Ein Paradies für Sammler
15.02.2022 Augenschein, Gesellschaft, Baselbiet
Sander van Riemsdijk
Noch einige Stunden dauert es am vergangenen Samstag bis zum Start der zweitägigen Winterauktion beim Auktionshaus «zum Dorenbach» in Rheinfelden. Ein eher unscheinbares Gebäude in einem Wohn- und Industriegebiet, etwas zurückversetzt, ...
Sander van Riemsdijk
Noch einige Stunden dauert es am vergangenen Samstag bis zum Start der zweitägigen Winterauktion beim Auktionshaus «zum Dorenbach» in Rheinfelden. Ein eher unscheinbares Gebäude in einem Wohn- und Industriegebiet, etwas zurückversetzt, sodass man es auf Anhieb nicht sofort findet. Wenn sich die Tür zum Auktionshaus öffnet, findet man sich in einer bunten und atemberaubenden Modelleisenbahnwelt wieder. So weit das Auge reicht, sind sämtliche Regale gefüllt mit nummerierten Modelleisenbahnartikeln in verschiedenen Grössen, die auf ihre Käuferschaft warten.
Wer das einzige Auktionshaus der Schweiz für Modelleisenbahnen besucht, kann nichts kaufen. Die Artikel können nur durch Ersteigern erworben werden, und dies via eine Internet-Verkaufsplattform an vier Wochenenden im Jahr. Vor der Pandemie fanden die Modelleisenbahnartikel den Weg zu ihrem Käufer in einem separaten Raum, in welchem sie noch mit einer Nummer in der gehobenen Hand der Interessenten ersteigert werden konnten. An einem Auktionswochenende stehen jeweils etwa 2500 Artikel zum Verkauf, darunter auch Modellautos, Puppen, Bastelkästen und Holzspielzeug. Etwa eine Woche vor der Versteigerung können die Artikel während vier Tagen begutachtet und getestet werden.
Hobby zum Beruf gemacht
Vor dem Umzug nach Rheinfelden war das Auktionshaus «zum Dorenbach» in Basel beheimatet. Im Jahr 2008 haben Stefan und Ursula Stöckli den Betrieb übernommen. «Ich bin ein leidenschaftlicher Eisenbahnfan und war seit 1983 ein treuer Kunde an den Auktionstagen. Als mir die Übernahme angeboten wurde, brauchte ich nicht lange zu überlegen und sagte sofort zu», erläutert Stöckli, «und machte so mein Hobby zu meinem Beruf.» Da der Platz in Basel zu klein wurde, zog man 2014 nach Rheinfelden.
Im Vergleich zu früheren Jahren − er nennt die Periode 1985–2000 eine goldene Zeit − sei das Geschäft rückläufig, das Interesse an Modelleisenbahnen schwinde allmählich, sagt Stöckli, der als Auktionator das Auktionshaus hauptberuflich führt. «Immer weniger Kinder interessieren sich für das Hobby und die ältere Generation stirbt langsam weg.»
Noch immer sind die meisten Kunden Männer in fortgeschrittenem Alter, die sich früher vor Freude die Nase gegen das Fenster des Eisenbahngeschäfts platt gedrückt haben. «Jetzt können sie sich ihre Kindheitsträume erfüllen, weil sie es sich leisten können.»
Der grösste jemals erzielte Zuschlag für einen Artikel lag bei 52 000 Franken − für ein Zollrevisionsgebäude von Märklin aus dem Beginn des vergangenen Jahrhunderts. Die Kundschaft kommt mehrheitlich aus der Schweiz, viele aus dem Baselbiet. Auch aus dem Ausland hat es Interessenten, obwohl das Rheinfelder Auktionshaus in grosser Konkurrenz zu den 25 auf Eisenbahnen und Zubehör spezialisierten Auktionshäusern im benachbarten Deutschland steht.
Eine Renaissance erlebt
Da das Angebot an gebrauchten Modelleisenbahnen stetig steigt und sich unterdessen verdoppelt hat, lassen die Preise proportional bis zur Hälfte nach. Für Stöckli eine bedenkliche Entwicklung, die ihn ins Eisenbahnerherz trifft. «Die Marge wird immer kleiner und dadurch wird das Geschäft immer schwieriger. Auch ist die Kundschaft anspruchsvoller geworden.» Nur für Raritäten und absolut gut erhaltene Stücke werden noch marktkonforme Preise bezahlt. Angestellte hat er keine mehr. «Dies käme schlicht zu teuer. Meine Frau hilft mir.»
Während der Pandemie haben Hobbys eine regelrechte Renaissance erlebt, so auch die Modelleisenbahnen. Stöckli: «Das Interesse für das Hobby bekam einen richtigen Schub. Ob dieser nachhaltig sein wird, bleibt abzuwarten.» Ans Aufhören möchte Stöckli trotz der unsicheren wirtschaftlichen Entwicklung keinen Gedanken verschwenden. «Auch wenn es immer schwieriger wird, ich mache so lange weiter, wie es noch geht.» Und sichert damit − wenigstens für die kommenden Jahre − die Weiterführung des einmaligen Schweizer Auktionshauses für Modelleisenbahnen.
Zur Person
svr. Stefan Stöckli ist 63 Jahre alt und verheiratet. Er ist in Biel geboren und in Allschwil aufgewachsen. Momentan wohnt er mit seiner Frau Ursula in Möhlin. Er war vor der Übernahme des Auktionshauses viele Jahre in der Finanzbranche tätig. Er ist ein in der ganzen Schweiz ausgewiesener Kenner von Modelleisenbahnen.