«D Mäss» als Magnet für Markthändler,
29.10.2021 Basel, Wirtschaft, KulturDie Herbstmesse ist 550 Jahre alt – ein Blick auf die Anfänge e alt – ein Blick auf die Anfänge
Die Berner haben ihren «Zibelimärit», die Zürcher das Knabenschiessen, die St. Galler die Olma. Und die Basler haben ihre «Mäss», die Herbstmesse. Mit ihrer 550-jährigen Geschichte ...
Die Herbstmesse ist 550 Jahre alt – ein Blick auf die Anfänge e alt – ein Blick auf die Anfänge
Die Berner haben ihren «Zibelimärit», die Zürcher das Knabenschiessen, die St. Galler die Olma. Und die Basler haben ihre «Mäss», die Herbstmesse. Mit ihrer 550-jährigen Geschichte ist sie die Seniorin unter den grossen Schweizer Märkten.
Willi Erzberger
«Vor 500 Jahren durfte nicht jede Stadt Messen abhalten. Im Deutschen Reich, zu dem Basel noch gehörte, war hierfür eine besondere Bewilligung des Kaisers erforderlich. Der Rat von Basel schickte darum im Jahre 1471 eine Gesandtschaft nach der deutschen Stadt Regensburg, wo Friedrich III einen Reichstag hielt. Der Wunsch der Basler wurde erfüllt, und sie erhielten die schriftliche Erlaubnis, auf ‹ewige Zeiten› jährlich im Frühling und im Herbst eine Messe stattfinden zu lassen. So fand die erste Messe im Herbst 1471 vom 23. Oktober bis zum 7. November statt (auf dem Petersplatz bis zum 9.November).»
So schrieb 1971 der damalige Basler Regierungspräsident im Vorwort des Buchs «500 Jahre Basler Messe» von Markus Fürstenberger und Ernst Ritter.
Im Namen Gottes wurde 1471 im Beisein vieler geladener Gäste auf dem Kornmarkt (heute Marktplatz) vom Stadtschreiber feierlich die erste «Mäss» ausgerufen, begleitet vom Geläute der beiden Rathausglocken. Es war der Auftakt zu einem bunten Jahrmarkttreiben, zu dem zahlreiche Kaufleute aus allen Teilen Europas angereist kamen.
Die Buchautoren sind bei ihren historischen Nachforschungen auch mit den damaligen schon unangenehmen Begleiterscheinungen des Marktwesens konfrontiert worden. So hielten sie fest: «Dass mit den ordentlichen Messebesuchern auch zweifelhafte Elemente die Gelegenheit des freien Geleits benützten, liegt wohl in der Natur der Sache. So passierten Falschspieler, Gauner, fahrendes Volk, Dirnen und deren Helfer die Basler Tore.» Immer wieder habe der Rat einschreiten müssen, damit das von ihm garantierte freie Geleit innerhalb der Stadtmauern während der Dauer der Messe nur drei geöffneten von fünf Stadttoren gewährleistet werden konnte.
Ratsherren trieben Standzinsen ein
Ausserhalb der Mauern herrschte eine sehr strenge Kontrolltätigkeit durch die damit betraute Messpolizei, ein Dutzend extra verpflichteter berittener Söldner, bewaffnet mit Schwert und Armbrust. Auch die Stadtwache wurde verstärkt und auf sämtlichen Türmen und Toren Wagenknechte platziert. Drei Ratsherren befassten sich mit dem Eintreiben der Standzinsen. Wohl gut vergleichbar mit den heutigen Gebühren, die an den Stadtkanton abzuliefern sind. «Schweizweit die höchsten», wie dem Verfasser dieser Zeilen bei seinen Rundgängen verschiedentlich vertraulich, aber klar und deutlich zu verstehen gegeben wurde.
