Jugendliche übernehmen Trainerposten
07.01.2022 Bretzwil, Sport, Fussball
Luana Güntert
«Wir haben die Juniorenabteilung schon fast abgeschrieben, obwohl wir die Hoffnung nie aufgegeben haben», sagt Flavio Karrer, Präsident von Boca Bretzwil. Der Klub aus dem südwestlichen Oberbaselbiet hatte nämlich bis vor Kurzem ein Problem: ...
Luana Güntert
«Wir haben die Juniorenabteilung schon fast abgeschrieben, obwohl wir die Hoffnung nie aufgegeben haben», sagt Flavio Karrer, Präsident von Boca Bretzwil. Der Klub aus dem südwestlichen Oberbaselbiet hatte nämlich bis vor Kurzem ein Problem: Die langjährigen Trainer und Ausbildner der Junioren wollen den Klub im kommenden Sommer aus beruflichen und familiären Gründen verlassen (die «Volksstimme» berichtete). Somit würden die Junioren ohne Trainer dastehen und die zwei Teams bei den F- und E-Junioren müssten aufgelöst werden.
Die Suche nach Trainern sei harzig gewesen, gibt der momentane Juniorenverantwortliche Vincent Bröckelmann zu. Der Vorstand hätte überall gesucht und sämtliche Freunde und Bekannte angefragt, ob sie nicht Lust hätten, einen Trainerposten zu übernehmen. Die Suche verlief monatelang erfolglos – kurz vor Weihnachten folgte jedoch die Erlösung. Die vakanten Trainerposten sowie das Amt der Juniorenverantwortlichen konnten besetzt werden.
Unterstützung durch Erwachsene
Die Verantwortlichen konnten vier Burschen rekrutieren, die die zwei Juniorenteams zukünftig trainieren wollen. Die vier Nachwuchstrainer – Darwin Kobel, Silvan Ehrsam, Mattia Benaglio und Kevin Sternitzke – waren selber in den Gründerteams der Juniorenabteilung von Boca Bretzwil. So weit, so gut – könnte man meinen. Einen kleinen Haken hat das neue Trainergespann aber: Die neuen Trainer sind selber noch Schüler, nicht volljährig und somit noch zu jung, um alleine die Verantwortung für die Nachwuchsfussballer aus Bretzwil zu übernehmen.
Deshalb hat sich Nicole Kobel, die Mutter von Darwin Kobel, eingeschaltet und unterstützt künftig die vier Jugendlichen: «Ich leite keine Trainings, aber ich übernehme die ganze Organisation der Juniorenabteilung», sagt Nicole Kobel.
Nachdem die vier neuen Trainer im Alter von 13 bis 15 Jahren gefunden wurden, habe der Vorstand die Eltern aufgerufen und um Unterstützung für das neue Trainergespann gebeten. Einige Eltern haben zugesagt, die Trainer in den ersten Jahren während der Trainingseinheiten zu unterstützen. Somit können zwei Trainingseinheiten pro Woche für die Nachwuchsabteilung gewährleistet werden.
Diese Lösung erscheint aufgrund des jungen Alters der neuen Trainer und der noch nicht erreichten Volljährigkeit sinnvoll. Zurzeit werden die Jugendlichen zudem auch von den aktuellen Ausbildnern unterstützt und eingearbeitet.
Ein sich schliessender Kreis
«Ich habe alle vier Jungs früher trainiert: Es ist so cool, dass sie jetzt selber Kinder trainieren werden», sagt der Noch-Juniorenverantwortliche Vincent Bröckelmann. Somit schliesse sich symbolisch der Kreis: Darwin Kobel, der älteste der vier Jungtrainer, ist in der ersten Juniorenmannschaft von Boca gewesen, die von Bröckelmann und seinen Kollegen übernommen wurde. Bröckelmann gibt den Posten im Vorstand nun ab, da er in Freiburg studiert und nur noch selten in Bretzwil anzutreffen ist. Da die neuen Trainer noch nicht volljährig sind, haben sie einen «1418coach»- Kurs von Jugend+Sport (J+S) besucht. Dieses neue Angebot von J+S wurde lanciert, um den Leiternachwuchs in diversen Sportarten zu sichern. Im Falle von Boca hat diese Idee bereits gefruchtet. «Mir gefällt Fussball und ich liebe es, den Kindern zu helfen», sagt Neutrainer Silvan Ehrsam. Das Ziel sei es, dass die Jungtrainer die Junioren in ein paar Jahren selbstständig alleine betreuen und trainieren können, so Nicole Kobel weiter.
