Der mit der verführerischen «Sport»-Taste
11.11.2021 AutoFahrbericht | Ford Kuga Plug-in Hybrid
Der Ford Kuga Plug-in Hybrid ist trotz seines tiefen Benzinverbrauchs nicht nur ein Auto fürs gute Gewissen. Der mittelgrosse SUV mit Frontantrieb sieht gut aus, protzt mit Platz und verführt mit seiner Leistung aus ...
Fahrbericht | Ford Kuga Plug-in Hybrid
Der Ford Kuga Plug-in Hybrid ist trotz seines tiefen Benzinverbrauchs nicht nur ein Auto fürs gute Gewissen. Der mittelgrosse SUV mit Frontantrieb sieht gut aus, protzt mit Platz und verführt mit seiner Leistung aus zwei Motoren auch mal zu einer ökologisch unkorrekten Fahrweise.
Christian Horisberger
«Finger weg von der Sport-Taste!», bete ich mantramässig vor mich hin. Eben habe ich bei der Garage Wirz AG in Sissach den Testwagen übernommen und erklärt bekommen, was das Auto alles kann. Ohne dabei speziell darauf hingewiesen worden zu sein, ist mir klar: Dieses Auto mit kombiniertem Elektro- und Benzinmotor wurde gebaut, um Sprit zu sparen und das Klima zu schonen. Deshalb auch mein Vorsatz, das Gaspedal nur zu streicheln.
Aber wofür hat Ford dem Kuga Plug-in Hybrid neben den Modi für rein elektrische Fahrt, für rutschigen Untergrund oder für unbefestigte Strassen auch einen Modus für dynamisches Fahren programmiert («Sport», in Rot geschrieben!)? Als Charaktertest? Wahrscheinlich. Ich bin ein Charakterlump. Zu verführerisch sind die 225 PS des mittelgrossen SUV. Die Leistung bezieht der Kuga aus einem 2,5-Liter-Benzinmotor und einem Strom-Aggregat.
Um entspannt von A nach B zu kommen, würde entweder Strom oder Benzin genügen. Der rein elektrische Betrieb bietet sich insbesondere im städtischen Stop-and-go-Verkehr an. Die kombinierte Leistung des BMW X3-grossen, rund 1,8 Tonnen «leichten» SUV bettelt geradezu um eine zügige Fahrt im Sport-Modus auf einer Bergstrecke. Drückt man die Fahrprogramm-Taste in der Mittelkonsole so oft, bis im Cockpit «Sport» aufleuchtet, verändert sich das Ansprechverhalten des Gaspedals, der Servolenkung und der Traktionskontrolle. Und – man möge mich nicht darauf behaften – der Motor klingt nach dem Wechsel vom Schon- auf den Kochwaschgang sofort um einiges kerniger.
Gut in der Spur
Bei der zügigen und kurvenreichen Fahrt vom Thunersee hoch nach Sigriswil zeigt sich das Auto spurtreu, es schwankt beim Lastwechsel nur wenig, die Bremsen packen kräftig zu und das Beschleunigen aus den Kurven ist ein Genuss. Für die Sitze, die dabei guten Seitenhalt gewährleisten, bin ich dankbar. Bei so viel Sportlichkeit vermisst man die Möglichkeit, selber hoch- und runterschalten zu dürfen – diese Option erlaubt der Plug-in Hybrid systembedingt jedoch nicht. Aber das ist Jammern auf sehr hohem Niveau.
Ob bei sportlicher oder gemütlicher Fahrweise lässt sich der Midsize-SUV mit Vorderradantrieb wie von Kinderhand bedienen. Beim Anfahren auf geneigter Strasse rollt er keinen Zentimeter vor oder zurück, sondern löst die elektronisch gesteuerte Bremse erst beim Druck aufs Gaspedal. Bedient man dieses zaghaft, liegen mit leerer Batterie im reinen Hybrid-Modus Durchschnittsverbräuche von etwas mehr als 5 Litern pro 100 Kilometer drin. Mit voller Batterie sinkt der Benzinverbrauch auf 1,4 Liter (Werksangabe). Getankt wird vorne links (Strom, bei vollständiger Entladung 4 Stunden an der Haushaltssteckdose) und hinten links (Benzin).
Für die Fahrt ins Berner Oberland wählte ich eine Route durchs Emmental. Geraniengeschmückte Bauernhäuser, sanfte Hügel und satte Herbstfarben schön und gut. Aber noch verlockender war das entspannte Cruisen über die nahezu verkehrsfreien Landstrassen fernab der A1 mit dem notorischen Stau zwischen Egerkingen und Bern und das Shoppen im Fabrikladen der «Gutzifabrik» Kambly in Trubschachen.