Im Vergleich zur Gegenwart hat sich bezüglich Einstellung und Verhalten wohl nicht viel geändert. Als Zielsetzung spekulierte die neu lancierte Basler Messe auf das Grossstadt-Konzept von Frankfurt. Ein Ziel, das niemals erreicht wurde. Dem Basler Rat ging es nie um die Interessenten aus der Umgebung. Angepeilt wurde klar und deutlich eine Verstärkung Basels zur starken Handelsstadt und keine Sonderbemühungen für die Bauern, Handwerker und Krämer aus der näheren Umgebung. «Mit dem fremden Volk kamen, wie bei jedem grossen Fest und Rummel, in grosser Zahl auch Handwerker und Krämer aus den kleinen Nachbarstädten», so Fürstenberger und Ritter. Eine nicht unwesentliche Rolle zum Thema Handel spielten damals die Zünfte und ihre Immobilien.
Missgeburten und Artisten
Artisten-Spektakel, Klamauk und Menschenschauen (die dicke Berta, Vorführung von Missgeburten, Zauberer und Artisten) begleiteten «d Mäss» von der Erstauflage an. Je nach Entwicklung von noch reichhaltig vorhandenen städtischen Flächen wechselten mit den Jahrhunderten die meisten Standorte als natürliche Folge von laufender Stadtentwicklung ihren Charakter und waren für den Rummel nicht mehr verfügbar: der Kohlenplatz (hier wurde die Markthalle errichtet), der Fischmarkt, der dem Verkehr Platz machen musste, und so weiter.
Ab 1877 durfte der Münsterplatz wegen Störung des Schulunterrichts nicht mehr als «Mäss»- Standort genutzt werden. Ein wechselndes Messe-Schicksal wurde auch dem «Seibi» beschieden, dem Barfüsserplatz. Der erstmalige grössere Umbau, ungefähr in den 1950er-Jahren, veranlasste den heimischen Literaten Theobald Baerwart zum Verfassen eines kurzen Klagelieds:
Wenn i iber dr Seibi gang
Wird’s mer wind und weh;
Denn, was hit me «Seibi» haisst,
Isch kai Seibi meh!
Die dort errichtete klobige Beton-Klagemauer erregte allenthalben die Gemüter. Jahrzehnte später wurde zum heutigen Zustand nachgebessert.
Nach dem Erdbeben der «Peti»
Zu den beliebtesten Messearealen gehört der Petersplatz, der «Peti», wie ihn die Einheimischen liebevoll nennen. Bis zum 14. Jahrhundert lag diese Fläche ausserhalb der mit Bollwerken und Türmen versehenen Ringmauer und wurde von der Jugend als Spielplatz genutzt. Dorthin flüchteten die Stadtbewohner 1356 beim grossen Erdbeben. Nach dem Schreckensereignis wurde dort der Markt abgehalten, ebenso grosse Feste, Bankette und auch die Eidesleistung des jeweiligen neuen Rates.
Laut Beschluss des Regierungsrats vom 29. September 1877 ist die am 27. Oktober beginnende Messe vom Münsterplatz auf die grosse Freifläche zu St. Peter und deren Umgebung verlegt worden: die Verkaufsbuden und Tische auf das Gelände am Leonhards-und Petersgraben, der «Häfelimärt» neben das Bernoullianum.
Dieses Jahr ist vieles anders auf dem «Peti». Im Vergleich zur «Mäss» vor der Corona-Zwangspause sind 22 Markthändler weniger vertreten. Und wegen Corona wurden Fahrgeschäfte, Kasperlitheater und Nostalgie-«Resslirytti» vom Platz verbannt. Dennoch ist die Stimmung gut und der Zulauf gross wie schon immer. Mitten drin auch mehrere Markthändler aus dem oberen Baselbiet. Wir haben eine Handvoll entdeckt, die wir hier kurz vorstellen (siehe Umfrage). Sie alle leisten viel für das Kleingewerbe, mit grossem Einsatz, Erfolg und hoher Qualität.
