.
Bei Projektbeginn konnten die Forscher nicht ahnen, dass sich 2018 zu einem Jahr der Jahrhunderttrockenheit entwickeln würde. «Für uns war dies gleichbedeutend mit der einmaligen Gelegenheit, sie wissenschaftlich erfolgreich aufzuarbeiten. Erfolgreich, weil die Trockenheit uns ganz neue Erkenntnisse lieferte», so Ansgar Kahmen. Er spricht dabei die Tatsache an, dass gewisse Bäume ganz anders reagieren, als man es aufgrund der bekannten Kenngrössen habe vermuten können.
Die Fachleute hat vor allem die Dynamik beim Absterben der Fichte überrascht. «Sie versucht zunächst, ihren Wasserverbrauch zu reduzieren, aber plötzlich erreicht sie einen Schwellenwert, ab dem sie innert weniger Tage komplett abstirbt. Es geht extrem schnell.» Demgegenüber könne beobachtet werden, dass es jenen Fichten, die überlebten, nach dem feuchten vergangenen Jahr wieder bestens gehe.
Bei der Buche verhalte es sich umgekehrt. Sie weise immer noch Schäden aus dem Trockenjahr 2018 auf und sterbe einen langsamen Tod. «Wenn die Leitbahnen im Holz defekt sind, kann nicht mehr ausreichend Wasser in die Krone transportiert werden. Der Baum versucht sich anzupassen, indem er weniger Blätter bildet. Deshalb sieht man auch überall schüttere Buchen», erläutert Ansgar Kahmen. Die Buche komme im Übrigen auch in Sizilien vor. Diese habe zwar unterschiedliche genetische Merkmale, dennoch könne es ein Fingerzeig sein, dass ein Baum, der bereits unter trockenen Bedingungen aufwachse, ein ganz anderes Verhältnis der Blätter zum Wurzelbereich aufweise und möglicherweise besser mit der Trockenheit umgehen könne.
Buche nicht mehr dominant
Der Wald habe sich insgesamt teilweise von den trockenen vergangenen Jahren erholt. Dies gelte vor allem auch für die Koniferen, weniger hingegen für die Buchen. «Ob sie, die stark geschädigt wurden, sich erholen oder langsam durch Pilzbefall absterben, wissen wir noch nicht», sagt Ansgar Kahmen.
Aus seiner Sicht wird die Buche in unseren Wäldern zwar nicht verschwinden, sie werde aber nicht mehr so dominant sein wie heute. Den Fichten im Mittelland und in den Juragebieten gibt er hingegen keine grosse Überlebenschance.
Seit April installieren Spezialisten aus Brandenburg auf dem Versuchsgelände insgesamt sieben Regendächer mit einer Fläche von je 300 bis 500 Quadratmetern. Sie sollen Anhaltspunkte liefern, welche Baumarten besonders empfindlich auf die Trockenheit reagieren. Mit von Hand schliessbaren Lamellen sorgen sie in den nächsten 15 Jahren dafür, dass während der Hauptwachstumsperiode der Bäume an ausgewählten Standorten rund die Hälfte des anfallenden Regenwassers nicht auf den Waldboden gelangt, sondern separat abgeführt wird.
Jedem Dach sind jeweils zwei Paare der gleichen Baumart zugeordnet, um die nötigen Vergleichswerte zu erhalten. Die abwechslungsweise offenen und mit Lamellen aus Polykarbonat schliessbaren Bahnen liegen auf einem Stahlgerüst, das auf Windgeschwindigkeiten bis 100 Stundenkilometer und einer Schneehöhe bis 30 Zentimeter ausgelegt ist. Das Dach wird im Februar geschlossen und im Herbst, wenn der Laubfall einsetzt, geöffnet, um dem Boden den Nährstoffgehalt der alten Blätter zuzuführen. Die Kosten für das Regendach belaufen sich auf rund 1 Million Franken, die zu 80 Prozent vom Schweizerischen Nationalfonds getragen werden.