Statt Absage gleich ein Theaterfestival
24.08.2021 Arisdorf, KulturJürg Gohl
Verwundert reiben sich die vielen Hobby-Schauspielerinnen und -spieler der «Theatermühle» Arisdorf mitsamt ihrem Helferteam die Augen. In der aktuellen Ausgabe der monatlich erscheinenden Zeitung des Verbands der Schweizer Volkstheater ist ihnen die ...
Jürg Gohl
Verwundert reiben sich die vielen Hobby-Schauspielerinnen und -spieler der «Theatermühle» Arisdorf mitsamt ihrem Helferteam die Augen. In der aktuellen Ausgabe der monatlich erscheinenden Zeitung des Verbands der Schweizer Volkstheater ist ihnen die Titelgeschichte gewidmet. Zwar hat das Fachblatt bereits in der vorgängigen Ausgabe über Ideen verschiedener Laienbühnen berichtet, mit denen diese dem Corona-Blues trotzen. Doch von Arisdorf war damals keine Rede. «Bewusst», schreibt der Herausgeber, sie hätten dem aussergewöhnlichen Projekt einen gesonderten Bericht gegönnt.
Zu Recht. Denn als sich abzuzeichnen begann, dass die «Theatermühle» ihr geplantes Stück «Es ist alles nur ein Spiel» wegen der Corona-Auflagen wie schon im Vorjahr erneut nicht würde spielen können, begannen Präsident Michael Laubscher und sein Team, mit dem Segen des Gesamtvereins, über eine Alternative nachzudenken. Die vorgesehene Produktion steckt indes bis Juni 2022 in der Warteschlaufe – für den Fall, dass die Szene bis dann wieder auf Normalbetrieb umstellen kann.
Entwickeln statt verhindern
Damit Corona-Sicherheitsauflagen Aufführungen und Proben möglichst nicht beeinträchtigen, entwickelte sich schnell die Idee, mehreren Kleingruppen von maximal fünf Personen die Möglichkeit zu bieten, auf dem weitum bekannten Dachstock einer Scheune an der Hauptstrasse jeweils ihre Produktion von maximal einer Stunde Länge zu spielen. Das war die Geburtsstunde des ersten Theaterfestivals im oberen Baselbiet. Die Pandemie wurde vom Theater-Verhinderer zum Theater-Entwickler.
Nun werden zwischen dem 27. August, also kommendem Freitag, bis zum 12. September an zehn Abenden jeweils zwei der insgesamt elf teilnehmenden Gruppen mit einem Kurzprogramm auftreten. Da sind der Sissacher Benjamin Zimber, der junge Arisdörfer Lars Epple, eine Volkstheatergruppe aus Jenins, junge Schweizer Profis aus Berlin oder die bekannten Basler Impronauten zu sehen, ein Pinocchio-Nachmittag steht im Programm (am 4. September), und der Mix reicht vom Improtheater über Comedy und Krimi bis hin zum Tiefgang-Theater.
Die Crew der gastgebenden «Theatermühle» ist für alles Technische besorgt. Fielen die Kulissen in den vergangenen Jahren in Arisdorf immer üppiger aus, so erfolgt in der diesjährigen Sonderauflage notgedrungen eine Rückkehr zum Schlichten. «Bühne frei!» lautet der Titel über dem Gesamtprogramm – ein Aufruf, der auch als Ausruf der Erleichterung verstanden werden kann.
Hoffen auf Zuschauer
Ein Eintritt wird nicht erhoben, dafür wird um einen freiwilligen Austritt gebeten. Die Einnahmen werden solidarisch auf die jeweils zwei Formationen aufgeteilt, die den betreffenden Abend bestreiten. Für den veranstaltenden Verein bleiben die Einnahmen aus dem Theaterbeizli übrig. Von den Teilnehmenden und von der Fachzeitschrift werden die Arisdörfer mit viel Lob für ihre Idee bedacht.
Der Blick auf den Vorverkauf zeigt aber, dass die Euphorie noch nicht ganz aufs Publikum übergegriffen hat. Waren in den vergangenen Jahren die zehn Vorstellungen jeweils in kürzester Zeit ausverkauft, so gibt es bei diesen Theater-Festspielen noch freie Plätze. Ist dies nun Corona oder den zahlreichen Konkurrenzveranstaltungen geschuldet? «Kann sein», sagt Präsident Michael Laubscher, «aber ich bleibe optimistisch, denn es hat für jeden etwas.» Er vertraue auch darauf, dass die Menschen gerade jetzt erkennen, wie sehr die Künstlergruppen ein zahlreiches Publikum verdient hätten. «In so kurzem Zeitraum solch hochwertige Theatervielfalt zu erleben – das ist eine einmalige Sache», wirbt Laubscher in eigener Sache.
Er selber ist mit seiner Frau 2005 aus der Theaterstadt Wien nach Arisdorf umgezogen, besuchte eine Aufführung der Gruppe, war begeistert und stand bereits im Folgejahr als Köbi Nebel im «Spielverderber» erstmals auf der Bühne. Seit sieben Jahren ist er Präsident und tritt zudem mit dem «Teatro mobile» auf, einer Kleinformation der «Theatermühle».
«Hoffen wir, dass uns das Coronavirus, das uns dieses Festival geschenkt hat, dieses nicht wieder wegnimmt.» Das sagt nicht Laubscher, das wünscht sich die nationale Volkstheater-Zeitung.
Welturaufführung jg.
Nicht ganz unbescheiden wirbt die «Theatermühle» Arisdorf sogar mit einer «Welturaufführung» aus eigenem Boden. Ein Quintett des gastgebenden Vereins zählt zu den elf teilnehmenden Ensembles und bringt das Stück «Das Wartezimmer» auf die Bühne.
Es wurde von Regisseurin Danielle Hamann, die selber auch mitspielt, eigens für das «Bühne frei!»-Festival verfasst. Am kommenden Samstag erfolgt diese Premiere, die bereits ausverkauft ist. Das 60-minütige Stück wird eine Woche später nochmals gegeben.