Zschokke-«Remake» zum Bauernkrieg
23.12.2021 LausenPeter Voellmys neuer Roman hat viel mit dem Oberbaselbiet zu tun
Da er in der Zeit der Bauernkriege spielt, handelt der Roman «Addrich im Moos» vom Graben zwischen Stadt und Land. In erster Linie aber ist es eine Hommage an den Aufklärer, Autor und Lausner Bürger ...
Peter Voellmys neuer Roman hat viel mit dem Oberbaselbiet zu tun
Da er in der Zeit der Bauernkriege spielt, handelt der Roman «Addrich im Moos» vom Graben zwischen Stadt und Land. In erster Linie aber ist es eine Hommage an den Aufklärer, Autor und Lausner Bürger Heinrich Zschokke, der vor 250 Jahren zur Welt kam.
Jürg Gohl
Der Graben zwischen Stadt und Land wird schön regelmässig ausgebuddelt. Eben haben sich die Wogen, die sich bei uns im Zusammenhang mit der Abstimmung zu einer möglichen Wiedervereinigung der beiden Basel von 2014 auftürmten, wieder geglättet. Schon werden auf nationaler Ebene die Spaten und Schaufeln erneut hervorgeholt, um die Landschaft gegen die sie knechtenden Städte aufzuwiegeln. Dieses Mal wird auf den Wahl- statt auf den Stimmzettel geschielt.
Gerne geht dabei vergessen, dass es bei diesem historischen Dauerbrenner in der Schweiz und in der Nordwestschweiz weder vor sieben Jahren noch bei den Trennungswirren der beiden Basel am blutigsten zugegangen ist. Dies ereignet sich im Jahr 1653, als der Schweizer Bauernkrieg tobt. Das Berner Landvolk will den Städtern nicht mehr länger ihr schönes Leben finanzieren und bezahlt seinen Widerstand gegen die Elite mit viel Blut. Es gibt zahllose wahre Bauernopfer.
Bauern begehren in Basel auf
Der Bauernkrieg weitet sich auch Richtung Nordwestschweiz – nach Solothurn, Basel und Aarau – aus. In Basel etwa werden 1653 sieben Aufrührer öffentlich geköpft.
Im Aargau spielt der soeben erschienene historische Roman des Aarauers Peter Voellmy zu diesem trüben Kapitel der Schweizer Geschichte. Das Werk trägt den Titel «Addrich im Moos». Die Titelfigur ist Anführer des Aargauer Bauernstands, die es in Wirklichkeit nie gegeben hat, sondern vor rund 200 Jahren von Heinrich Zschokke als Romanfigur erdacht worden ist.
Peter Voellmy, der auch als Theaterregisseur, Lehrer und Stadtführer durch das mittelalterliche Aarau tätig ist, hat Zschokkes 1826 erschienenen historischen Roman in eine neuere Sprache gesetzt und zu Zschokkes Personal selber ein paar Figuren hinzugedichtet. Im vergangenen Monat ist sein Zschokke-Remake von «Addrich im Moos» erschienen.
Jubiläumsjahr des «Lausners»
Gerade rechtzeitig. Dies nicht wegen Weihnachten, sondern wegen Heinrich Zschokke. 2021 steht gerade im Aargau im Zeichen des grossen Aufklärers, der vor 250 Jahren auf die Welt gekommen ist und als Autor zu Lebzeiten sogar populärer als seine Zeitgenossen Goethe und Schiller ist. Denn er weiss schon damals, wie man Bücher schreibt, die wir heute als Bestseller bezeichnen. Ihm wurden verschiedene Anlässe in diesem Jahr gewidmet, und nun folgt noch ein Buch.
Heinrich Zschokke, in Magdeburg geboren, verlässt als sozial gesinnter Aufklärer sein Heimatland früh. Er wirkt zuerst in Graubünden und vor allem im Aargau und setzt sich ganz im Sinn seines Freundes Heinrich Pestalozzi für den Fortschritt und die Werte der Französischen Revolution ein: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Er ist ein Anwalt des Volkes und setzt die Pressefreiheit durch. Witzig in diesem Zusammenhang: Als Zeitungsmacher duzt Vielschreiber Zschokke seine Leserschaft.
Auch im Kanton Basel, wie er damals noch heisst, vermittelt er zwischen Stadt und Land, wo das Oberbaselbiet wie vormals die Berner wegen Steuern aufbegehrt. Aus diesem Grund erhält er auch das Bürgerrecht von Lausen, ohne sich dort je niedergelassen zu haben. Das holte sein Sohn als Pfarrer nach. Dementsprechend wurde Zschokkes 250. Geburtstag – ganz im Gegensatz zum Aargau – in der Oberbaselbieter Gemeinde auch nicht sonderlich gefeiert.
Tell schaut vorbei
Womit wir wieder zurück bei «Addrich im Moos» angelangt sind. Durch den chronologisch angeordneten, 200 Seiten starken Roman führt ein historisch verbriefter Bänkelsänger namens Heinerich Wirri, der von Hof zu Hof tingelt. Wirri lebte allerdings vor der Zeit des Bauernkriegs. Das Spiel mit den Zeitebenen treibt Autor Voellmy endgültig auf die Spitze, indem er ihn zu Beginn Lieder vortragen lässt, die aus der Feder von Frank Wedekind stammen, der 211 Jahre nach dem «Batzenkrieg», wie der Bauernkrieg auch genannt wird, und 93 Jahre nach Zschokke zur Welt kam.
Bei der Lektüre wird man fortwährend an einen weit bekannteren, ebenfalls fiktiven Freiheitskämpfer vom Land erinnert: an Wilhelm Tell. Immer wieder streut das Autoren-Duo Zschokke/Voellmy Sentenzen ein wie «ein Blinder ist besser zu führen als ein Sehender», «Soldaten bringen nicht immer den Sieg, aber immer den Krieg» und «ein Frauenhaar zieht mehr als sieben Pferde». Da fehlt nur noch Schillers «die Axt im Haus».
Ohne das Ende vorwegzunehmen stellt der Titelheld doch noch eine weitere Brücke zum Oberbaselbiet her. Auf der vorletzten Seite sagt er: «Wir müssen heute noch nach Sissach und danach weiter nach Basel.»
Peter Voellmy: «Addrich im Moos», historischer Roman frei nach Heinrich Zschokke. www.petervoellmy.ch
Bücher zu gewinnen
vs. Die «Volksstimme» verlost zwei Exemplare von «Addrich im Moos», die Autor Peter Voellmy persönlich signiert. Dazu müssen Sie folgende Frage richtig beantworten. Im Roman singt Bänkelsänger Heinerich Wirri am Anfang zwei Verse, die erst viel später vom Verfasser von «Frühlings Erwachen» gedichtet werden. Wie heisst der Autor?
Bitte geben Sie das Lösungswort und Ihre Adresse auf der Website www. volksstimme.ch/wettbewerb ein.
Der Eingabeschluss ist am Donnerstag, 30. Dezember 2021.