Zwei Profis und 50 Topmotivierte am Werk
05.05.2022 LäufelfingenProben für Freilichttheater «Hauenstein» sind in vollem Gange
An unzähligen Abenden proben Regisseur Danny Wehrmüller und Chorleiterin Susanne Würmli-Kollhopp mit den Laienschauspielenden das Stück «Hauenstein». Beide verfügen ...
Proben für Freilichttheater «Hauenstein» sind in vollem Gange
An unzähligen Abenden proben Regisseur Danny Wehrmüller und Chorleiterin Susanne Würmli-Kollhopp mit den Laienschauspielenden das Stück «Hauenstein». Beide verfügen über viel Erfahrung in ihrem Metier. Das bekommt die «Volksstimme» an zwei Augenscheinen eindrücklich zu sehen.
Janis Erne
Eines wurde an diesem Abend in den Räumlichkeiten des «Silo 12» klar: Theaterproben sind mit einem immensen Aufwand verbunden. Die Laienschauspielenden übten unter der Leitung von Regisseur Danny Wehrmüller in gut zwei Stunden akribisch eine fünfminütige Szene. Zur Einordnung: Auf 120 Minuten beläuft sich die gesamte Spielzeit des Freilichttheaters «Hauenstein», das die Läufelfinger Dorfgeschichte im 19. Jahrhundert erzählt. «Theaterstücke bedingen eine lange Probezeit und die Wiederholungen viel Geduld», bestätigt Wehrmüller im Gespräch.
Der Regisseur spricht aus Erfahrung. Seit 1990 hat die unter seiner Leitung stehende Theatergruppe «Rattenfänger» in seinem Wohnort Muttenz 32 Stücke gespielt, 29 davon unter freiem Himmel. In seiner beruflichen Laufbahn hat Wehrmüller über 60 Inszenierungen geleitet und fast ebenso viele Stückbearbeitungen geschrieben. Der frühere Primarlehrer weist gleich mehrere künstlerische Begabungen auf: Neben seinen Diensten als Regisseur bietet Wehrmüller etwa Musikunterricht oder szenische Stadtrundgänge an – unter anderem in Liestal.
Das Oberbaselbiet – genauer gesagt, das Areal des stillgelegten Steinbruchs Adliken in Läufelfingen – ist auch Schauplatz von Wehrmüllers neustem Mandat. Unter seiner Regie wird am 10. Juni an der Passstrasse zum Unteren Hauenstein das gleichnamige Freilichttheater uraufgeführt. Dass es so weit kommen konnte, ist ein Verdienst seines langjährigen Engagements und nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass er sich in der regionalen Kulturszene einen Namen gemacht hat.
Vor knapp drei Jahren wurde Wehrmüller den beiden Initianten des Läufelfinger Theaterprojekts, Albert Frei und Margrit Balscheit, empfohlen. Im Sommer 2019 besuchten Frei und der spätere Regieassistent Urs Ebneter Wehrmüllers nächste Freilichtinszenierung mit den «Rattenfängern»: die Tragödie «Faust» des weltberühmten Dichters Johann Wolfgang von Goethe. Begeistert von der Muttenzer Inszenierung fragten sie Wehrmüller an, ob er die Regie bei «Hauenstein» übernehmen würde. Wehrmüller sagte unter der Bedingung zu, bei der Spielfassung und den künstlerischen Mitteln völlig freie Hand zu haben. Er wollte das vom Berner Autor Ueli Remund geschriebene und historisch fundierte Stück genau auf die Mitwirkenden zuschreiben, die dramaturgischen Mittel leicht modernisieren und die Handlung mit Liedern versetzen, um eine zusätzliche Sinnlichkeit zu erreichen.
Casting bei Minustemperaturen
Im vorvergangenen März begannen schliesslich die Vorbereitungsarbeiten für die Schauspielerei – mit einem offenen Casting. «Das bedeutet, dass alle interessierten Personen die Möglichkeit erhalten, als Schauspielende auf der Bühne zu stehen», erklärt Wehrmüller. Eine Selektion gab es nicht. Aufgrund der damals geltenden Corona-Schutzmassnahmen musste das Casting draussen stattfinden, teilweise bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Trotz dieser Widrigkeiten meldeten sich genügend Leute: ungefähr 50. Die überwiegende Mehrheit stammt aus Läufelfingen, den angrenzenden Dörfern und dem Oberbaselbiet. Passend zur Leitfigur des Stücks, dem Politiker und Grossbauern Heinrich Strub, befinden sich unter den Schauspielenden auch ein paar Namensvetter.
