Höchster Schweizer lässt den Hammer sausen
15.10.2021 RothenfluhChristian und Käthi Gass verganten landwirtschaftliche Gerätschaften
Nächste Woche lässt der Landwirt Christian Gass landwirtschaftliche Fahrhabe und Gerätschaften, die er nicht mehr braucht, durch den derzeitigen Nationalratspräsidenten und Auktionator Andreas ...
Christian und Käthi Gass verganten landwirtschaftliche Gerätschaften
Nächste Woche lässt der Landwirt Christian Gass landwirtschaftliche Fahrhabe und Gerätschaften, die er nicht mehr braucht, durch den derzeitigen Nationalratspräsidenten und Auktionator Andreas Aebi an einer öffentlichen Gant versteigern.
Otto Graf
1996 übernahm der Pächter Christian Gass-Rieder von seinem Vater Max den Landwirtschaftsbetrieb an der Eisengasse in Rothenfluh in Eigenregie. Zusammen mit Gattin Käthi führte er danach den Betrieb auf Basis von Milchwirtschaft, Ackerund Obstbau weiter. Ein Berufsunfall im Jahr 2004 hatte später indirekt zur Folge, dass er die Kuhhaltung aufgab und anstelle der Milchkühe Sömmerungsrinder annahm. Folglich entwickelte sich der Obstbau mit Kirschen und Mirabellen zum wichtigsten Standbein des Betriebs.
Nun haben sich die Bauersleute altersbedingt entschieden, kürzerzutreten und auf den Ackerbau zu verzichten. Das Anbauen von Kirschen und Mirabellen hingegen bleibt ihre grosse Leidenschaft. Daran vermag auch der Rückschlag im vergangenen Sommer nichts ändern, als der Starkregen im Juni einen grossen Teil der Abdeckung der Kirschen kurz vor der Ernte einriss und eineinhalb Tonnen Tafelkirschen vernichtete. Daneben nutzen und pflegen sie eine Anzahl Hochstämme mit Kirschen, Äpfeln und Zwetschgen.
Mit dem Aufgeben des Ackerbaus werden eine ganze Anzahl landwirtschaftlicher Fahrzeuge, Maschinen und Gerätschaften überflüssig. Christian und Käthi Gass haben sich deshalb entschlossen, dieses Inventar zu versteigern. Ein erster Termin im November 2020 fiel coronabedingt ins Wasser. Fast ein Jahr später, am kommenden 23. Oktober, ab 10.30 Uhr, soll es jedoch klappen. Dann kommen beim Schopf im «Nebli» an der Wittnauerstrasse, wie ein Inserat im «Schweizer Bauer» zeigt, unter anderem ein Traktor, ein Anhänger, ein Ladewagen sowie Mäh- und Erntegeräte unter den Hammer. Sogar ein Motormäher der Marke Rapid mit Jahrgang 1947, älter als der Landwirt, gehört zur Auktionsware. Mit dem Zuschlag an den Meistbietenden geht das Objekt, das bar zu bezahlen ist, an den neuen Eigentümer über.
Weitgehend geregelt ist die Nutzung des 31 Hektaren Land und 1,5 Hektaren Wald haltenden Betriebs. Die 18 Hektaren eigenes und die 13 Hektaren zugepachtetes Land übernehmen anstossende Eigentümer oder Pächter.
Als Gantrufer ist mit Andreas Aebi, seines Zeichens Nationalratspräsident, ein Profi am Werk, der schon ganze Bauernhöfe samt Viehhabe versteigert hat. «Wir haben mit Andreas Aebi schon verschiedentlich Reisen mit landwirtschaftlichem Hintergrund unternommen», sagt Gass und freut sich mit seiner Ehefrau, dass der Auktionator mit seiner Entourage extra nach Rothenfluh kommt, um seines Amtes zu walten. Möglicherweise sei bei derartigen Fahrnisganten etwa mit 200 Personen zu rechnen, habe der Burgdörfer Meisterlandwirt und Reiseunternehmer verlauten lassen.
Die Covid-19-Vorschriften haben gewisse Einschränkungen zur Folge. So können die Besuchenden unter freiem Himmel etwa ein «Eingeklemmtes», etwas zum Trinken oder am Grill eine Wurst erstehen. «Eine eigentliche Festwirtschaft können wir auch aus personellen Gründen nicht aufziehen», so Käthi Gass. «Primär geht es nicht um den Auktionserlös, sondern darum, dass die Gerätschaften weiterhin genutzt werden können, statt in die Alteisenmulde zu wandern», betont Gatte Christian. Alles sei funktionstüchtig. Die Ökonomiegebäude nutzt er in seiner Funktion als Obstbauer weiterhin selbst.
Kürzertreten, aber aktiv bleiben
Dem Entscheid, beruflich kürzerzutreten und das nicht mehr benötigte Material zu verganten, ging ein langer Prozess voraus. Das Weiterführen des Betriebs familienintern, so Gass, sei nicht möglich, da die Ehepartner beider Töchter anderweitig im Erwerbsleben verankert sind. Zudem sei die Lage des Betriebs im Dorf für einen Landwirtschaftsbetrieb alles andere als optimal. Und ein Aussiedeln in die Landwirtschaftszone wäre mit sehr hohen Investitionen verbunden, abgesehen davon, dass sich wegen der derzeitigen Gesamtmelioration diese Frage gar nicht stellt.
Emotional lassen sich Käthi und Christian Gass nicht viel anmerken. Sie sprechen von einem logischen Schritt in einen neuen Lebensabschnitt und freuen sich über die neuen Freiräume, anderen Aktivitäten nachgehen zu können. Das Aufgeben der Kuhhaltung vor zehn Jahren, heben sie hervor, sei tiefer gegangen. Denn zu Tieren, mit denen man jahrelang täglich zu tun hat und die man betreuen darf, entstehe zwangsläufig eine enge Bindung. Maschinen seien tote Materie und nicht mit Tieren vergleichbar. Zudem habe man mit dem Obstbau weiterhin eine Aufgabe, die viel Herzblut erfordert.
Rückblickend ziehen die Eheleute Gass eine positive Bilanz. Er sass während 13 Jahren im Gemeinderat, war Feuerwehrkommandant und sass im Vorstand der Milchgenossenschaft sowie der Viehversicherung. Sie war im Betrieb, nicht zuletzt, weil ihr Mann viel unterwegs war, in erster Linie für das Administrative zuständig. Und beide hatten Zeit, aktiv am Vereinsleben im Dorf mitzumachen.