Ihr Sohn Darwin stiess im Jahr 2013 zu Boca Bretzwil: «Das ist eine Erfolgsgeschichte», sagt Nicole Kobel. Sie spricht in erster Linie die Heimspiele und die gute Stimmung im ganzen Verein an: Bei den Heimspielen habe sich jeweils das halbe Dorf in der Festwirtschaft versammelt. «Das tut dem Dorf und den Jungen gut. Es wäre schade, wenn man dieses Angebot nicht mehr zur Verfügung stellen kann. Das ist meine Motivation für mein Engagement», sagt Nicole Kobel. Die Familie Kobel hat früher nicht in Bretzwil gelebt, entsprechend biete die Boca-Familie auch eine gute Möglichkeit, um sich im Dorf zu integrieren.
Die Nachwuchsabteilung des Bretzwiler Vereins ist überschaubar: Nach der Stufe der E-Junioren müssen die Kinder Boca verlassen, da es im Verein keine höhere Junioren-Stufe gibt. Man schaue, wo die Kinder wohnen und übergibt sie dann an den nächstgelegenen Verein, erklärt Bröckelmann. «Die Kinder von Boca geniessen bei uns eine sehr gute Ausbildung und können sich immer gut in anderen Vereinen integrieren», ergänzt Präsident Flavio Karrer.
Die Juniorenabteilung in Bretzwil um weitere Stufen zu erweitern, ist schwierig. Denn für die A- bis D-Junioren ist das vorhandene Spielfeld zu klein. Da auf der einen Seite ein Bach und auf der anderen ein Landwirtschaftsfeld ist, kann es nicht vergrössert werden. Aber auch die örtliche Turnhalle ist für viele Teams im Winter für ein Hallentraining nicht geeignet. Deshalb weicht beispielsweise die Mannschaft der Aktiven nach Arisdorf aus, da das Feld dort grösser ist.
Die vorhandene Lücke bei den Junioren sei bei den Aktiven zu spüren: «Viele haben andere Prioritäten und verlassen den Verein. Arbeit, Studium und Familie sind plötzlich wichtiger», so Flavio Karrer. Einen Personalmangel haben die Aktiven trotzdem nicht. Die Trainer Markus und Oliver Schweizer aus Arisdorf, die das Team vor eineinhalb Jahren übernahmen, konnten viele Arisdörfer animieren, bei Boca mitzuwirken. «Die beiden Trainer waren der Schlüssel, um an neue, junge Aktiv-Spieler zu kommen», so Karrer weiter.
Spass hat Priorität
«Vielleicht gründen wir irgendwann eine Senioren-Mannschaft. Mit Veteranen könnten wir sogar in Bretzwil auf dem kleinen Feld Heimspiele veranstalten», sagt Bröckelmann und lacht. Die gute Stimmung ist bei Boca definitiv zu spüren. Einer der Jungtrainer spielte als Junior für eine kurze Zeit bei einem anderen Verein. Dort habe er die familiäre Atmosphäre vermisst, alles sei so streng gewesen und Spass im Training kam selten vor. Deshalb sei er froh, als Trainer wieder zu seinem alten Verein zurückzukehren. Bröckelmann betont die Wichtigkeit der kindgerechten Trainingsgestaltung. «Klar, man muss den Kindern Grenzen aufzeigen», sagt er, aber: «Die Freude am Spiel und die Kameradschaft sind immer am wichtigsten.»