CARTE BLANCHE
08.10.2021 PolitikBálint Csontos, Landrat Grüne, Ramlinsburg
Seit einigen Wochen sind uns die nächsten Wahlen näher als die letzten. Zeit für eine Bilanz – und für einen neuen Regierungsrat? Lassen Sie mich zuerst ein Lob aussprechen und dann einen ...
Bálint Csontos, Landrat Grüne, Ramlinsburg
Seit einigen Wochen sind uns die nächsten Wahlen näher als die letzten. Zeit für eine Bilanz – und für einen neuen Regierungsrat? Lassen Sie mich zuerst ein Lob aussprechen und dann einen Blick auf das Übergeordnete werfen: Der Regierungsrat leitet die Verwaltung, und das macht er gut, auch unter schwierigen Umständen.
Es gibt allerdings in der strategischen Aufstellung unseres Kantons einige Widersprüche. Dabei geht es um Investitionen, um Sparprogramme und um das Klima. Zunächst fällt auf, dass der Regierungsrat in seiner jährlichen Planung behauptet, im Schnitt 190 Millionen Franken jährlich zu investieren, beispielsweise in Strassen, Schulhäuser und Gebäude, Abwasser und öV. Ein grosser Teil davon soll aber in millionenteure Autobahnprojekte im Unterbaselbiet in der fernen Zukunft fliessen, die faktisch nie realisiert werden. Tatsächlich enthält der 10-Jahres-Plan rund 25 Millionen pro Jahr, die zwar auf Papier verplant sind, tatsächlich aber nie in der Baselbieter Wirtschaft ankommen. Trotzdem ist das Geld blockiert und verhindert viele kleine, aber realistische Projekte.
Zweitens lohnt sich ein Blick auf die finanzielle Gesamtsituation. Diese ist nämlich recht gut. Der Regierungsrat findet die Situation sogar gut genug, um den 300 reichsten Personen mit einer Vermögenssteuerreform ab 2023 pro Jahr 42 Millionen Franken zu schenken. Pro Jahr, und nichts davon geht an den Mittelstand! Gleichzeitig droht er mit sogenannten Entlastungspaketen und meint damit: Wenn dann die Finanzen doch knapp werden, muss der Mittelstand eben den Gürtel enger schnallen. Verantwortlich für diese Schlaumeierei ist Regierungsrat Anton Lauber, CVP, der es wohl nur gut meint, aber eben nicht gleich gut für alle. Nichts gegen tiefere Steuern, aber bitte einfach zuerst an die arbeitende Bevölkerung, an den Mittelstand denken.
Drittens hat der Regierungsrat noch immer nicht gemerkt, wie uns die Klimakrise auch im Baselbiet treffen wird. Dazu passt, dass im strategischen Teil des aktuellen Finanzplans keine ernst zu nehmenden Massnahmen für das Klima zu finden sind und sich der Regierungsrat im Investitionsplan den Luxus leistet, einfach nichts zu machen. Dabei geht es beim Kampf gegen die Klimakrise vor allem um eines: Jobs, Jobs, Jobs. Die grösste Chance für die Baselbieter Wirtschaft liegt in dieser grossen Aufgabe, die wir alle haben; es gibt für alle etwas zu tun. Innovative Unternehmen, Landwirtschaft, Technikerinnen und Techniker aus allen Bereichen, Jung und Alt würden von Investitionen des Kantons nur profitieren. Es wird rund 4 Grad heisser, es drohen Dürre, Wetterextreme, Missernten und kaputte Infrastruktur. Wer viel Pasta isst, der zahlt wegen der Klimakrise schon im kommenden Winter 50 Franken mehr. All das muss uns nicht verzweifeln lassen. Aber für den Regierungsrat sollte es Grund genug sein, einen vernünftigen Investitionsplan zu entwickeln. Denn wer in klimafreundliche und zahlbare Wohnungen, in die Zukunft der Mobilität, in saubere Gebäude, in soziale Infrastruktur und in den Mittelstand investiert, schafft Jobs für die Wirtschaft der Zukunft.
Nun haben wir das ganze Bild. Die Entscheidung liegt bei Ihnen, geschätzte Leserinnen und Leser. Für mich ist die Sache klar: Ein grüner Regierungsrat ist gut. Im Fall von Isaac Reber sogar sehr gut. Für eine Gesamtregierung aber, die mit dem Geld sorgfältig umgeht und die Wirtschaft für die Zukunft stärkt, braucht es bei den nächsten Wahlen einen zweiten grünen Regierungsrat!
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.