«Ein Ort, wo man aufblühen kann»
24.06.2021 Ormalingen«Ergolz»-Geschäftsführer Raymond Caduff nimmt Abschied
Nach fünfjähriger Amtstätigkeit geht der 58-jährige Geschäftsführer Raymond Caduff vorzeitig in Pension und verlässt am 30. Juni das Alterszentrum «Ergolz». Neuer ...
«Ergolz»-Geschäftsführer Raymond Caduff nimmt Abschied
Nach fünfjähriger Amtstätigkeit geht der 58-jährige Geschäftsführer Raymond Caduff vorzeitig in Pension und verlässt am 30. Juni das Alterszentrum «Ergolz». Neuer Geschäftsführer wird sein Stellvertreter Patrick Wohlgemuth, der bisherige Bereichsleiter Betreuung, Pflege und Hauswirtschaft.
Sander van Riemsdijk
Herr Caduff, wie geht es Ihnen so kurz vor der Stabsübergabe?
Raymond Caduff: Einerseits gut, da ich einen Teil von meinem Leben bald etwas freier gestalten kann. Ich freue mich, zusammen mit meiner Frau auf die Schifffahrten mit unserer Tjalk, einem grossen holländischen Schiff aus dem Jahr 1885, zwischen einigen Städten in Deutschland. Anderseits ist es ein eigenartiges Gefühl: Ich habe Studien absolviert, viele Weiterbildungen besucht und dabei so einiges gelernt. Dies immer mit dem Ziel, dieses Wissen beruflich einsetzen zu können. Jetzt, wo der Beruf wegfällt, bin ich ziemlich damit beschäftigt, wo und wie ich dieses Wissen gleichwohl noch einsetzen kann.
Wie verlassen Sie das Alterszentrum?
Mit einem lachenden und mit einem weinenden Auge. Ich lasse ein grosses Team von motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zurück, die hier eine grossartige Arbeit leisten. Ich habe als Führungsperson einen Teil zu dieser Arbeit beitragen können. Ich bin mir sicher, dass mir die Arbeit und das Team fehlen werden.
Können Sie loslassen?
Ja, das ist kein Problem. Ich bin da in eine Tradition eingestiegen und habe versucht, diese zu verstehen, gut aufzunehmen und entsprechend weiterzuführen. So soll es auch weitergehen. Mir ist es wichtig, dass ich das Alterszentrum gut übergeben kann. Jetzt sollen andere schauen.
Was macht das Alterszentrum für die Bewohnerinnen und Bewohner so besonders?
Wir wollen nicht nur eine Dienstleistung bieten. Wir verbringen mit den Pensionären viel Zeit, indem man den Alltag gemeinsam gestaltet, und wir versuchen, sie so viel wie möglich in unsere alltäglichen Tätigkeiten einzubeziehen. Man nutzt im Zentrum jede Gelegenheit, um ein Gespräch zu führen und nach dem Wohlbefinden zu fragen. Besonders in der Demenzwohngruppe muss niemand alleine sein. Wir möchten diese Kultur auf diese Art jeden Tag so leben.
Worauf haben Sie als Geschäftsführer im «Ergolz» für die Bewohnenden grossen Wert gelegt?
Ich habe in meiner vorherigen Berufszeit auch andere soziale Institutionen, andere Heime und meine eigenen Eltern in einem Altersund Pflegeheim erlebt. Im «Ergolz» habe ich den Eindruck, dass man Sorgfalt pflegt gegenüber den Menschen, die Unterstützung brauchen. Ich habe in meiner Amtszeit versucht, diese Sorgfalt zu unterstützen, sodass die Pensionäre gerne im «Ergolz» leben und wohnen und es kein Muss ist. Ein Ort, wo einerseits die Menschen wieder aufblühen können und andererseits Familienangehörige in der anspruchsvollen Pflege entlastet werden. Wichtig ist, dass man die Menschen im Alltag nicht alleine lässt, sondern ihnen die Möglichkeit bietet, mit anderen Menschen, die in einer ähnlichen Situation sind, den Alltag im Zentrum zu teilen.
Wie würden Sie die Kultur im Alterszentrum umschreiben?
