«Wir wollen nicht jedes alte Haus renovieren»
06.05.2021 Augenschein, Lausen, Baselbiet
Christian Horisberger
Herr Riesen, Sie haben den Abbruch der Müllersvilla durch die Gemeinde Lausen beklagt. Sollte die Gemeinde nicht selber am besten wissen, was gut für sie ist, wo doch eine Renovation kostengünstiger wäre als ein Neubau?
Christian Horisberger
Herr Riesen, Sie haben den Abbruch der Müllersvilla durch die Gemeinde Lausen beklagt. Sollte die Gemeinde nicht selber am besten wissen, was gut für sie ist, wo doch eine Renovation kostengünstiger wäre als ein Neubau?
Ruedi Riesen: Dieses Argument hören wir oft. Es stimmt aber nicht. Viele von uns durchgeführten Renovationen und Umnutzungen noch älterer Gebäude als der Villa «zur Garbe» beweisen das Gegenteil.
Den Beweis müssen Sie schuldig bleiben. Die Villa «zur Garbe» steht nicht mehr.
Wir sind überrascht, wie rasch einfach mal vorsorglich, ohne dass ein neues Projekt vorliegt, eine qualitätsvolle Bausubstanz zerstört werden kann. Das ist leider ein weiteres Beispiel dafür, dass die Baukultur in unserem Kanton keine Lobby hat.
Die hat sie doch: Mit Ihrer Organisation, der kantonalen Denkmalpflege, mit dem kantonalen Denkmal- und Heimatschutzgesetz und dem Bauinventar Baselland (BIB) mit schützenswerten Kulturdenkmälern und erhaltenswerten Baudenkmälern.
Das BIB ist ein wichtiges Dokument, das mit einem enormen wissenschaftlichen Aufwand erstellt worden ist. Hunderte schützenswerte Bauten sind darin aufgeführt. Aber der Kanton tut sich schwer, auf der Basis des Inventars Forderungen zu stellen. Unseres Erachtens wäre es seine Pflicht, den Gemeinden beizubringen, dass das baukulturelle Erbe zu schützen ist. Aber die Denkmalpflege ist personell unterdotiert, sie kann nicht überall einwirken – politisch gewollt? Andererseits kümmern sich viele Gemeinden wenig um eine nicht rechtsverbindliche Empfehlung im BIB. Viele Gemeinden sind beratungsresistent und sehen rot, wenn sie Denkmalpflege und Heimatschutz hören. So kann man sich natürlich nicht mit gegenseitigem Verständnis begegnen.
Verhält es sich mit den privaten Eigentümern historischer Bauten ebenso?
Wenn schon das Gemeinwesen das BIB nur als schwache Empfehlung betrachtet, dann kann man dies von den privaten Eigentümern nicht erwarten: Objekte in privater Hand sind meist auf Gedeih und Verderb dem Renditedenken überlassen.
Ich würde mir als Bauherr auch zweimal überlegen, ob ich Sie anrufen soll: Wenn sich bei einem Bau oder Umbau Denkmalpfleger und -schützer einschalten, wird es kompliziert und teuer.
Auch eine viel gehörte Behauptung, die nicht haltbar ist. Bei vielen alten Gebäuden können Ausnahmeregelungen das Baugesetz übersteuern. Es geht generell um die wenig vorhandene Baukultur im Kanton. Normativer Häuslebau und Rendite sind angesagt und nicht eine qualitätsvolle Architektur und Respekt vor alten Objekten. Manche würden am liebsten alte Dorfzentren dem Erdboden gleichmachen und sie neu bebauen. Oft sind es dieselben Kreise, die in politischen Belangen die Heimat beschwören, deren Erhalt aber keine Rolle mehr spielt, wenn es ums Privateigentum geht.
Sie scheinen SVP-Politiker anzusprechen.
Das haben Sie gesagt. Auf jeden Fall jene Kreise im Parlament, die bei der Revision des Denkmalund Heimatschutzgesetzes im Jahr 2018 die Vorlage verwässert haben. Das Baselbiet ist einer der wenigen Kantone, wo die Eigentümer bestimmen, ob ein Gebäude unter Schutz gestellt werden kann. Daher ist es für uns unglaublich mühsam, Einfluss auf schützenswerte Bauten zu nehmen.
Wegen «Lausen» hatten Sie auch die Kantonale Denkmalpflege kritisiert, weil diese keinen Abbruchstopp verfügt hatte.
Wir und die Denkmalpflege stehen auf derselben Seite. Anders als wir hat die kantonale Stelle aber die Möglichkeit, eine provisorische Schutzmassnahme zu erlassen, um Zeit für Verhandlungen mit der Gemeinde zu gewinnen. Doch hat die Fachstelle in Lausen davon nicht Gebrauch gemacht. Es müssten künftig auch Exempel statuiert werden.
Müssen Sie sich nicht auch selber an der Nase nehmen? In der Cheddite sind Sie früh aktiv geworden und stehen in Verhandlungen mit der Bauherrschaft, um schützenswerte Betriebsgebäude zu sichern. Von der Villa in Lausen haben Sie erst durch die «Volksstimme» erfahren.
Wir sind ein sehr kompetenter und engagierter Vorstand, aber ein nur kleiner Verein mit einem Jahresbudget von wenigen 10 000 Franken. Wir können uns nicht über die Vorgänge in allen 86 Gemeinden auf dem Laufenden halten. Hier sehe ich nicht nur eine Hol- sondern auch eine Bringschuld. Aber wer lässt sich schon freiwillig in einen erspriesslichen Diskurs ein? Im Quartierplanverfahren Cheddite handelt es sich um einen normalen Planungsprozess mit Einsprachemöglichkeit, die wir genutzt haben.
Unter welchen Voraussetzungen würden Sie Ihren Segen zum Abriss eines Hauses mit einer BIB-Schutzempfehlung geben?
Wir wollen nicht jede alte Hütte pflegen und renovieren. In einem partizipativen Verfahren mit Kanton, Gemeinde und Eigentümer kann der Heimatschutz durchaus zum Schluss kommen, dass ein gut entwickelter Neubau die bessere Lösung ist als der Erhalt historischen Gemäuers. Ein Gebäude ist nicht grundsätzlich erhaltenswert, weil es alt ist, sondern es soll auch nutzbar sein.
Was nehmen Sie aus der Erfahrung mit Lausen mit? Enttäuschung? Frust?
Enttäuschung schon, aber wir sind im Vorstand eine Gruppe guter Fachpersonen – vielfach begeistert und wenig gefrustet. Und wir geben nicht so schnell auf. Mit viel Herzblut bleiben wir dran und sind unterwegs für eine gute Baukultur. Dafür gibt es auch in unserem Kanton viele gute Beispiele, wie unsere jährliche «Auszeichnung für gute Baukultur» beweist.