Der Motorsport kehrt zurück
14.10.2021 SportMotocross | Frank Zbinden aus Böckten startet beim «Revival» in Schupfart
40 Jahre nach den letzten Motocross-Rennen röhren am Sonntag in Schupfart wieder die Motoren. Beim Motocross-Revival gibt es keine Punkte zu holen, dennoch ist der Anlass für den routinierten ...
Motocross | Frank Zbinden aus Böckten startet beim «Revival» in Schupfart
40 Jahre nach den letzten Motocross-Rennen röhren am Sonntag in Schupfart wieder die Motoren. Beim Motocross-Revival gibt es keine Punkte zu holen, dennoch ist der Anlass für den routinierten Böckter Crosser Frank Zbinden ein besonderes Erlebnis.
Sebastian Wirz
«Wenn du Motocross fährst, kommt in der Region meist diese Reaktion», sagt Frank Zbinden. «Ah, dann fährst du in Schupfart», sagen die Menschen zum 47-jährigen Böckter – und zeigen damit, dass sie sich nicht Tag für Tag mit dem Sport beschäftigen. Denn seit 40 Jahren haben in der Fricktaler Gemeinde keine Motocross-Rennen mehr stattgefunden. Doch die Anlässe davor scheinen sich eingebrannt zu haben, «Schupfart» bedeutet für viele Menschen neben dem Flugplatz «Motocross». Am Sonntag wird das 800-Seelen-Dorf diesem Anspruch wieder gerecht: Mit dem Motocross-Revival feiert der Velo-Moto-Club Schupfart die Rückkehr der röhrenden Maschinen.
Zu den 19 Teilnehmenden, die gemäss Veranstalter schon beim letzten Rennen 1981 dabei waren, gehört Zbinden am Sonntag nicht. Und doch freut sich der diesjährige Vize-Schweizer-Meister der Senioren diebisch auf den Anlass. «Für Schupfart war ich zu jung, ich konnte diese Rennen nahe am Oberbaselbiet nie miterleben und freue mich sehr, dass ich nun bei den Showläufen meine Künste in der Region zeigen kann», sagt Zbinden. Er fährt dafür nicht auf seinem Meisterschaftstöff, einer 450er-Kawasaki mit Jahrgang 2020, sondern auf einer besonderen Maschine, die er vor einiger Zeit erwerben konnte: «Wer die 1991er-Yamaha damals im Einsatz gesehen hat, erkennt sie auf den ersten Blick. Der ehemalige Besitzer hat hier viel selber gemacht. Eine tolle Maschine.»
Die Nummer 8 ziert den weissroten 2-Takter, Zbindens Startnummer. Zum ersten Mal prangte sie 1992 auf seinem Töff, als er nach einer Saison bei den Junioren in die nationale Rennserie einstieg. Auch 1994 hatte er die 8, als er mit dem Schweizer-Meister-Titel in derselben Kategorie seinen grössten Erfolg feierte. Weil er danach den Verband wechselte und die Nummer dort schon vergeben war, nahm er in der Folge jahrelang «unter falscher Flagge» teil. Von Amateur über National zu International und Expert fuhr Zbinden in diversen Klassen, bis er sich 2009 bei einem Rennen beide Beine brach. «Es war eigentlich kein schlimmer Sturz. Ich sprang einfach zu wenig weit, musste den Töff in der Luft wegstossen und landete mit beiden Beinen auf einer Art Stufe vor der gegenüberliegenden Abfahrt», sagt Zbinden. Doch es reichte für zwei Beinbrüche – und eine rund fünfjährige Pause vom Motocross.
Beinbrüche sind kein Beinbruch
2015 merkte der Vertriebsberater, dass er einen körperlichen Ausgleich zum Büroalltag und zum Amt als Böckter Gemeinderat brauchte. «Nur ein bisschen Motocrossen geht nicht», sagt Zbinden, der in der Wintervorbereitung vier- bis sechsmal pro Woche im Team-Training oder im eigenen Fitnessstudio im Keller schwitzt, «dann bist du körperlich nicht bereit. Also habe ich gesagt: Motocrossen ja, aber nur wieder mit Meisterschaftslizenz.» Nach einem Jahr mit der Nummer 7 bei den Senioren konnte Zbinden einen Konkurrenten überreden, ihm seine geliebte «8» abzugeben. Seither fährt er damit erfolgreich in der Kategorie der über 35-Jährigen: Stets klassierte er sich in den Top Ten, 2020 und heuer wurde er Vize-Schweizer-Meister.
Zbinden gefällt es bei den Senioren: «Vorne sind alles ehemalige International-Fahrer. Wir können uns einschätzen und niemand muss jemandem etwas beweisen.» Zbinden ist zurückhaltend, wirkt bescheiden. Den 450er-Motor seiner Kawasaki nutze er in den Rennen «nie im Leben» aus. Aber der Charakter des 4-Takters gefällt ihm: «Man kann auch mit wenig Gas fahren, hat sehr gute Kontrolle über den Töff, muss ihn nicht um die Kurve zwingen.» Töff und Material bezieht Zbinden bei Harry Näpflin, dem Chef des «H4-Racing Teams». Im Team gibt es auch Gruppentrainings in der Vorbereitung oder sporadische gemeinsame Fahrtrainings, aber eigentlich ist Motocross eine Einzelsportart – oder um im Fall Zbindens genauer zu sein: eine Familiensportart.
Start in der Grüssi-Grube
In seiner Jugend, also damals, «als man in der Grüssi-Grube oberhalb von Sissach noch improvisiert und frei Motocross fuhr», wurden der junge Frank und sein Bruder vom Fieber für diesen Sport gepackt. Zuerst fuhr man mit dem Velo hoch, dann mit dem Töffli und zuletzt mit der Junioren-Motocross-Maschine auf dem Anhänger des Traktors. Beide Söhne stiegen in die Meisterschaft ein, die Mutter kümmerte sich um die Kleider, der Vater wurde zum Mechaniker. Und beide sind heute noch bei Sohn Frank dabei. «Ja, wir haben unser ganzes Leben neben dem Beruf auf das Motocross ausgerichtet, aber es gibt wohl nicht viele Väter, die so viel Zeit mit ihren Söhnen verbringen konnten wie ich», sagt Hans Zbinden.
Die vergangenen beiden Corona-Saisons haben bei Frank Zbinden Spuren hinterlassen. Woche für Woche bereitete er sich mit einem Mentaltrainer auf die Rennen vor, um bereit und im Kopf im besten Zustand zu sein. Vor jedem Rennen vollen Fokus, beste Motivation – und dann kam oft am Donnerstag die Absage aufgrund der Pandemie oder in diesem Jahr wegen der schlechten Wetterverhältnisse. «Das war schwierig für mich», sagt Zbinden, der sich nach der abgeschlossenen Schweizermeisterschaft nun zum ersten Mal seit Langem Gedanken macht, ob er noch ein Jahr im Sattel anhängt. Bewundernd spricht er in diesem Zusammenhang von seinem Bruder: «Er hat es geschafft, aufzuhören», sagt Zbinden und lacht, «das ist nicht einfach für uns Menschen mit Benzin im Blut.»