Die Mitarbeitenden nehmen in der täglichen Arbeit eine sehr professionelle und zugleich empathische Haltung ein, die von Herzlichkeit und menschlicher Nähe geprägt ist. Es herrscht eine grosse Verbundenheit mit den Bewohnenden und eine enge Identifikation mit dem Alterszentrum. Merkmale, die beide ausserordentlich sind. Wenn Fragen oder Unsicherheiten im Raum standen, war es mir wichtig, dass diese benannt werden konnten. Insbesondere Führungspersonen mussten dabei gut zuhören können, um zu verstehen, was die Bewohnenden, Angehörige oder Mitarbeitende zu sagen hatten. Im Gespräch ist dann die Empathie gegenüber dem Empfinden des Gesprächspartners sehr wichtig.
Welches waren die grössten Herausforderungen für Sie?
Im Jahr 2019 hatten wir grosse Schwierigkeiten mit der Auslastung. Wir hatten zu viel Personal für die Arbeit, die wir zu leisten hatten. Die Pflegestufen waren zu teuer. Durch natürliche Abgänge konnten wir dann Personal abbauen. Wir wurden dadurch gezwungen, eine Durststrecke von einigen Monaten zu überbrücken. Diese Spannung auszuhalten, bis wir auch wieder mehr Plätze besetzen konnten, war eine echte Herausforderung. Die Corona-Zeit war auch sehr anspruchsvoll und belastend für alle. Wie auch andere Heime wussten wir am Anfang nicht, wie mit der schwierigen Situation umzugehen war. Wir haben Massnahmen ergriffen, waren uns aber im Unklaren darüber, ob diese überhaupt funktionieren würden. Das war für alle eine sehr anstrengende und unsichere Zeit.
Welche besonderen Erinnerungen oder Anekdoten werden Sie mitnehmen?
Ich werde sehr gerne an unsere jährlichen Weihnachtsfeiern mit praktisch allen Bewohnerinnen und Bewohnern und zusammen mit vielen Angehörigen zurückdenken. Es waren eindrückliche Festlichkeiten, mit manchmal bis zu 150 Personen. Wir hatten einmal einen innovativen und ideenreichen Bewohner, der einen Rollator besass. Das Rückwärtslaufen damit fiel ihm leichter. Damit es im Heim im Rückwärtslaufgang zu keinem Zusammenstoss mit Gegenständen oder mit anderen Bewohnenden kam, hatte er einen Rückspiegel montiert.
«Auf Herzhöhe»
svr. Mit der Wahl von Patrick Wohlgemut als Nachfolger des abtretenden Geschäftsführers Raymond Caduff setzt der Stiftungsrat des Alterszentrums Ergolz klar auf Kontinuität. Der 40-jährige Gemeindepräsident von Tecknau arbeitet im Zentrum seit Herbst 2018, in der Funktion als Bereichsleiter Betreuung, Pflege und Hauswirtschaft und als Stellvertreter in der Geschäftsführung. Er übernimmt nun am 1. Juli die Geschäftsleitung. Patrick Wohlgemut ist verheiratet, hat drei Kinder und läuft als Ausgleich zu seiner verantwortungsvollen Tätigkeit gerne Marathonstrecken durch die Topografie des Oberbaselbiets. Er schätzt die gute Übergabezeit mit Raymond Caduff und ist zuversichtlich, für die nächsten Aufgaben gut gewappnet zu sein.
Als eines seiner Ziele hat er sich die Weiterführung des guten Wohn- und Betriebsklimas im Zentrum gesetzt. In der Personalführung wird er den partizipativen Führungsstil mit seinen Mitarbeitenden nicht nur auf Augenhöhe, sondern insbesondere «auf Herzhöhe» fortsetzen. Auf Betriebsebene wird er weiterhin dafür sorgen, dass künftige Angebote an die Bedürfnisse der Bewohnenden angepasst werden und dabei die Entwicklungen im Altersheimwesen genau verfolgen. In diesem Sinne möchte er, dass das «Ergolz» ein Alterszentrum für die ganze Region ist und bleibt – sowohl für kantonale als auch ausserkantonale Interessenten.