Dora Meier (im Bild: Andreas Hirsbrunner), Posamenter, Wenslingen
Die frühere Gymnasiallehrerin Dora Meier-Küpfer aus Wenslingen pflegt seit ihrer Pensionierung ihre grosse Leidenschaft, das Kultivieren von Hochstammbaumobst, mit besonderem Augenmerk auf Zwetschgen. Die Marke Posamenter bezieht sich auf die Seidenbandweberei. Entstanden ist die Firmenidee 2005. Gesinnungsfreunde wie Andreas Hirsbrunner tragen viel dazu bei, für die geernteten Früchte neue Märkte ausserhalb der üblichen industriellen Herstellung zu erschliessen. Mit kreativ denkenden Bäckern, Konditoren und Köchen wird die Angebotspalette laufend veredelt und ein für die Allgemeinheit selten gewordenes Naturprodukt zu gluschtigen Endprodukten wie Zwetschgenläckerli oder Törtli entwickelt. Den Posamenter-Stand findet man am Petersgraben beim Gittereingang rechts, circa 20 Meter nach dem Restaurant Harmonie. Umfrage Willi Erzberger (Text) und Christian Roth (Bilder)
Für warme Füsse
Renate Jeker, Socken aller Art, Rümlingen
Nie wieder kalte Füsse – und die haben viele. Seit 33 Jahren wirkt Renate Jeker aus Rümlingen auf dem Petersplatz (diesmal vor der Fassade des Uni-Gebäudes) als erfolgreiche Sockenfrau. «Socken aller Art – nie wieder kalte Füsse.» So steht es im Firmenlogo. «Muess no go Socke hole!» – den Spruch hört man auf dem «Peti» häufig. Jeker bekam vor etlichen Jahren die Verkaufsbude angetragen und griff sofort zu. Schon ihre Mutter verkaufte Gestricktes auf dem «Seibi», während zehn Jahren assistiert von der Tochter. In sechs Jahren wird die Fusswärmerin pensioniert. «Ich werde weitermachen», verkündet sie. Gute Nachrichten für die mit den eiskalten Füssen.
Gürtel und Jacken aus Leder
Roland und Susanne Meier, Lederwaren, Langenbruck
Seit 1983, zwei Jahre nach der Firmengründung, bietet die Lederwarenherstellerin «S&R» ihre Produkte auf dem Petersplatz an. 1986 zügelte das Unternehmen der Eheleute Roland und Susanne Meier wegen mehr Platzbedarf nach Langenbruck. «Die Basler Herbstmesse ist nicht nur für uns der wichtigste Jahresanlass», schwärmt Susanne Meier. Die Nachfrage nach Lederwaren wie Gürtel und Jacken ist beachtlich. 1989 hat das umtriebige Unternehmerpaar eine hydraulische Stanzpresse angeschafft.
Schmuck aus edlen Metallen
Jacob und Madlen Bernoulli, Estrella de Plata, Hölstein
Silbener Stern. So die Übersetzung des spanischen Begriffs, den das Ehepaar Bernoulli als Firmenlabel gewählt hat. Verarbeitet werden in ihrem Atelier in Hölstein hochwertige Materialen wie Weiss- und Gelbgold, Silber, Titan oder Palladium zu individuellen Schmuckstücken, die es an Weihnachtsmärkten der Region anpreist und verkauft. Bei ihren Präsentationen wird klar und deutlich zwischen Eigenprodukten und zugekaufter Schmuckware unterschieden. Jacob Bernoulli war im Gastgewerbe als Kellner und Koch weitherum tätig, wirkte im Ausland bis ins ferne Mexiko. Der Drang nach Eigenständigkeit führte ihn auf Umwegen und nach der Heirat mit Madlen zum Juweliersmetier; seit 18 Jahren ist das Paar erfolgreich auf Präsentationstour auf dem «Peti».
