Elia Wyssen will es wissen
27.07.2021 Rünenberg, SportLukas Müller
Wer schon einmal im rumpelnden Eiskanal in einem Bob sass, weiss, dass es zur Ausübung dieser Sportart neben viel Kraft, Energie und Durchhaltevermögen auch eine gehörige Portion Mut braucht. Elia Wyssen bringt diesen Mut mit, und er verfügt ...
Lukas Müller
Wer schon einmal im rumpelnden Eiskanal in einem Bob sass, weiss, dass es zur Ausübung dieser Sportart neben viel Kraft, Energie und Durchhaltevermögen auch eine gehörige Portion Mut braucht. Elia Wyssen bringt diesen Mut mit, und er verfügt auch sonst über viele Eigenschaften, die ihn zum Bobfahrer prädestinieren.
Durch das persönliche Gespräch mit seinem Vater und anderen kam Elia Wyssen vor einigen Monaten auf die Idee, dass er sich als Bobfahrer betätigen könnte. Langsam reifte die Idee weiter, doch «gut Ding will Weile haben». Eines schönen Tages war Elia Wyssen nach ausgiebigem Grundlagentraining und Kondition büffeln – im Hinblick auf den im Bobsport enorm wichtigen Startvorgang – bereit für einen Ernstkampf. Im Zweierbob ging er als Pilot eines Occasionsbobs an den Start, gemeinsam mit Bremser Mathieu Hersperger. Sein eigentlicher Bremser wäre Fabian Weschle gewesen, doch dieser musste bei einem anderen Bob aushelfen. Die Premiere gelang Wyssen/Hersperger nach Mass. Sie wurden Dritte in der Juniorenwertung der Schweizermeisterschaften.
Momentan fährt der 18-jährige Rünenberger mit Sebastian Zwyssig aus Muhen im Kanton Aargau – die beiden nehmen im kommenden Winter ihre zweite Saison in Angrff. Das Team wird durch Julian Aeberhard aus Basel ergänzt. Er wird ebenfalls als Bremser fungieren.
Neumodell statt Occasion
In nächster Zukunft rücken die Trainingswochen in Königssee in den Fokus, gefolgt in der kommenden Wintersaison von verschiedenen Cup-Rennen in St. Moritz. Als Krönung winken die Schweizermeisterschaften im Zweierbob – ebenfalls in St. Moritz. Unterwegs im Eiskanal erreichen die Bobpiloten problemlos Spitzengeschwindigkeiten zwischen 120 und 135 Stundenkilometern. Elia Wyssen ist sich seiner Verantwortung bewusst. Ruhig und überlegt steuert er seinen aerodynamischen Boliden durch die mit vielgestaltigen Kurven gespickten Eiskanäle.
Nun ist es jedoch so, dass Elia Wyssens jetziger Schlitten rund 25 Jahre auf dem Buckel hat. Für den ambitionierten Bobfahrer war dieses Sportgerät anfänglich sicher gut, weil er die Technik aus dem Effeff erlernen konnte. Alte Bobs sind bekanntlich schwieriger zu steuern als neue. «Ein neuer Bob verzeiht gewisse Fehler», sagt Wyssen.
Zwischen dem alten und dem neuen Bob besteht auch eine happige Preisdifferenz. Währenddem ein gutes Occasion-Modell auf rund 5000 Franken zu stehen kommt, müssen für einen neuen Zweierbob ohne Kufen rund 40 000 Franken hingeblättert werden. Kostenpunkt für die Kufen: 10 000 Franken extra.
Unbezahlte Ferien
Elia Wyssen und Sebastian Zwyssig sind Mitglieder des Bob und Skeleton Clubs Baselland mit Hauptsitz in Ormalingen. Der Verein engagiert sich enorm, er hat auch bei der Beschaffung des ersten Bobs mitgeholfen. Von der Sportförderung Baselland erhoffen sich die jungen Sportler ebenfalls finanzielle Unterstützung beim Kauf ihres neuen Schlittens. Eine entsprechende Eingabe ist bereits erfolgt. Die restlichen 2500 Franken hofft man durch Sportfreunde und Privatpersonen aus der Familie zusammenzutrommeln. Bereits wurde ein 99er-Club gegründet. Wer 99 Franken pro Jahr überweist, wird mit Nachrichten zu Trainings und Rennen versorgt.
Dem Bobsport will der junge Mann aus Rünenberg, der in einer Zimmermannslehre steckt, alles unterordnen: «Mein Ziel ist es, im Winter jeweils unbezahlte Ferien zu nehmen und durch Sponsoren meinen Unterhalt zu finanzieren.»
Von den besten Fahrern schaut er schon jetzt viel ab. Er beobachtet, welche Linienführung sie wählen, und kennt von jedem Fahrer den persönlichen Fahrstil. Wie die grossen Bobfahrer schleift auch er seine Kufen selber. Mit Beat Hefti, der seine Karriere abgeschlossen hat und lediglich noch ein, zwei Rennen pro Jahr fährt, pflegt er regelmässig Kontakt.
Neben dem Zweierbob reizt Wyssen auch der Viererbob. Bereits ist er mit Marco Lorenzoni mitgefahren – auf Position drei: «Ich habe die Fahrt richtig genossen und konnte beim Startprozedere sowie bei den Gewichtsverlagerungen unterwegs Vollgas geben.»
Im Moment will Wyssen so viel Erfahrung wie möglich sammeln und seine Technik weiter vervollkommnen, sodass er nach der Lehre richtig professionell anfangen kann. Bei all dem möchte er auch das Steinstossen nicht aus den Augen verlieren. Seine Kameraden vom örtlichen Turnverein werden diese Aussage mit Freude zur Kenntnis nehmen.