CARTE BLANCHE
28.01.2022 PolitikKollegialitätsprinzip
Caroline Zürcher, Gemeindepräsidentin Wittinsburg, SP
Neulich habe ich mich gefragt, ob das Kollegialitätsprinzip auch für den Gemeinderat gilt und musste bei meiner Recherche feststellen, dass es im ...
Kollegialitätsprinzip
Caroline Zürcher, Gemeindepräsidentin Wittinsburg, SP
Neulich habe ich mich gefragt, ob das Kollegialitätsprinzip auch für den Gemeinderat gilt und musste bei meiner Recherche feststellen, dass es im Gemeindegesetz des Kantons Basel-Landschaft nicht explizit erwähnt wird. Es ist also nicht klar, wie bisher von mir angenommen.
Was ist das Kollegialitätsprinzip? Das Kollegialitätsprinzip oder Kollegialprinzip gilt sowohl für den Bundesrat als auch für den Regierungsrat. Gemäss Art. 177 der Bundesverfassung besteht der Bundesrat aus sieben gleichberechtigten Personen, die ihre übertragenen Aufgaben als Kollegium, das heisst als Einheit ausüben. «Die Idee des Kollegiums tendiert auf Einhelligkeit und Übereinstimmung», hat Professor Kurt Eichenberger seinerzeit im Kommentar zur Bundesverfassung geschrieben. Voraussetzung ist, dass die Mitglieder des Bundesrats in der Lage und gewillt sind, Geschäfte, welche grundlegende Fragen und Probleme betreffen, offen, sachlich, mit genügend Zeit und in Respektierung der Meinung der anderen auszudiskutieren und hierüber Beschluss zu fassen.
Wichtig ist, dass einmal gefasste Beschlüsse und Entscheide mitgetragen werden. Das Gleiche gilt für den Regierungsrat. Dieser fasst seine Beschlüsse unter Ausschluss der Öffentlichkeit als Kollegialbehörde. Jedes Mitglied hat die gleichen Rechte und Pflichten. Wenn sich die Regierungsmitglieder bei einem Geschäft nicht einig sind, stimmen sie ab, ohne das Stimmenverhältnis nach aussen zu kommunizieren. Mitglieder, die in einer Abstimmung unterliegen, müssen die Entscheidung als Regierungsbeschluss kollegial mittragen.
Als ich nochmals eingehend das Gemeindegesetz studiert habe, wurde mir bewusst, dass das Kollegialitätsprinzip tatsächlich nicht explizit im Gemeindegesetz erwähnt ist. Das Gemeindegesetz sieht lediglich vor, dass die Beschlüsse der Gemeindebehörden in der Regel an Sitzungen zu fassen sind und die Behörde beschlussfähig ist, wenn die Mehrheit der Mitglieder anwesend ist. Ein Gemeinderatsmitglied kann ausserdem verlangen, dass eine vom Mehrheitsbeschluss abweichende Stellungnahme im Protokoll festgehalten wird. Des Weiteren ist dem Gemeindegesetz zu entnehmen, dass der Gemeinderat die Geschäfte der Gemeindeversammlung vorbereitet und zu jedem Geschäft einen Antrag stellt. Daraus schliesse ich,dass das Kollegialitätsprinzip auch für den Gemeinderat gilt. Abklärungen mit anderen Gemeindepräsidentinnen und -präsidenten haben ergeben, dass das Kollegialitätsprinzip in ihrer Gemeinde Usus ist.
Ich habe mir dann noch die Reglemente und Geschäftsordnungen anderer Gemeinden angeschaut. Die Gemeinde Burg im Leimental hat das Kollegialitätsprinzip ausdrücklich in der Geschäftsordnung erwähnt. Dem Handbuch des Verbands Schwyzer Gemeinden und Bezirke ist zu entnehmen, dass der Gemeinderat als Kollegialbehörde ausschliesslich den Mehrheitsentscheid nach aussen zu vertreten hat.
Bei der Auseinandersetzung mit dieser Fragestellung habe ich einmal mehr festgestellt, wie spannend die Aufgaben im Gemeinderat sind. Man lernt immer wieder etwas dazu.
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.