Zu ihnen gehört die Familie Strub um Amélie, Leonie, Denise und Niklaus. Als langjährige Mitglieder des Theatervereins «Laienbühne Läufelfingen» haben die vier grosse Schauspiel-Erfahrung. Doch nicht alle «Hauenstein»-Darstellenden haben einen solchen Hintergrund: Die Hälfte ist noch nie auf einer Bühne gestanden. «Als wir mit den Proben begannen, mussten wir den unerfahrenen Leuten erst einmal die Basics der Schauspielerei beibringen», erinnert sich Wehrmüller. Die ungleichen Fähigkeiten der Schauspielenden seien durchaus eine Herausforderung. «Es ist aber erfreulich, wie kontinuierlich alle Fortschritte machen.»
Eine andere grosse Herausforderung bringt der Umstand mit sich, dass alle Schauspielenden Laien sind: ihre zeitliche Verfügbarkeit zum Proben. Um eine gewisse «Opfersymmetrie» zu garantieren, plant Wehrmüller die Termine so, dass die Proben nicht immer an den gleichen Wochentagen stattfinden. «Verständlicherweise haben die Schauspielenden berufliche, familiäre oder vereinstechnische Verpflichtungen. Besonders bei Proben mit vielen Leuten ist die Organisation schwierig», so Wehrmüller, der mit den Schauspielenden seit Oktober mehrmals pro Woche am Proben ist.
Jedes Detail muss stimmen
Als die «Volksstimme» Ende März eine abendliche Probe besuchte, griffen die Abläufe zwischen Wehrmüller, seinem Assistenten Urs Ebneter, der Kostümgestalterin Susanne Brodbeck und den Schauspielenden bereits ineinander: Während Wehrmüller in Absprache mit Brodbeck jedes Kostüm abnahm, tippte Ebneter die Erkenntnisse in den Laptop ein. Von den Schuhen bis zu den Hüten – es wurde auf das kleinste Detail geachtet. Anweisungen wie «das Tattoo am Bein muss verdeckt sein» oder «im 19. Jahrhundert konnten sich die einfachen Leute keine Brille leisten, du musst sie leider abnehmen» waren zu hören.
An diesem Abend stand das Einüben einer Szene auf dem Programm, bei der Truppen der eidgenössischen Tagsatzung im Zuge der Kantonstrennung in Läufelfingen aufmarschieren und eine Ausgangssperre im rebellischen Dorf anordnen. In der ersten Probephase standen sieben Protagonisten, die in dieser Szene zu sprechen haben, im Kreis und wiederholten gemeinsam den Text. Kurz darauf wurden Requisiten und ein Wagen hinzugenommen. Später, in der zweiten Phase, ergänzte das aus rund 15 Leuten bestehende Läufelfinger Volk die Protagonisten, und in einer dritten Phase kamen zusätzlich zum Gesprochenen die eigens komponierten Lieder dazu.
Wechselnde Protagonisten
«Die personelle Besetzung der Protagonisten und des Volks wechselt im Verlauf des Stücks. Ein Schauspieler kann in der einen Szene ein Militäroffizier der Tagsatzungstruppen und in einer anderen Szene ein Läufelfinger Dorfbewohner sein», erklärt Wehrmüller. Solche Rollenwechsel machen aus «Hauenstein» etwas Spezielles. Normalerweise ändere sich bei einem Theater die Rollenverteilung im Verlauf des Stücks nicht. Überdies ist bei «Hauenstein» besonders, dass es drei Versionen der Leitfigur gibt – einen jungen, mittleren und älteren Heinrich Strub. «Dies, weil die Geschichte über mehrere Jahrzehnte hinweg erzählt wird und die Leitfigur im Verlauf des Stücks altert», so Wehrmüller.