Heinz Spinnler, Prägekarten, Tecknau
Visiten-, Glückwunsch- und andere Karten mit Prägedruck. Wer stellt so etwas her? Kenner und Liebhaber aus der ganzen Schweiz wissen es: Heinz Spinnler in Tecknau. Dem gelernten Setzer stehen viele alte Bleischriften zur Verfügung – auch für exklusive Aufträge. In seinem kleinen, aber feinen Unternehmen wird auf hand- oder fussbetriebenen Maschinen gearbeitet. Seine 14-jährige Präsenz an der Basler «Mäss» beurteilt er als emotionales und ökonomisches Erfolgserlebnis. Zu finden ist Spinnler erstmals im Handwerkerdörfli. Auch dort entstehen Prägedrucke.
Töpferarbeiten mit Leidenschaft
Michael Marx, Töpferei, Gelterkinden
Der Gelterkinder Michael Marx hat sich angesichts der unsicheren Corona-Verhältnisse für die diesjährige «Mäss» aus ökonomischen Gründen mit André Fasolin aus Ziefen für einen gemeinsamen Stand auf dem Häfelimärt entschieden. Marx ist seit 35 Jahren Töpfer aus Leidenschaft und zum 10. Mal an Basels grösstem Herbsterlebnis präsent. In seinem Unternehmen entstehen Töpferwaren in altüberlieferter Handarbeit. Die hauptsächlich aus Ton hergestellten Produkte werden vom mitausstellenden Keramiker auf 1260 Celsius gebrannt. Spülmaschinenfest!
André Fasolin, Keramik, Ziefen
Viel unterwegs ist André Fasolin aus Ziefen, aber erstmals in Basel präsent. Ausgebildet als Primarlehrer und als solcher immer wieder tätig, hat er in vielen Jahren eine Keramik entwickelt, deren Basisprodukte aus selbstgesuchten Lehmen, Tonen oder Sanden aus der Schweiz besteht. Üblicherweise wird die Tonmasse für die Endzubereitung industriell im Ausland hergestellt. Rohstoff ab Fabrik. Fasolin ist in der Branche international bekannt. Er war auch schon aktiv in Japan und Südkorea. Und jetzt erstmals am «Häfelimärt».
Handwerk von der Töpferscheibe
Lucia Brogle-Finatti, «Töpferchäller», Kienberg
Bereits zum 13. Mal präsentiert die gelernte Drogistin Lucia Brogli-Finatti ihr reichhaltiges Keramikangebot auf dem Petersplatz. Bis zum Ausbruch der Pandemie hat sich das ökonomisch gut gerechnet. Daher ist ihr Atelier in Kienberg während der «Mäss» geschlossen. Den «Ärmel reingezogen» Richtung Keramik hat es ihr in jungen Jahren, als sie zusehen durfte, wie auf einer Töpferdrehscheibe Rohware bearbeitet wurde. Daraus wurden 40 intensive Folgejahre mit kontinuierlich erweiterten Angeboten (Kurse, Seminare, Ausstellungen und Events) und einer stetig wachsenden Anhänger- und Kundschaft.
Curries, made in England
Philippe Widmer, Sissach, Curry Taste
Dem auf vielen Märkten etablierten langjährigen Markthändler Philippe Widmer braucht keiner dumm zu kommen. Er ist ausgebildeter Jurist. Wie wird so einer «Mässund Chilbi»-Händler? «‹D’ Mäss› ist zu mir gekommen», scherzt der Mann, der vor zehn Jahren sein Angebot umgestellt hat. Jetzt sind Curry-Pasten im Angebot, abgefüllt in Dosen und zubereitet aus frischen Zutaten. Frei von künstlichen Geschmacksverstärkern und hergestellt in England. Widmer hat das exklusive Vertriebsrecht für die Schweiz. Curry Taste, so der Slogan, springt einem von weither in die Augen.