Ein Urgestein mit Hornhaut
16.12.2021 GelterkindenKino-Operateur Hansruedi Hertig erinnert sich
Die Aufgabe eines Filmvorführers im Kino der Fünfzigerjahre war eine Tätigkeit mit Risiken. Gerade das reizte Hansruedi Hertig an dieser Aufgabe, die er im Marabu jahrelang übernahm.
Brigitte ...
Kino-Operateur Hansruedi Hertig erinnert sich
Die Aufgabe eines Filmvorführers im Kino der Fünfzigerjahre war eine Tätigkeit mit Risiken. Gerade das reizte Hansruedi Hertig an dieser Aufgabe, die er im Marabu jahrelang übernahm.
Brigitte Keller
Das Haus an der Gelterkinder Schulgasse 5 wurde jahrzehntelang als Schulhaus genutzt, bevor 1955/56 das Kino Marabu angebaut wurde. Hansruedi Hertig, heute 87-jährig, ging dort noch zur Schule. «Mein erster Schultag war am 21. April 1941.» Daran erinnert er sich noch ganz genau, da es gleichzeitig sein siebter Geburtstag war.
Als 1956 das Kino Marabu an dieser Adresse eröffnet wurde, bewarb sich der Gelterkinder spontan als Filmvorführer. Mit wenig Erfahrung wurde der Neuling kurz darauf an einem Samstag vom Chefoperateur alleine gelassen. Der Strom fiel aus. Da niemand den Grund des Ausfalls kannte und der verantwortliche Vorführer unauffindbar blieb, mussten die Zuschauer enttäuscht nach Hause geschickt werden.
Filmvorführer lebten gefährlich
Die Projektoren waren mit Kohlebogenlampen bestückt. Dabei wird elektrisch ein heller und heisser Lichtbogen zwischen zwei Kohlestäben erzeugt.
In Kombination mit Filmen aus Nitrozellulose, die damals zum Teil noch eingesetzt wurden, eine brandgefährliche Angelegenheit. Daher lag immer eine Brandlöschdecke aus Asbest bereit. Hansruedi Hertig musste diese zum Glück nie einsetzen.
Wichtig war auch, die heruntergebrannten Kohlestäbe rechtzeitig durch neue zu ersetzen. Daher kein Filmvorführer ohne dicke Hornhaut an den Fingern. Einmal reichte es trotz manuellen Zirkelns nicht und zwei Minuten der Filmrolle blieben deshalb dem Publikum vorenthalten. «Erstaunlicherweise gab es keine Beschwerden», erinnert sich Hertig. Offenbar war dies niemandem aufgefallen.
Eine Filmrolle reichte für rund 20 Minuten Spielzeit, deshalb standen immer zwei Projektoren im Einsatz, die abwechselnd liefen. Ein möglichst nahtloses Überblenden von einem Apparat zum anderen war eine der Herausforderungen für einen guten Vorführer. Eine andere war der Ton: Eines Abends wunderte sich Hansruedi Hertig über die anhaltende Stille ausgerechnet während eines Kriegsfilms. Bis er mit Schrecken entdeckte, dass der Film zwar projiziert wurde, aber nicht mehr über den Tonabnehmer lief, weil sich eine alte Klebestelle gelöst hatte.
In den 1980er-Jahren kehrte Hansruedi Hertig als Mitglied des Kulturvereins an seine Wirkstätte im Marabu zurück. Er amtete erneut als Filmvorführer und sprang daneben hier und da ein, auch mal als Beleuchter für Künstler wie Endo Anaconda oder als Fahrer für Sängerinnen wie La Lupa. Heute ist er verdientes Ehrenmitglied des Marabuvereins und freut sich, dass die Geschichte des Kulturhauses weitergeschrieben wird.
Das Marabu wird saniert. In einer Serie teilen ausgewählte Personen ihre Erinnerungen an das Kulturlokal. Alle Infos zu Umbau und Spendensuche unter www.stiftung-marabu.ch und zum Kulturverein sowie Programm unter www.marabu-bl.ch