CARTE BLANCHE
22.04.2022 PolitikDas erste Mal
Florence Brenzikofer, Nationalrätin Grüne, Oltingen
Corona Lockdown April 2020: Ich erinnere mich noch gut an die schönen warmen Frühlingstage vor zwei Jahren. Wir verbrachten Ostern zu fünft im Garten und im ...
Das erste Mal
Florence Brenzikofer, Nationalrätin Grüne, Oltingen
Corona Lockdown April 2020: Ich erinnere mich noch gut an die schönen warmen Frühlingstage vor zwei Jahren. Wir verbrachten Ostern zu fünft im Garten und im nahe gelegenen Wald, umwanderten mehrfach die Umgebung von Oltingen, bauten einen Pizza-Ofen, kochten, spielten – und dann passierte es auch bei mir. Ich schaute meine erste Netflix-Serie.
Ich bat meine Söhne um Tipps und startete gleich mit ihrem Favoriten: «Peaky Blinders», einer Gangstergeschichte der englischen Zwanzigerjahre, die mich sofort in ihren Bann zog.
Bis vor einigen Jahren boten die grossen Streaming-Plattformen primär US-amerikanische Produktionen an. Heute ist das Angebot zum Glück vielfältiger geworden. Topserien wie «Lupin» aus Frankreich oder «Haus des Geldes» aus Spanien wurden über 70 Millionen Mal in der ganzen Welt geschaut und bieten für Frankreich und Spanien eine willkommene Werbeplattform.
Dass Netflix und Co nicht nur in die USA investieren, hat damit zu tun, dass die Europäische Union seit 2018 von den Streaming-Anbietern fordert, dass mindestens 30 Prozent der Inhalte europäische Produktionen sein müssen. Dank dieser erfolgreichen Regelung hat sich die kulturelle Vielfalt des digitalen Angebots deutlich erhöht.
Mit dem neuen Filmgesetz, worüber wir am 15. Mai abstimmen, soll dieses Prinzip auch in der Schweiz eingeführt werden. Gleiche Rechte und Pflichten für alle – dies ist eines der Hauptanliegen dieser Revision. Die «Lex Netflix» soll mehr Filmstoff ermöglichen, der nah an unserem Leben, an unserer Kultur, an unserem Land ist. Mehr Schweiz in Film und Serien trägt auch zur Stärkung unserer Identität bei. Denn die Schweiz bietet mit ihrer grossen Vielfalt an Regionen, Landschaften und Legenden viel Stoff für spannende Serien und Filme.
Bereits heute sind auch die Schweizer Fernsehsender verpflichtet, 4 Prozent ihrer Einnahmen in Schweizer Filme und Serien zu investieren. Damit wurde die Produktion der Erfolgsserien «Der Bestatter», «Wilder» oder «Tschugger» erst möglich. Dank der Gleichbehandlung der internationalen Streaming-Plattformen könnte die Schweizer Filmwirtschaft mit jährlich 30 Millionen Franken gefördert werden, was insbesondere für junge Kulturschaffende bedeutend ist. 4 Prozent sind verglichen zum nahen Ausland sehr moderat. In Spanien sind es heute 5, in Italien 20 und in Frankreich gar 26 Prozent. Die Förderung der einheimischen Filmwirtschaft kommt auch den Anbieterinnen entgegen. Mit den 4 Prozent können sie weltweit ihr Angebot ausbauen und damit zusätzliches Geld verdienen.
National- und Ständerat haben sich klar für das neue Filmgesetz ausgesprochen, das eine moderne Antwort auf die veränderten digitalen Sehgewohnheiten ist. Ein Ja zum neuen Filmgesetz stärkt unseren kulturellen Reichtum und trägt dazu bei, dass die Schweiz auch auf digitalen Filmplattformen eine Plattform erhält. Wir alle profitieren damit von einem grösseren Angebot an Serien, die nahe an unserer Lebensrealität sind.
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.