Silbern
In einer Zeit, wo Silberfäden den Weihnachtsbaum verzieren und Kerzen einen himmlischen Glanz in die Augen der Gäste zaubern, ist es wohl nicht angebracht, von einem silbrig schimmernden kleinen Insekt zu berichten. Denn so wunderschön sie von Nahem ...
Silbern
In einer Zeit, wo Silberfäden den Weihnachtsbaum verzieren und Kerzen einen himmlischen Glanz in die Augen der Gäste zaubern, ist es wohl nicht angebracht, von einem silbrig schimmernden kleinen Insekt zu berichten. Denn so wunderschön sie von Nahem aussehen, so garantiert ist die menschliche Abscheu davor und so sicher der Griff zum Staubsauger. Verursacher dieses Reflexes ist das Silberfischchen (Lepisma saccharina).
Das ungefähr ein Zentimeter lange Tierchen mit langen Fühlern am Vorder- und fast so langen Schwanzanhängen am Hinterteil ist ein Urinsekt. Diese sind, wie es das Wort sagt, uralt – schon vor 300 Millionen Jahren gab es sie wahrscheinlich – und urtümlich, weil sie im Gegensatz zu moderneren Insekten keine Flügel haben. Auch ohne Flügel trotzen sie mit angepasster Lebensweise (fast) allen Gefahren. Beispielsweise können sie ein ganzes Jahr ohne Nahrung überleben und mehrere Jahre alt werden.
Keine Angst, das Silberfischchen, das an manchen Orten auch Zuckergast heisst, wird nicht auf den süssen Weihnachtsgutzis sitzen. Die Gäste werden sie höchstens im warmen, feuchten Badezimmer weghuschen sehen, wenn das Licht angeknipst wird. Die Tiere sind nämlich nur im Dunkeln aktiv. Da sie keinen dichten Chitinpanzer haben, benötigen sie 80 bis 90 Prozent Luftfeuchtigkeit, damit sie nicht austrocknen und eine Temperatur von etwa 20 bis 30 Grad Celsius. In Mitteleuropa kommen sie nur in menschlichen Behausungen vor, in wärmeren Zonen auch ausserhalb.
Silberfischchen bauen stärkehaltige, organische Stoffe ab. Gerne fressen sie Dextrin, ein Kohlenhydrat, das beispielsweise im Tapetenkleister oder für die Buchbinderei verwendet wird. Zudem fressen sie Hautschüppchen des Menschen und Hausstaubmilben. Besonders mögen sie Schimmelpilze. Nüchtern betrachtet wären dies alles harmlose oder sogar nützliche Eigenschaften.
Wir Menschen setzen das Vorhandensein dieser Tierchen mit fehlender Hygiene gleich. Es ist uns zudem unheimlich, heimliche Gäste im Haus zu haben. Wenn die Tierchen sich in einem Mehrfamilienhaus über Lüftung oder Kanalisation ausbreiten und dann noch stark vermehren, hört das menschliche Wohlwollen definitiv auf.
Dabei wäre das Vorhandensein von vielen Silberfischchen ein Hinweis darauf, dass es im Raum übermässig feucht ist und womöglich Schimmelpilze hinter dem Badezimmerkästchen wuchern. Die besten Massnahmen gegen Silberfischchen sind folglich: Immer wieder lüften und Wasserschäden oder Isolationsmängel, die zu Schimmel führen, beheben!
Zu guter Letzt: Paarungswillige Männchen balzen tanzend um die Gunst des Weibchens. Obwohl die Tiere kaum etwas sehen, nehmen sie einander dank der empfindlichen Fühler wahr. Wenn das Weibchen bleibt, spinnt das Männchen husch ein paar Fäden und legt in deren Zentrum ein Spermienpaket ab. Das Weibchen verheddert sich in den Fäden und kommt unweigerlich zum Weihnachtsgeschenk, den Spermien, die es aufnimmt und 20 bis 30 Eier damit besamt. Diese werden unter die Sockelleiste oder die losgelöste Tapete abgelegt. Ein neuer Lebenszyklus beginnt.
Daniel Zwygart ist Biologe. Er unterrichtete während vieler Jahre am Gymnasium Liestal.