ZOOLOGISCH
29.04.2022 NaturWasserläufer
Daniel Zwygart
Beim erfolglosen Versuch, eine Nachtigall im nahen Elsass zu fotografieren, gerieten Wasserläufer auf einem kleinen Weiherchen in den Fokus meiner Kamera. Zu meiner Überraschung waren die meisten Tiere als ...
Wasserläufer
Daniel Zwygart
Beim erfolglosen Versuch, eine Nachtigall im nahen Elsass zu fotografieren, gerieten Wasserläufer auf einem kleinen Weiherchen in den Fokus meiner Kamera. Zu meiner Überraschung waren die meisten Tiere als Doppelpack unterwegs (siehe Bild).
Wasserläufer gehören zur Familie der Wanzen und somit zur Klasse der Insekten. Als solche haben sie 3 Beinpaare am Brustabschnitt. Die Anpassung dieser Beine ans Leben auf dem Wasser ist beim Wasserläufer erstaunlich. Ersichtlich wird es erst, wenn man ein Filmchen ihrer Fortbewegung in Zeitlupe abspielt: Gerudert wird mit den mittleren, langen Beinpaaren. Die hinteren Beine sind zwar auch lang, aber stark abgewinkelt, sodass sie wie Führungsschienen auf dem Wasser liegen. Mit ihnen wird also stabilisiert und gesteuert. Die Vorderbeine sind kürzer. Sie haben viele Aufgabenbereiche: Stabilisation am Steuerbord bei der Fortbewegung und Multifunktionswerkzeug beim Stillstand. Sie orten – ausgerüstet mit Vibrationssensoren – abgestürzte oder frisch geschlüpfte Insekten (meist Mücken), ergreifen diese und führen sie zum Saugrüssel, mit dem das Tier dann ausgesaugt wird. Ist der Hunger gestillt, putzen und fetten die Vorderbeine die Füsse der mittleren Ruderbeine.
Dass die Wasserläufer nicht ein- und untertauchen, ist keine Zauberei: Zum einen halten die Wassermoleküle an der Oberfläche speziell stark zusammen (Oberflächenspannung), zum anderen haben die Wasserläufer am ganzen Körper und speziell an den Füssen viele Mikrohaare (bis 1000 pro Quadratmillimeter), in denen viele Luftbläschen festgehalten werden. Zusammen mit dem Fett ergibt dies eine optimale Abgrenzung zum Wasserfilm. Dies zeigen leichte Eindellungen an den Orten der Wasserauflage (siehe Bild).
Mittels spezieller Vibrationen grenzen Wasserläufer kleine Wasserreviere gegenüber Artgenossen ab. Wenn allerdings eine grosse Beute wie beispielsweise ein Nachtfalter aufs Wasser fällt, dann werden die «virtuellen» Abgrenzungen aufgehoben und es fressen respektive saugen alle am selben Objekt. Möchte sich ein Männchen mit einem Weibchen paaren, dann ahmt es mit den Vorderbeinen die Vibrationssignale einer potenziellen Beute nach. Kommt ein Weibchen dahergerudert oder sogar gehüpft – sie können dies bis 40 Zentimer weit – springt das Männchen auf des Weibchens Rücken und hält sich dort mit seinen Vorderbeinen fest. Ist das Weibchen paarungsbereit, lässt es eine Kopulation zu, wenn nicht, dann muss das Männchen warten. Damit kein anderes Männchen den Vorzug bekommt, verlässt es seine Partnerin oft erst nach der erfolgreichen Eiablage. Aus den Eiern schlüpfen noch im selben Jahr Larven, die sich in fünf Häutungsschritten allmählich zum ausgewachsenen Tier verwandeln.
Die Überwinterung erfolgt an Land unter Moosen und Falllaub. Falls es in einem Weiher zu viele Individuen hat, kommt es im besseren Fall zum Wegflug – ja, Flügel haben sie auch – an einen anderen Weiher oder im schlechteren zu Kannibalismus.
Daniel Zwygart ist Biologe. Er unterrichtete während vieler Jahre am Gymnasium Liestal.