Wo Tiere zu Filmstars werden können
20.05.2021 BretzwilDie Bretzwilerin Angelika Pinth macht Hunde kamerareif und vermittelt sie für Film- und Werbefilmproduktionen. Was ein Filmhund können muss? Aufs Wort seinem Herrchen gehorchen, auch wenn es hektisch zugeht.
Céline Humair
Besucht man Angelika Pinth in ihrem Haus in ...
Die Bretzwilerin Angelika Pinth macht Hunde kamerareif und vermittelt sie für Film- und Werbefilmproduktionen. Was ein Filmhund können muss? Aufs Wort seinem Herrchen gehorchen, auch wenn es hektisch zugeht.
Céline Humair
Besucht man Angelika Pinth in ihrem Haus in Bretzwil, wird man zuerst von Kooikerhondje-Dame Navaja begrüsst. Kaum ist der Gast durch die Eingangstüre, übernimmt die Hundedame die Führung zum Trainingsraum, den ihre Herrin im Untergeschoss des Hauses eingerichtet hat. In diesem Raum geht Pinth mit Navaja, aber auch ihren Kunden und deren Hunden ihrer grossen Leidenschaft nach: dem Hundetraining.
Angelika Pinth ist mit Hunden aufgewachsen. Doch ihr erster Beruf hatte nichts mit den Vierbeinern zu tun. Die heute 60-Jährige arbeitete in einer Informatikfirma und führte später die erste PC-Ambulanz in der Region Baselland. Der Beruf liess sich schlecht mit ihrer Liebe zu Hunden vereinbaren. «Wenn ein Hund bei mir einziehen soll, dann will ich hundertprozentig für ihn da sein und ihn nicht während der gesamten Arbeitszeit allein lassen müssen», sagt Pinth.
In ihren Fünfzigern erlitt die Bretzwilerin eine gesundheitliche Einschränkung am rechten Arm, die es ihr verunmöglichte, weiterhin als Informatikerin tätig zu sein. Die Frage nach dem «Was nun?» stand im Raum. So erfüllte sie sich den Traum vom eigenen Hund. Navaja durfte bei ihr einziehen.
Mit der Hündin absolvierte sie das Training, besuchte Kurse und fand ihren eigenen Weg, mit Navaja zu arbeiten. Das machte ihr derart Freude, dass sie bald Ferienhunde bei sich aufnahm. Es folgten eine Ausbildung in Hundepsychologie und in der Arbeit mit Bachblüten – für Mensch und Tier. Freunde und Bekannte, die ihre Arbeit mit Navaja bewunderten, motivierten Pinth dazu, die Ausbildung zur Hundetrainerin zu absolvieren.
Corona und der Zufall
Durch Corona hatte Pinth keine Ferienhunde mehr und sie durfte auch das Hundetraining in Bretzwil nicht mehr erteilen. Durch Zufall lernte Pinth die Leiterin der Filmtieragentur filmtier.ch, Anita Ziegler, kennen. Die beiden Frauen verstanden sich auf Anhieb und hatten eine ähnliche Philosophie beim Tiertraining. Pinth absolvierte bei Ziegler eine Ausbildung zur Filmhundetrainerin und wurde zu deren Geschäftspartnerin und Vertreterin im Raum Nordwestschweiz.
Im Filmhundetraining wird all das vermittelt, was jeder Hund auch im Alltag beherrschen sollte: eine gewisse Basis an Signalen kennen und auf Befehl des Besitzers ausführen – auch dann, wenn er abgelenkt ist oder sich der Besitzer nicht in dessen unmittelbarer Nähe befindet. Deswegen ist das Filmhundetraining im Prinzip für jeden Hundehalter geeignet.
Ziegler und Pinth haben eine Trainingsphilosophie ausgearbeitet, bei der sich der Hund zu jeder Zeit wohlfühlen und immer Spass an der Arbeit haben soll. Das gelingt mit einer spielerischen Lernweise, die nur mit Belohnung und niemals mit Bestrafung arbeitet. Ziel der Ausbildung ist es, dass der Hund in jeder Umgebung dem Besitzer oder der Besitzerin zugetan ist und auch in fremder Umgebung nicht verunsichert reagiert.
Und so wird ein Hund ein Filmhund: Als Erstes wird ein Fotoshooting geübt, bei dem das Tier ruhig seine Position halten und den Fokus auf den Besitzer richten muss, der ihm anzeigt, wohin er schauen soll. Weitere Etappen sind das Üben von Kommandos oder Signalen, zunächst im Trainingsraum mit kleiner und gezielter Ablenkung, dann im Freien mit weiteren Einflüssen wie Gerüchen und Umgebungsgeräuschen. In einem letzten Schritt übt man die Signale bei viel unkontrollierbarer Ablenkung. Dann sind die Hunde bereit fürs Set.
Hunde als Film- oder Werbestars
Halter, die ihren Hund gerne vor der Kamera sehen möchten, werden in eine Kartei bei der Filmtieragentur aufgenommen. Wird eines der Tiere gebucht, begleitet Ziegler oder Pinth Hund und Halter zum Dreh. In der Nervosität gehen nämlich häufig grundlegende Dinge wie Pausen oder Belohnungen für den Hund vergessen. Die Filmtieragentur ist vorgängig auch mit dem zuständigen Veterinäramt in Kontakt, das jeden Dreh genehmigen muss. So soll sichergestellt werden, dass die Hunde am Set keine schlechten Erfahrungen machen.
Tiere der Agentur hatten bereits Auftritte in Werbespots von Zurich Help Points oder Endress + Hauser. Ausserdem ist soeben der Schweizer Spielfilm «Das Mädchen und die Spinne» von Ramon und Silvan Zürcher in die Kinos gekommen. Dort wirken zwei Hunde und eine Katze mit. Im Juni hat Pinths Hund Navaja einen grösseren Dreheinsatz, über den sie aber noch nicht mehr verraten darf. Papagei Coco, der ebenfalls von der Agentur vertreten ist, ist in einem Swisscom-Spot zu sehen.
Die Rollen der Hunde im fertigen Spot sind unterschiedlich. Zum Teil muss ein Tier nur durchs Bild laufen, etwas tragen, bellen, mit einem Schauspieler mitlaufen, sagt die Trainerin. Aber im Zurich-Help-Points-Spot hatte ein Tier der Agentur die «Hauptrolle».
Die Szenen seien meistens nach wenigen Wiederholungen im Kasten. Sie würden einzeln aufgenommen und dauerten im Idealfall nicht länger als eine Viertelstunde. Viel länger könne sich der Hund nicht konzentrieren. Dann geht es ab in den Ruheraum. Hilfreich sei es, wenn es nicht zu viele Wiederholungen gibt. Etwa fünf seien die Obergrenze. «Dank unserer peniblen Vorbereitung von Hunden, Besitzern und dem Kunden ging auch noch nie ein Dreh schief», freut sich Pinth.
Ausschnitte von Tieren in Videospots von Zurich Help Points
(https://youtu.be/VGaCh3yarlI) oder Endress + Hauser
(https://youtu.be/F-_7Pt-5GIQ) sind auf Youtube zu finden.