«Leben» für verstorbene Arbeiter
10.08.2021 LäufelfingenHeinke Torpus und Claudia Ledermann stellen im «Silo 12» aus
Neben Porträts von lebenden Persönlichkeiten und verstorbenen Arbeitern der «Gipsi Läufelfingen» interpretiert die Künstlerin Heinke Torpus die Kantonswappen neu. Claudia Ledermann setzt mit ...
Heinke Torpus und Claudia Ledermann stellen im «Silo 12» aus
Neben Porträts von lebenden Persönlichkeiten und verstorbenen Arbeitern der «Gipsi Läufelfingen» interpretiert die Künstlerin Heinke Torpus die Kantonswappen neu. Claudia Ledermann setzt mit ihren Cartoons neue Akzente in der Musik.
Irène Böhm
Im «Silo 12» in Läufelfingen ist derzeit die neuste Ausstellung von Heinke Torpus zu sehen. Das mittlerweile bekannte Industriemuseum wird von der Sissacherin und ihrem Gast Claudia Ledermann für die Ausstellung als «Dorf» interpretiert. Die sieben Kammern oder Häuser sind verschiedenen Themen zugeordnet und der lange Gang als «Dorfstrasse» oder «Flaniermeile» ist bewusst frei gehalten, um auch den Blick durch die (Schau-)Fenster zu ermöglichen. Nur am Ende der «Dorfstrasse» schaut «Gabrielle» wohlwollend dem Treiben zu.
Gleich zu Beginn der Ausstellung erlebt das Publikum eine Vorpremiere: Eine weibliche Silhouette, bekleidet mit den «aktualisierten Schweizer Kantonswappen» winkt mit dem Stimmausweis und begrüsst die Besucherin und den Besucher. Erst im Oktober − zu Beginn der Frauensession im Bundeshaus zum 50-jährigen Frauenstimmrecht in der Schweiz – wird die Figur offiziell ausgestellt. In dieser Aktion der Schweizerischen Gesellschaft Bildender Künstlerinnen (SGBK) gestalten über sechzig Künstlerinnen aus der ganzen Schweiz ihre Silhouetten und begleiten so diese erstmalige Session.
Für diese Arbeit hat sich Heinke Torpus intensiv mit dem Thema Wappen und deren Bedeutungen auseinandergesetzt und in Zusammenarbeit mit einer Historikerin diese Symbole neu interpretiert. Am Beispiel des Wappens des Kantons St. Gallen erklärt sie den Prozess vom Rutenbündel mit dem Beil bis zu den drei Lilien in einer nach unten geöffneten Vase mit Bezug zum Boden. «Das Symbol des Rutenbündels ist ein Emblem für Folter, Züchtigung und Macht und geht auf das römische Reich zurück», erklärt Torpus. Für sie ist diese «Aktualisierung» eine Entwicklungs-, Befreiungs- und Friedensarbeit. «Es geht mir um Gleichberechtigung, Zusammenleben und auch um Liebe. Eine Prise Humor darf durchaus dabei sein.»
Werke unverkäuflich
Der Gang durch das «Dorf» geht weiter mit Porträts, einer Spezialität der Künstlerin. Das «Kopf-Atelier» und «Die alten Meisterinnen» werden gezeigt. Es geht weiter zur «Arbeiter-Kammer», in der Heinke Torpus Porträts von ehemaligen Arbeitern der «Gipsi» Läufelfingen nach historischen Aufnahmen ins Heute transferiert hat. Diese längst verstorbenen Arbeiter erhalten dadurch ein Gesicht und eine neue Lebendigkeit, schliesslich haben sie vor Jahrzehnten hier geschwitzt und sich den Gipsstaub von den Kleidern geklopft.
Die Künstlerin und Lehrerin für bildnerisches Gestalten Claudia Ledermann ist mit zwei Kammern präsent, in denen sie Arbeiten auf Papier präsentiert. Die Grafit-Landschaften nehmen farblich und strukturell den Steinbruch hinter dem «Silo 12» auf. Ein Blick aus dem gegenüberliegenden Fenster lohnt sich. Durch die bildhauerische Bearbeitung mit verschiedenen Werkzeugen verschwindet die Feinheit des Papiers und die Arbeiten wirken wie Holz, Rinde, Stoff oder Stein. In der zweiten Kammer spielt ein papierenes Kammerorchester auf, Cartoons mit Musikinstrumenten, in denen die Künstlerin die Welt als «Alltagsreportagen» illustriert. «Die Musik spielt in meinem Leben eine grosse Rolle», kommentiert sie ihre Arbeiten, «ich spiele mehrere Instrumente, singe und experimentiere mit Klang und Rhythmus.»
Dass die Werke nicht käuflich zu erwerben sind, ist etwas irritierend. Claudia Ledermann erklärt: «Die Originale bleiben bei mir. Mit Reproduktionen möchte ich an Verlage und weitere Ausstellungsorte gelangen.» Und Heinke Torpus doppelt nach: «Wir haben die Freiheit genossen, beim Aufbau nicht verkaufstechnisch zu denken, sondern ein grosses Ganzes zu schaffen.»
Die Ausstellung ist an jedem August-Wochenende jeweils Samstag und Sonntag von 11 bis 16 Uhr geöffnet.