Wo die Grenzen zwischen Kunst und Nature verschwimmen
07.05.2021 LäufelfingenDer Skulpturenweg lädt zum Wandern, Entdecken und Nachdenken ein
Ab morgen Samstag ist der «Grenzgänger»-Skulpturenweg eröffnet. Für die «Volksstimme» sind Fotograf Christian Roth und Autor Martin Stohler vorab auf die Piste gegangen. Hier ihre ...
Der Skulpturenweg lädt zum Wandern, Entdecken und Nachdenken ein
Ab morgen Samstag ist der «Grenzgänger»-Skulpturenweg eröffnet. Für die «Volksstimme» sind Fotograf Christian Roth und Autor Martin Stohler vorab auf die Piste gegangen. Hier ihre Impressionen.
Martin Stohler (Text) und Christian Roth (Bilder)
Der Rundweg beginnt beim Bahnhof Läufelfingen. Hier hat der Zweckverband Forstrevier Homburg einen Mikro-Wald inszeniert, und hier steht auch ein kleiner Pavillon, in dem sich die Besucherinnen und Besucher über das Kunstprojekt informieren und eine Broschüre erhalten können, die sie durch die Freiluft-Ausstellung führt.
Bis zum ersten Kunstwerk – «Eisenbücher» von Heiko Schütz (Niederönz) – sind es nur ein paar Schritte. Kurz darauf stehen wir vor dem «Raum der Stille», einem Werk von Hans Jörg Rickenbacher. Der Läufelfinger Holz- und Feuerkünstler ist zusammen mit der Bildhauerin Sabine Gysin und dem Möbel- und Objektdesigner Bernhard Strub Teil des dreiköpfigen Projektteams, das die Plattform geschaffen hat, auf der nun 23 Künstlerinnen und Künstler aus den Kantonen Baselland, Basel-Stadt, Bern, Luzern und Solothurn bis zum 7. Mai 2022 ihre Werke zur Schau stellen.
An Rickenbachers Raum spiegelt sich die Umgebung. Allerdings hat er an den Wänden Zerrspiegel angebracht, die uns zu grotesken Gestalten werden lassen.
Nun geht es «opsi» und unsere Schritte werden langsamer. Nächstes Etappenziel ist der kleine Wasserfall des Murenbachs, dann geht es über das Waldhaus am Oberholden zum Motel am Unteren Hauenstein und schliesslich auf der Alten Hauensteinstrasse zurück nach Läufelfingen. Der Rundweg hat eine Länge von dreieinhalb Kilometern und weist einige (!) Höhenunterschiede auf – wie wir später auch in unseren Beinen feststellen.
Grenzen sprengen
Die Ausstellung steht unter dem Motto «Grenzen sprengen». Dies geschieht in mehrfacher Hinsicht. Die Werke werden nicht in den musealen oder privaten Raum verwiesen und eingeschlossen, sondern drängen hinaus in die Landschaft, werden räumlich zugänglich. Einige stechen sogleich ins Auge, andere entdecken wir erst allmählich.
Zu Ersteren gehören die «Riebli» von Natalie Agreda (Basel): Karotten, die nicht der von den Konsumenten gewünschten Norm entsprechen und aus dem Verwertungsprozess fallen. Sie sind zwar schon einmal militärisch aufgestellt, aber ob das reicht, um eine Revolution zu entfachen?
Ein Blick durch das weiter oben am Hang stehende hölzerne Fernrohr von Richard Zürcher (Sursee) jedenfalls lieferte keine Indizien dafür, dass weiter unten etwas in Bewegung gekommen wäre.
Andere Kunstwerke wiederum passen sich der Landschaft an, gehen manchmal fast in ihr auf – wie ein Teil der «Farbinterventionen» von Piot Tschopp (Gelterkinden) – oder halten sich im Halbschatten eines Baumes bedeckt wie der «Gast» von Irma Bucher (Sissach), ein Mann aus dunklem Rosshaar, der in einem Grenzbereich verharrt und auf ein Zeichen zu warten scheint.
Schlagbäume
Handelt es sich beim «Gast» um eine unsichtbare Grenze, so verweist im weiteren Verlauf des Weges Meinrad Feuchter (Dulliken) mit rot-weissen Markierungen an Waldbäumen auf Schlagbäume, die Übergänge sperren. Dazu hält er fest: «Liegt der Schlagbaum über dem Weg, ist die Grenze zu. Steht er, ist sie offen.» Diesen Ansatz spinnt Alexandra vom Endt (Liestal) in ihrem Werk «Open» weiter. Dabei «öffnet» sie die Panzersperre an der Alten Hauensteinstrasse und lädt zum Durchgang ein.
Besonders erwähnt werden soll eine weitere «Grenzöffnung», die wir so nicht erwartet haben. Mit der Skulptur «Mikado» kommen die jungen Künstlerinnen und Künstler der solothurnischen Kreisprimarschule Hauenstein-Ifenthal-Wisen zu einem überraschenden und erfreulichen Auftritt beim Waldhaus. Schön, dass ihr Werk im Skulpturenweg einen Platz gefunden hat.
Nicht missen möchten wir auch die skurrilen «Stülpentierchen» von Willy Suter (Tenniken). Sie zeigen uns Lebewesen während des Prozesses der Umstülpung, bei dem die Grenzen von innen und aussen ineinander verlaufen.
Ankommen
Mit der Zeit verlieren auf dem Rundgang auch die Grenzen zwischen Kunst und Natur und zwischen Kunst und menschlichen Relikten etwas an Trennschärfe. Zumindest in unseren Köpfen. Plötzlich fragen wir uns: «Ist der schwarze Büstenhalter, den im Wald jemand an einen Baum gehängt hat, ein künstlerisches Statement? Ist jener etwas speziell aussehende Holzstoss zufällig da, oder ist er eine künstlerische Installation?»
Ketzerische Fragen, vielleicht. Aber der Skulpturenweg in der Oberbaselbieter Landschaft regt zum Nachdenken und Beobachten an und setzt gar manches in Gang. Bevor wir aber allzu tief ins Grübeln kommen, entdecken wir kurz vor Schluss «A Rollin’Stone» von Lucia Strub (Biel). Da schickt sich einer an, den Hang hinunter in die grenzenlose Freiheit zu purzeln. Wer weiss, wie er unten ankommt? Wir winken ihm zu und ziehen weiter zum Läufelfinger Bahnhof, wo unser Rundgang begonnen hat.
Im Verbindung zum Skulpturenweg sind eine Reihe von Events geplant. Mehr darüber entnehme man der Website des «Grenzgänger»-Projekts. Dort finden sich auch Fotos sämtlicher gezeigten Werke sowie Angaben zu den ausstellenden Künstlerinnen und Künstlern: https://grenzgaenger.allyou.net
Stille Eröffnung
vs. Morgen Samstag wird der Skulpturenweg eröffnet – wegen Corona allerdings ohne Vernissage. Die vom Bundesrat verordneten Massnahmen liessen eine würdige Vernissage nicht zu, heisst es auf der «Grenzgänger»-Website. Der offizielle Teil dieser Ausstellung werde daher auf etwa Mitte Jahr verschoben: «Wir bemühen uns, dass es auch zu einem späteren Zeitpunkt eine spezielle und des Anlasses würdige Feier geben wird.»