Je weiter die abendliche Probe fortschreitet, desto offensichtlicher wird, dass Wehrmüller ein Vollprofi ist. Ihm scheint nichts zu entgehen. Beim Gesprochenen wird die Ausdrucksweise korrigiert, beim Gesungenen am Ausdruck gefeilt und beim Auftreten die Mimik sowie die Körpersprache verbessert. Wie bei der Abnahme der Kostüme wird auch bei der Schauspielerei auf jede Kleinigkeit geachtet: Wie soll der sprechende Armeeoffizier sein Gewehr halten? Wie sollen die einzelnen Dorfbewohner auf die Drohgebärden des Armeeoffiziers reagieren? Fragen über Fragen, die sich Wehrmüller stellen muss – doch er arbeitet nicht allein.
Eine Buckterin als Glücksfall
«Danny Wehrmüller, den ich von früher kenne, hat mich angefragt, ob ich beim Theaterprojekt ‹Hauenstein› das Einstudieren der Lieder und später die musikalische Leitung übernehmen möchte», sagt Susanne Würmli-Kollhopp aus Buckten. In ihrem Metier ist Würmli-Kollhopp eine absolute Expertin: Sie arbeitete die vergangenen 40 Jahre als Chorleiterin an der Musik-Akademie Basel, verfasste verschiedene Singspiele und komponierte Lieder und Chorsätze, die sie im Eigenverlag herausgibt. Heute leitet sie noch den Chor Buckten, bei dem sie im Jahr 1980 angefangen hat, und übernimmt temporäre musikalische Aufgaben wie beim Läufelfinger Theaterprojekt.
Im Stück «Hauenstein» singen die Schauspielenden als Ergänzung zum Gesprochenen insgesamt 14 Mundartlieder, 12 davon hat der Regisseur selbst geschrieben und komponiert. «Danny hat klare Vorstellungen, wie die Lieder tönen und wirken sollen», meint Würmli-Kollhopp, welche die Lieder mit den Schauspielenden in etlichen Proben einstudiert hat. Die Lieder würden unglaublich viel Text, der von den Mitwirkenden auswendig gesungen werden muss, aufweisen. «Immerhin», so Würmli-Kollhopp, «sind alle Lieder einstimmig.» Das habe vieles erleichtert.
Bei einem zweiten Augenschein der «Volksstimme» vor Ort im «Silo 12» waren rund 40 Leute anwesend, die unter den Anweisungen von Würmli-Kollhopp und Wehrmüller ein rassiges Lied im Kanon sangen. Für einen Aussenstehenden war es eindrücklich zu sehen, wie die verschiedenen Stimmen koordiniert wurden, und wie die beiden leitenden Personen parallel Anweisungen gaben. «Eine gute und harmonische Zusammenarbeit mit Danny ist Voraussetzung, dass es den Mitwirkenden wohl ist und sie gerne proben», sagt Würmli-Kollhopp dazu.
Die Buckterin übernimmt während der Gesangsproben oftmals die musikalische Begleitung am Klavier, während Wehrmüller den Chor leitet. In den Freilicht-Aufführungen wird dann aber Würmli-Kollhopp die musikalische Leitung übernehmen: Dirigieren, Einsätze geben und alles andere, was dazugehört. Bis es so weit ist und das Theater Anfang Juni uraufgeführt wird, braucht es noch ein paar Übungsstunden – nicht zuletzt, weil nur wenige routinierte Chorsängerinnen und Chorsänger mitmachen. Die fehlende Erfahrung der Mitwirkenden sei aber schnell kompensiert worden, meint Würmli-Kollhopp: «Alle waren stets unglaublich motiviert. Der Gesang hat sehr schnell gut funktioniert und die Fortschritte waren für mich und alle gut hörbar. Und nicht zu vergessen: Es wurde auch viel zu Hause geübt.»
Langsam, aber sicher gehen die Proben in die heisse Phase. Bis zur Premiere am 10. Juni bleibt nicht mehr viel Zeit. Wie die musikalische Leiterin ist auch der Regisseur bezüglich des Lernfortschritts der Schauspielenden zufrieden: «Wir sind momentan genau da, wo wir sein müssen.» Das ist der Verdienst von zwei Profis und 50 Topmotivierten.