Wohin geht die Entwicklung im Fussball der Frauen?
28.01.2022 FussballEin neues Team am einen, eines weniger am anderen Ort und häufig Personalengpässe: Frauenfussball boom d häufig Personalengpässe: Frauenfussball boomt und floppt in der Region gleichzeitig
Mädchen gehen zum Ballettunterricht und Jungs ins Fussballtraining – ...
Ein neues Team am einen, eines weniger am anderen Ort und häufig Personalengpässe: Frauenfussball boom d häufig Personalengpässe: Frauenfussball boomt und floppt in der Region gleichzeitig
Mädchen gehen zum Ballettunterricht und Jungs ins Fussballtraining – dass das ein altmodischer Gedanke ist, weiss jeder. Heutzutage liegt Fussball bei Mädchen und Frauen im Trend, jedoch nicht überall. Warum prosperiert er in Sissach und droht in Bubendorf zu scheitern? Eine einheitliche Stossrichtung gibt es im Oberbaselbiet nicht.
Luana Güntert
«Diese allgemeine Vermutung, dass sich niemand für Fussballspiele der Frauenligen interessiert, stimmt überhaupt nicht», sagt Benno Kaiser, Verantwortlicher Frauenfussball des Fussballverbands Nordwestschweiz. «Bei den Männern hat es im Amateur-Bereich gleich viele Zuschauer wie bei den Frauen, die Unterschiede erkennt man nur in den obersten Ligen.» Als Frauenverantwortlicher kam er schon vor langer Zeit mit den Fussball spielenden Frauen in Kontakt.
Begonnen hat alles vor mehr als elf Jahren mit der Übernahme des NLA-Teams und der U19 von Concordia Basel durch den FC Basel. Die Verantwortung für die Frauen-Abteilung des FCB liegt seit dieser Zeit mehrheitlich bei Kaiser. Da er beim besten Frauenteam der Nordwestschweiz so engagiert war, übernahm er später im Regionalverband die Verantwortung für die Frauen. «Die Entwicklung des Frauenanteils im Fussball in der Nordwestschweiz freut mich extrem, besonders der überproportional wachsende Mädchenfussball der unter 12-Jährigen und unter 15-Jährigen im nationalen Vergleich», schwärmt Kaiser.
Benno Kaisers Optimismus bestätigt sich beim FC Gelterkinden. Zum ersten Mal in der Geschichte stellt der Verein diese Saison ein Frauenteam (siehe Beitrag unten auf dieser Seite). Joe Wiederkehr, Trainer der Viertligistinnen des FC Gelterkinden, sagt: «Der Frauenfussball wird populärer, wir spüren das bei uns in Gelterkinden. Die Frauen werden wie die anderen Aktiv-Teams behandelt, das freut mich extrem.» Wiederkehr ist der Meinung, dass noch mehr Mädchen Fussball spielen würden, wenn es bereits im Juniorinnenbereich ab 12 Jahren reine Mädchenteams gäbe. Viele Mädchen würden sich in gemischten Teams nicht wohlfühlen, da sie oft schon reifer seien als gleichaltrige Jungs, aber körperlich trotzdem unterlägen.
Mangelnder Nachwuchs
Nicht überall scheint sich der Fussball für Frauen in dieselbe Stossrichtung zu bewegen, hat doch der FC Diegten-Eptingen sein Frauenteam in der vierten Liga vergangene Saison aufgelöst. Auch in Bubendorf läuft nicht alles ideal. Der dortige Präsident, Marc Wahl, ist wenig optimistisch, wenn er über seine Drittligistinnen redet. «Wir haben aktuell ein sehr dünnes Kader und benötigen neue Spielerinnen, um das Team langfristig halten zu können», sagt Wahl. Doch auch Wahl findet ein paar positive Worte: «Unsere sportliche Entwicklung ist super, wir befinden uns in der 3. Liga auf dem ersten Tabellenplatz.» Das Problem sei der mangelnde Nachwuchs in Bubendorf. Somit werde es in Zukunft wahrscheinlich Probleme geben, da keine jungen Spielerinnen nachrücken würden.