Um eines braucht man sich mit dem Kuga keine Gedanken zu machen: ob grosse Einkäufe oder viel Gepäck im Auto Platz haben. Regulär reicht der Stauraum für den mittelgrossen Wochenendeinkauf bequem. Mit heruntergeklappter Rücksitzlehne (zwei Handgriffe genügen dafür), ist im Kuga locker Raum für zwölf Milchkannen, Skiausrüstungen für eine Grossfamilie, zwei Mountainbikes oder einen Bis-ans-Lebensende-Vorrat Kambly-«Bretzeli».
Klimatisieren und navigieren
Unser Testwagen verfügt über alle Extras, die Ford zu bieten hat. Besonders dankbar war ich für die sehr effiziente Sitz- und die Frontscheibenheizung. Der Tempomat mit Abstandhalte-Automatik leistete wertvolle Dienste. Sehr gefreut habe ich mich über die Tasten und Drehknöpfe für die bedienerfreundliche Lüftung und Klima-Automatik. Kein Mensch will sich während der Fahrt auf einem Display durch ein Menü tippen müssen, um eine beschlagene Scheibe möglichst rasch aufzuklaren. Jene Funktionen, die über das mittige Display gesteuert werden, zum Beispiel Navigation oder Radio, sind nicht plausibel oder selbsterklärend bedienbar. Wie rasch drückt man die Sender-Anzeige des Radios versehentlich weg, wie rasch bringt man die Stimme des Navis beim Pröbeln zum Verstummen! Selbst um elementare Funktionen wie diese zu aktivieren, muss man sich oft (zu) tief in die Menüs der jeweiligen Funktionen vortasten. Aber das ist beileibe kein Kuga- oder Ford-Problem, sondern gilt für die allermeisten Marken. Ich wünschte mir generell weniger Möglichkeiten, dafür mehr Übersichtlichkeit.
Ctrl+alt+delete
Auf 399 von 400 Kilometern Fahrt hat mich der Kuga überzeugt. Geärgert habe ich mich nur einmal, als es im Auto penetrant piepste und der Bordcomputer behauptete, die Person auf dem Rücksitz sei nicht angeschnallt – was nicht zutraf. Ab- und angurten half nicht. Das Auto reklamierte weiter. Ich erinnerte mich an jene Zeit, als sich mit Ctr+alt+delete fast jedes Computerproblem lösen liess und verfuhr nach demselben Prinzip: anhalten, die Start/Stopp-Taste einmal für Stopp und ein zweites Mal für Start drücken und Gas geben. Hat funktioniert!
Gewöhnungsbedürftig – und in dieser Klasse wohl üblich – ist das seitliche Einparken. Trotz hoher Sitzposition ist man als Fahrer nach vorne rechts und hinten so gut wie blind. Näherte ich mich seitlich sehr vorsichtig (fremdes Auto!) einer Hauswand, meldeten die Parksensoren keine Gefahr, wobei nicht klar war, ob sie gar nicht oder noch nicht anschlugen. Als ich ausstieg, sah es aus, als hätte ein Fahrschüler parkiert. In diesem Punkt müssen sich Fahrer und Auto wohl einfach aneinander gewöhnen. Ich wäre dazu bereit. Denn wenn ich mir jemals einen SUV anschaffen würde und bereit wäre, dafür mindestens 42 000 Franken auszugeben, dann für einen wie diesen Ford.
Facts & figures
Masse
Länge 4,61 Meter
Breite 1,88 Meter
Höhe 1,66 Meter
Leergewicht 1844 Kilogramm
Antrieb
4-Zylinder-2,5-Liter-Benzinmotor, kombiniert mit Elektroantrieb mit 14,4-kWh-Batterie mit einer Gesamtleistung von 225 PS; stufenloses CVT-Getriebe; Vorderradantrieb
Fahrleistungen
0–100 km/ in 9,2 Sekunden;
Spitze 200 km/h (Werksangaben)
Verbrauch
Reichweite im reinen Elektrobetrieb
56 km (Werk)
1,4 Liter/100 km mit voller Batterie
(Werk), 5,4 Liter/100 km mit leerer.
Preis
Einsteigermodell 42 000 Franken
Gefahrenes Modell 45 500 Franken
Plug-in Hybrid
vs. Anders als bei Vollhybriden kann man aufladbare Hybride an einer Stromquelle vollständig aufladen. Sie haben Batterien mit höherer Kapazität, die beim regenerativen Bremsen aufgeladen werden. Doch um alle Funktionen voll nutzen zu können, müssen sie wie Elektrofahrzeuge aufgeladen werden. So können sie auch über weite Strecken voll elektrisch gefahren werden.