Ohrfeigen für den Gemeinde präsidenten
28.01.2022 Baselbiet, Justiz, Tecknau, Gemeinden, Bezirk SissachChristian Horisberger
Die Geschichte liegt nun schon fast vier Jahre zurück. Aber Markus Sager, der damalige Gemeindepräsident von Tecknau, erinnert sich noch gut: Am Donnerstag nach der Fasnacht wurde er als für «Ruhe und Ordnung» zuständiger Gemeinderat von der ...
Christian Horisberger
Die Geschichte liegt nun schon fast vier Jahre zurück. Aber Markus Sager, der damalige Gemeindepräsident von Tecknau, erinnert sich noch gut: Am Donnerstag nach der Fasnacht wurde er als für «Ruhe und Ordnung» zuständiger Gemeinderat von der Einsatzzentrale der Polizei verständigt, dass ein Bewohner eines Mehrfamilienhauses wegen Lärms reklamiert habe. Es war kurz nach Mitternacht. Sager rückte aus und bat den damals 47-jährigen Verursacher des Lärms, die Musik leiser zu drehen. Dieser wollte davon nichts wissen; es kam im Treppenhaus zum Wortwechsel.
Anstatt der Aufforderung der Amtsperson Folge zu leisten, bedachte der Ruhestörer den Präsidenten mit einem derben Schimpfwort und versetzte ihm zwei schallende Ohrfeigen. «Er hat mir mit der offenen Hand aus heiterem Himmel ‹eis ume Grind› gehauen», berichtet Sager der «Volksstimme». Die Watschen hätten ihn völlig unvorbereitet getroffen, er habe niemals damit gerechnet und habe deshalb auch nicht genug Abstand gehalten.
Der Gemeindepräsident rief die Polizei, die sodann für Ruhe sorgte, die Beteiligten befragte und den roten Handabdruck auf seiner Wange registrierte, wie Sager berichtet. «Als ich meine Aussage machte, hat der Ruhestörer behauptet, ich sei betrunken. Das war völlig aus der Luft gegriffen», sagt er. «Ich habe ins Röhrchen geblasen – und es zeigte nichts an.» Davon, ob sich auch der Angeklagte einem Alkoholtest unterziehen musste, wisse er nichts.
Angriff in Kampfsport-Manier
Der Geohrfeigte erstattete Anzeige wegen Gewalt und Drohung. Der Bitte des Verteidigers des Täters, seine Anzeige zurückzuziehen, da sein Mandant einfach «einen schlechten Tag» gehabt habe, entsprach Sager nicht. Am 24. Februar kommt der Fall vor Gericht.
Ein ähnlich gelagerter Fall mit anderen Beteiligten hat sich wenige Monate nach der Ohrfeige in Tecknau im Nachbardorf Kilchberg zugetragen. Einige Tage vor dem 1. August wurde Gemeindepräsident Marcel Aeschbacher von einem Einwohner auf Explosionen hingewiesen, die ihren Ursprung wohl beim «Giessen» hätten. Es herrschte Trockenheit, der Kanton hatte ein Feuerwerksverbot ausgesprochen, erinnert sich Aeschbacher, der damals erst vier Wochen im Amt gewesen ist.
Tatsächlich brachten beim Wasserfall zwei junge Männer und eine Frau Böller zur Explosion, wie der Präsident erzählt. Er habe sie aufgefordert, damit aufzuhören und ihm die restlichen Böller zu übergeben, dann werde er die Sache auf sich beruhen lassen. Einer der Männer sei daraufhin überraschend in Kampfsport-Manier auf ihn und seinen Begleiter losgegangen. «Ich bin noch nicht einmal dazu gekommen, zu sagen, dass ich in meiner Funktion als Gemeindepräsident für Ordnung zu sorgen habe», so Aeschbacher. Er habe Schläge abbekommen, sei aber unverletzt geblieben, sagt er. Sein Begleiter hingegen sei hingefallen und habe dabei eine Verletzung an der Schulter erlitten.
Der Präsident alarmierte die Polizei, worauf sich die jungen Leute aus dem Staub gemacht hätten. Die zurückgelassenen, offenbar selber gebastelten Böller übergab Aeschbacher der Polizei. Der Angreifer wurde von der Polizei aufgesucht und musste sich später vor Gericht verantworten. Im Juni 2021 wurde er zu einer Haftstrafe verurteilt – nicht nur wegen des Vorfalls am «Giessen» allerdings: Der Mann, der kurz nach dem Angriff aus Kilchberg wegzog, hatte sich einer Reihe weiterer Delikte schuldig gemacht.
Wie in Kilchberg lautet die Anklage gegen den Tecknauer mit der locker sitzenden Hand nicht nur auf Angriff gegen den Gemeindepräsidenten. Der Beschuldigte muss sich vor Gericht auch wegen Drohung und Beschimpfung, eventuell Tätlichkeit und Nötigung gegen einen Postautochauffeur sowie wegen Körperverletzung, Tätlichkeiten und Beschimpfung gegen eine Zugpassagierin verantworten.
Mit wüsten Beschimpfungen, der Drohung, ihn «kalt» zu machen und indem er ihn fest am Arm packte, nötigte der Beklagte einen Postautofahrer, einen ausserplanmässigen Stopp einzulegen, ist der Anklageschrift zu entnehmen. Der Vorfall ereignete sich im Sommer 2019. Wegen einer Baustelle wurde die Haltestelle Tecknau Dorf, wo der Angeklagte aussteigen wollte, nicht wie sonst bedient. Er schrie «Sofort anhalten!», äusserte Drohungen, womit er den Chauffeur in Angst versetzte, schreibt die Staatsanwaltschaft.
Der dritte Punkt der Anklage gilt einem Vorfall vom November 2020. In der S3, auf der Fahrt von Basel nach Olten, habe der Beschuldigte eine dunkelhäutige Passagierin übelst rassistisch beschimpft, worauf es zu einem Wortgefecht mit ihr kam. Der Angeklagte griff zum Pfefferspray und bespritzte die Frau, zwei Personen, die zu schlichten versuchten, sowie weitere Fahrgäste. Im weiteren Verlauf der Bahnfahrt habe der Angeklagte der Frau einen Tritt gegen das Schienbein und einen Kopfstoss versetzt. Durch die Wucht des Kopfstosses sei sie nach hinten getaumelt, und beim Versuch, sich aufzufangen oder sich zu wehren, habe sie sich die Schulter ausgerenkt.
Der Fall wird am Strafgericht in Muttenz verhandelt. Es gilt die Unschuldsvermutung.