Benno Kaiser meint, dass es nicht in jedem Verein eine Mädchen- und Frauenabteilung geben muss, da sich die Mädchen und Frauen sonst zu stark verteilen würden und die einzelnen Vereine zu wenig verfügbare Spielerinnen hätten. Sein Geheimrezept sind Kooperationen und Zusammenarbeit. «Es geht darum, die bestehenden Frauen- und Mädchenteams zu stützen. Idealerweise arbeiten die regionalen Vereine zusammen und können sich durch Kooperationen aushelfen. Bei den Mädchen und Frauen gibt es oft einen Mangel an Spielerinnen, der durch eine enge Zusammenarbeit verhindert werden kann», sagt er.
«Strukturen und Engagement vom Vorstand»
Mit fünf Equipen ist der SV Sissach ein Zentrum für Mädchen und Frauen jeden Alters in der Region. Zwei Aktiv-Teams, zwei Juniorinnen-Teams (FF15 und FF19) und seit diesem Jahr auch ein Seniorinnen-Team werden vom Verein gestellt. Somit hat der SV Sissach alleine mehr lizenzierte Frauen als alle anderen Oberbaselbieter Vereine zusammen. «Wir fördern den Fussball für Frauen seit mehreren Jahren», sagt Gino Lucini, Leiter Frauen und FF19-Trainer des SV Sissach. «Wir haben eine konstante Nachwuchsförderung im Juniorinnenbereich», sagt Lucini und fügt hinzu: «Um längerfristig planen zu können und zukunftsorientiert zu handeln, ist die Juniorinnenabteilung unerlässlich. Sie ist die Wurzel der Aktiv-Teams.» Um dies umsetzen zu können, braucht es Strukturen und Engagement vom Vorstand, von den Sportverantwortlichen sowie Trainerinnen und Trainer. Dieser Aufbau wird vom SV Sissach gefördert. Lucini sagt: «Mädchen sollen, wollen und dürfen Fussball spielen. Für die neuen Teams braucht es aber auch Trainingsmaterial, Infrastruktur, Plätze und vor allem Leitungspersonen. An diesen Sachen haben wir in den vergangenen Jahre stark gearbeitet.»
Profitieren von gemischten Teams
Fabian Thommen, Präsident des FC Lausen 72 und Kinderfussball-Schiedsrichter, hat während seiner Schiedsrichter-Tätigkeit einen Rückgang der Mädchen in Jungs-Teams beobachtet, besonders bei den E- und D-Junioren. «Vor fünf bis zehn Jahren waren meiner Erinnerung nach noch mehr Mädchen zu sehen als heute. Den Grund dafür kenne ich nicht. Einer könnte aber sein, dass sich die Mädchen teilweise schon früh in geschlechtsspezifischen Teams bestimmter Vereine zusammentun.» Thommen ist der Meinung, dass Mädchen so lange wie möglich in gemischten Teams spielen sollten, da sie davon mehr profitieren. Er stellt die Vermutung auf, dass auf Amateurstufe ein Rückgang der Anzahl Spielerinnen verzeichnet werde und eine Zunahme des Leistungsgefälles entstehe. «Viele Frauen fangen erst im Erwachsenenalter an, Fussball zu spielen. Diese Frauen haben keine Chance, an das Niveau derer heranzukommen, die seit Kindesalter spielen», sagt Thommen. Jedoch könnten talentierte Spielerinnen so schneller als bisher in die höheren Ligen wechseln. Weiter vermutet er, dass der Frauenfussball in den Nationalligen qualitativ besser werde, in den Amateurligen aber schlechter und die Anzahl der Teams in den Amateurligen sinke. «Auch bei uns im Verein sehe ich bei unseren 4.-Liga-Frauen eher eine Abnahme an Spielerinnen.»
