Gemeinderat soll Angst geschürt haben
05.11.2021 Baselbiet, Wenslingen, Bezirk SissachChristian Horisberger
Ein Teil des Siedlungsgebiets von Wenslingen ist nicht mit Mobilfunk erschlossen. Um die Lücke zu schliessen, möchte die Swisscom eine neue Sendeanlage erstellen und diese unter anderem mit der neuesten Technologie – 5G – ausstatten. Die Swisscom ...
Christian Horisberger
Ein Teil des Siedlungsgebiets von Wenslingen ist nicht mit Mobilfunk erschlossen. Um die Lücke zu schliessen, möchte die Swisscom eine neue Sendeanlage erstellen und diese unter anderem mit der neuesten Technologie – 5G – ausstatten. Die Swisscom kontaktierte den Wenslinger Gemeinderat bereits vor längerer Zeit, um einen geeigneten Antennenstandort zu finden – idealerweise auf einem Grundstück der Einwohnergemeinde.
Gegen einen ersten zur Debatte gestellten Standort beim Friedhof hatten sich die Einwohnerinnen und Einwohner vor zwei Jahren an einem Informationsanlass heftig gewehrt – er wurde aufgegeben. Bessere Chancen versprach sich der Gemeinderat von einer Mobilfunkanlage beim Reservoir: auf einem 20 Meter hohen Mast, 500 Meter vom Dorfrand entfernt. Ende August hatte Roger Grieder, Gemeinderat und Elektro-Fachmann, die Bevölkerung über Gefahren und Chancen des Mobilfunks und die Vorteile des zur Debatte stehenden Standorts informiert (die «Volksstimme» berichtete), um ihr den Puls zu fühlen. Dieser schlug zum Teil heftig: Gegner des Vorhabens sammelten in der Folge rund 100 Unterschriften gegen einen Pachtvertrag mit der Swisscom und reichten diese bei der Gemeinde im September ein. Dennoch ging der Gemeinderat den Vertrag ein.
Keine Anlage mitten im Dorf
Roger Grieder traf sich Anfang Oktober mit den Initianten der Unterschriftensammlung zu einer Aussprache: «Ich stelle mich jeder Debatte.» Ihm sei dabei vorgeworfen worden, an der öffentlichen Veranstaltung nicht objektiv informiert zu haben, sagt er auf Anfrage der «Volksstimme». Auch solle er Angst geschürt haben, indem er aufzeigte, dass die Bevölkerung besser beraten sei, wenn die Gemeinde beim Standort mitrede, als wenn sie sich sperre und der Mobilfunkanbieter mit Privaten verhandelt. Denn im schlimmsten Fall komme dann eine Sendeanlage auf einem Privatgrundstück mitten im Dorf zu stehen – mit einer deutlich stärkeren Strahlenbelastung für die Einwohnerschaft, als wenn der Mast ausserhalb der Siedlung steht. Dies habe die IG bestritten. Denn im Dorf eine Mobilfunkanlage zu errichten, sei gar nicht zulässig, behaupteten diese. Grieder widerspricht: «Dafür muss man sich nur in anderen Dörfern umsehen.»
Der Gemeinderat, in dessen alleiniger Kompetenz der Abschluss von derartigen Verträgen liegt, wie Grieder anmerkt, unterzeichnete für das Grundstück beim Reservoir gegen Ende September einen Pachtvertrag mit einer Laufzeit von zunächst 15 Jahren. Die Swisscom entrichtet der Gemeinde im Gegenzug einen jährlichen Zins in vierstelliger Höhe.
Im Mitteilungsblatt begründet die Exekutive den Beschluss folgendermassen: Mit der Einigung werde verhindert, dass eine Antenne auf einem privaten Grundstück mitten im Siedlungsgebiet errichtet wird. Der Entscheid diene einer vollständigen Abdeckung mit Mobilfunkdiensten für die Handwerker im bisherigen Funkloch, für die vielen Homeoffice-Arbeitenden, für die Rettungsdienste und für die Zukunft der jüngeren Generationen. Viele Einwohner hätten sich danach sehr positiv zum Standort beim Wasserreservoir geäussert. Der Gemeinderat sei sich aber bewusst, dass es nicht möglich ist, der gesamten Bevölkerung gerecht zu werden, schreibt er weiter. Er habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt und bitte die Bevölkerung, den Entscheid zu respektieren.
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Dieser Bitte entsprechen nicht alle Wenslingerinnen und Wenslinger. Die Urheber der Unterschriftensammlung, die sich inzwischen als Interessengemeinschaft formiert haben, formulierten zu Handen des Gemeinderats vier Forderungen, wie Roger Grieder weiter ausführt. So verlangten sie den umgehenden Rücktritt der Gemeinde vom Pachtvertrag mit der Swisscom, die Standortwahl müsse breiter abgestützt und Falschinformationen richtiggestellt werden. Zudem solle sich die Gesamtbevölkerung in einer Konsultativabstimmung zum Standort beziehungsweise zum Pachtvertrag äussern dürfen.
Der Gemeinderat wird gemäss Grieder die Anträge demnächst behandeln und seine Stellungnahme der IG zukommen lassen. Soviel vorweg: «Eine Konsultativabstimmung ist gemäss Auskunft des Rechtsdienstes des Kantons nicht zulässig und der Pachtvertrag ist hieb- und stichfest», hält Grieder fest. Die 15-jährige Laufzeit starte mit Beginn der Bauarbeiten und könne frühestens per Ende Laufzeit gekündigt werden.
Der Pachtvertrag ist erst der erste Schritt zur Realisierung der Sendeanlage. Die Swisscom wird für die neue Anlage ein Baugesuch einreichen müssen. Dagegen können Eigentümer der angrenzenden Parzellen, Naturschutzorganisationen – in unmittelbarer Nähe befindet sich eine Nauturschutzzone – und wohl auch die IG Einsprache erheben. Hält sich die Swisscom an alle gesetzlichen Vorgaben, dürften Einsprachen erfahrungsgemäss den Bau der Anlage nicht verhindern, aber wesentlich verzögern.
Die IG wollte gegenüber der «Volksstimme» «zum jetzigen Zeitpunkt» keine Stellungnahme abgeben, um «den Prozess im Dialog mit dem Gemeinderat und ohne medialen Druck angehen zu können».