Janis Erne

Zwei Tage nach dem Grossbrand in Diepflingen ist Bruno da Silva noch immer geschockt: «Als meine Familie und ich vom Flaschenentsorgen zurück nach Hause kamen, sahen wir plötzlich Rauch im Gebäude.» Die Wohnung der Familie, die an die Zimmerei Marti anschliesst, befindet sich wie das Lager der Axova AG und die Firma «carporn industries» auf dem Areal, auf dem am Samstag gegen 12.45 Uhr das Feuer ausgebrochen ist. Ein paar Sekunden später sei seine Wohnung bereits in Flammen aufgegangen, so da Silva.

Seinen Hund und die zwei Schildkröten konnte der zweifache Familienvater noch retten, bevor das Feuer grosse Teile des Gebäudes zerstörte. Alle anderen Besitztümer seiner vierköpfigen Familie seien zerstört worden. «Besonders meine Kinder im Alter von fünf und acht Jahren sind sehr traurig. Sie haben keine persönlichen Sachen mehr – weder ihr Bett, ihre Spielzeuge noch ihre Schulsachen», so der Polier. Da sie als portugiesische Familie im Oberbaselbiet nicht viele enge Bekannte und Freunde hätten, seien sie froh, dass ihnen die Leute im Dorf helfen. Etwa mit Kleidern oder Gebrauchsgegenständen. Die Gemeinde stellt der Familie, die seit rund acht Jahren in Diepflingen wohnt, zudem vorübergehend eine Unterkunft zur Verfügung.

Drei Personen seien leicht verletzt worden, teilte die Polizei am Samstag mit. Die Verletzten wurden mit leichten Verbrennungen und dem Verdacht auf Rauchgasvergiftung ins Spital gebracht. Rund 150 Einsatzkräfte, unter ihnen Feuerwehrleute der Stützpunkte Liestal und Sissach, der Ortsfeuerwehren Delta und Homburg und des Feuerwehr-Inspektorats beider Basel, waren während Stunden im Einsatz. Bei Temperaturen von gegen 35 Grad, meterhohen Flammen und einer enormen Rauchentwicklung mussten die Feuerwehrleute an ihre Grenzen gehen. Die Rauchsäulen waren bis Sissach zu sehen. Gestern Morgen wurden schliesslich die letzten Glutnester gelöscht.

Die Brandursache sei noch unklar, sagte Polizeisprecher Adrian Gaugler gestern. Einen Verdacht dürfte die Polizei indes haben: Wie ein Augenzeuge der «Volksstimme» berichtet, seien beim betroffenen Areal unmittelbar vor dem Brandausbruch Schweissarbeiten durchgeführt worden. Beim Eintreffen der Feurwehr habe sich eine Person selbst als Verursacher des Feuers bezichtigt. Gewerbetreibende mutmassen, dass die Schweissarbeiten in einer Garage unterhalb der Zimmerei Marti vonstattengegangen seien und die Flammen auf die Gebäude übergegriffen haben. Die polizeiliche Ermittlung ihrerseits nehme mehrere Tag in Anspruch, meint Gaugler.

Mehrere Gewerbe betroffen
Vom Grossbrand betroffen waren über 2000 Quadratmeter, die Rolf Marti gehören. Auf dem Grundstück führt er in zweiter Generation die 1963 gegründete Zimmerei. «Das Lebenswerk meines Vaters ist abgebrannt. Es ist sehr aufwühlend und traurig», sagte der Diepflinger vorgestern gegenüber «20min.ch». Tausende Stunden habe Marti im Betrieb verbracht. «Innerhalb einer Stunde war es einfach weg.» Der Zimmermann vermietet auf seinem Areal auch Räume an Gewerbetreibende. Unter ihnen befindet sich die Axova AG, die Solarstromanlagen installiert und Dächer saniert. Die Sissacher Firma unterhielt in einem niedergebrannten Gebäudeteil ihr Hauptlager, in dem alles zerstört wurde (siehe Interview unten).

Im Gegensatz zur Axova AG, die seit Längerem auf dem Areal tätig ist, baute Ramon Lehmann seine Carrosserie-Werkstatt erst vor einem halben Jahr auf. Vor rund einem Monat wurde seine Firma «carporn industries» ins Handelsregister eingetragen. In Diepflingen repariert und verkauft der Unternehmer Autos und Motorräder. «Die meisten Autos haben den Brand dank des rechtzeitigen Wegstellens durch die Feuerwehr überstanden», sagt Lehmann, der das Schadensausmass am Sonntag erstmals vor Ort besichtigte. Eine genaue Schadenssumme könne aber erst eruiert werden, wenn alle Lackschäden nach dem Putzen der Autos zum Vorschein kommen, so der vom Grossbrand betroffene Autohändler.

Cannabispflanzen entdeckt
Die Feuerwehr musste eine Löschwasserleitung nach Thürnen legen. Denn das Löschwasser aus dem Diepflinger Reservoir war schnell aufgebraucht. Auch der Wasserbezug aus dem Homburgerbach war nicht möglich, weil der Bach zu wenig Wasser führte. Als das Feuer am späten Nachmittag schliesslich unter Kontrolle war, forderte «Diepflingen» seine Einwohnenden auf, den Wasserverbrauch zu reduzieren. Dies für die Erholung der Wasserreserven. «Unsere Bitte wurde befolgt», sagt Gemeindepräsident Markus Zaugg. Schwimmbadfüllungen und das Giessen der Gärten seien eingeschränkt worden. «Alle Haushalte waren stets mit Trinkwasser versorgt.» Jedoch habe es bei höherliegenden Liegenschaften teils Probleme mit Druckabfällen in den Leitungen gegeben. Die Gemeinde vermutete einen Leitungsbruch, was sich letztlich nicht bewahrheitete.

«Es könnte sein, dass es ein, zwei kleinere Löcher in der Wasserleitung gibt», so Zaugg. Dies werde im Verlauf der Woche untersucht. «Als Vorsichtsmassnahme wurde das Wasser chloriert, sodass es weiterhin ohne Bedenken getrunken werden kann.» Auch werde die Wasserqualität im Labor analysiert. Für den Homburgerbach kann Zaugg Entwarnung geben: Seines Wissens sei kein Löschwasser in den Bach gelangt. «Das Wasser konnte direkt via Kanalisation der Abwasserreinigungsanlage in Sissach zugeführt werden.»

Schliesslich fand die Polizei im Nachgang der Brandbekämpfung durch die Feuerwehr in einem Raum eines nicht vollständig abgebrannten Gebäudeteils mehrere Hanfpflanzen. Die Polizei transportierte die Pflanzen ab. Polizeisprecher Adrian Gaugler bestätigt, dass eine «Kleinmenge» sichergestellt worden sei, deren THC-Gehalt nun im Labor untersucht werde.

Grossbrand hinterlässt Schrecken

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