Authentizität
Trotz seines Optimismus sieht Benno Kaiser ein Problem in der Region Nordwestschweiz. «Wir haben nicht genügend Einwohnerinnen in unserer Region, um mit den starken Regionen wie Bern oder Zürich mitzuhalten, da dort einfach viel mehr Menschen leben.» Kaiser sagt, gewisse Klubs holten deshalb Mädchen und Frauen aus dem grenznahen Ausland, um die eigenen Kader aufzurüsten. Die Region Nordwestschweiz, die im Dreiländereck liegt, sei dafür gut geeignet.
Kaiser sieht positiv gestimmt in die Zukunft und sagt: «Der Frauenfussball gewinnt an Interesse, denn es geht nicht nur ums Geld wie bei den Männern. Er ist authentischer, reeller und die Fans können sich mit den Frauen besser identifizieren. Davon werden die Frauen profitieren.»
Diese Authentizität zeigt sich auch am Fernseher. Heute überträgt das Schweizer Fernsehen nicht mehr nur die Spiele der Männer-Nationalmannschaft, sondern auch die der Frauen. Auch einige Spiele der AXA Women’s Super League werden übertragen. Ob und wie diese Fernsehübertragungen die Entwicklungen im Breitensport allgemein und im Frauenfussball im Oberbaselbiet beeinflussen, ist nicht vorauszusehen.
PERSÖNLICH
«Fussball funktioniert überall gleich»
Ich liebe Fussball. Schon immer. Noch heute erinnere ich mich gut daran, wie ich als kleines Mädchen regelmässig mit meinem Vater in den St.- Jakob-Park pilgerte, um den FC Basel spielen zu sehen. Als Aargauerin fand man mich auch oft auf dem Brügglifeld, da der FC Aarau für Kinder nur 5 Franken Eintritt verlangte. Meine Freundinnen teilten meine Leidenschaft nie und tun dies auch heute nicht, was ich nicht verstehe. Fussball ist doch einfach die beste Sportart. So war es auch nicht verwunderlich, dass ich mich als junge Frau in einem hiesigen Fussballklub anmeldete.
Meine Freude über mein neues Hobby wurde jedoch schnell getrübt, als ich zur ersten Trainings-Einheit antrabte. Ich hatte einen schönen Fussballplatz, ein gemütliches Klubhaus und sanitäre Anlagen erwartet, wie ich es von den Zeiten kannte, als ich meinen Vater an seinen Senioren-Spielen am Spielfeldrand unterstützte. Pustekuchen! Was ich erblickte, war kein Fussballplatz, sondern ein Acker ohne Linien, ohne Garderoben, ohne WC. «Hier trainieren nur wir Frauen. Die Männer und Junioren dürfen auf dem richtigen Platz», wurde mir gesagt. Ich versuchte, das Beste aus der Situation zu machen, ändern konnte ich sie nicht. Der Hauptplatz sei für die Männer, wurde uns schon an mehreren GVs gesagt. Mittlerweile ist es mir egal, auf welchem Platz wir sind, sind wir Frauen doch anpassungsfähige Wesen.
Als ich für diesen Artikel mit verschiedenen Frauenteams aus dem Oberbaselbiet Kontakt aufgenommen habe, durfte ich erfahren, dass sie alle gut integriert sind im Klub und genau gleich wie die Männer behandelt werden. Das freute mich und stimmte mich optimistisch für die Entwicklung des Frauenfussballs, der eigentlich einfach nur Fussball heissen sollte. Denn am Ende funktioniert Fussball überall gleich, auch die Bedingungen für Training und Förderung sollten gleich sein. Persönlich erwarte ich keinen Boom im Frauenfussball, da sich viele Frauen nicht für Fussball begeistern lassen. Ich würde noch so gerne mal einen Mädelsabend im «Joggeli» machen, aber meine Vorschläge wurden bislang abgelehnt. Trotzdem bin ich gespannt, ob und wie sich der Fussball in der Region in den nächsten Jahren verändern wird.
Luana Güntert