Darum gehts beim CO2-Gesetz
18.05.2021 SchweizDas Wichtigste in Kürze zur Abstimmung am 13. Juni
Am 13. Juni entscheidet die Stimmbevölkerung über das revidierte CO2-Gesetz. Es gilt als ein Schlüsselelement in der Klimastrategie der Schweiz. Eine Übersicht mit den wichtigsten Fakten.
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Das Wichtigste in Kürze zur Abstimmung am 13. Juni
Am 13. Juni entscheidet die Stimmbevölkerung über das revidierte CO2-Gesetz. Es gilt als ein Schlüsselelement in der Klimastrategie der Schweiz. Eine Übersicht mit den wichtigsten Fakten.
sda. Die Schweiz hat wie 188 weitere Länder das Klimaabkommen von Paris unterschrieben. Die Staaten verpflichten sich zur Erarbeitung einer langfristigen Strategie, wie dem Klimawandel begegnet werden soll. Bis 2050 sollen unter dem Strich keine Treibhausgase mehr ausgestossen werden. Handelt man nicht, werden laut Wissenschaftlern Hitze- und Trockenperioden, Überschwemmungen und Erdrutsche weiter zunehmen. Den Bericht mit dem Titel «Langfristige Klimastrategie der Schweiz» reicht die Schweiz beim UNO-Klimasekretariat ein. Künftig soll beispielsweise mehr sauberer Strom in der Schweiz produziert werden – mit Wärme-, Sonnen-, Wind- und Holzenergie. Konkrete Massnahmen sollen in den nächsten Jahren mit Gesetzesprojekten ergriffen werden. Ein Schlüsselelement ist das revidierte CO2-Gesetz bis 2030.
Bundesrat und Parlament wollen mit dem revidierten CO2-Gesetz den Treibhausgasausstoss der Schweiz bis 2030 gegenüber dem Wert von 1990 halbieren. Mindestens 75 Prozent der Massnahmen sollen im Inland erfolgen. Die Vorlage beruht auf einer Kombination von finanziellen Anreizen, Investitionen und neuen Technologien. Investitionen in Gebäude und Infrastrukturen werden unterstützt. Dadurch könnten etwa Gebäude klimafreundlich saniert, Ladestationen für Elektroautos gebaut, Elektrobusse im öffentlichen Verkehr beschafft sowie Fernwärmenetze gefördert werden. Die Lenkungsabgaben fliessen in einen Klimafonds. Gefüllt wird er unter anderem mit Einnahmen aus der CO2-Abgabe und der Flugticketabgabe. Mit dem Fonds sollen Projekte zur Senkung der CO2-Emissionen abgegolten werden. Die Lenkungsabgaben sollen also indirekt den Menschen im Land zurückerstattet werden.
Die Befürworter
Bei der Schlussabstimmung im Parlament unterstützten alle Fraktionen ausser der SVP das CO2-Gesetz. Geschehe nichts in Sachen Klimaschutz, würden die nachfolgenden Generationen noch mehr unter dem Klimawandel leiden, argumentieren die Befürworter. Mit dem neuen Gesetz und dem Klimafonds werde massiv in Forschung, Innovation und Entwicklung in der Schweiz investiert. Sie werde dadurch zum Klima-Hub, wovon die Wirtschaft profitiere. Es entstünden Arbeitsplätze. Die Lenkungsabgaben würden zudem fair und sozial an die Bevölkerung zurück verteilt. Das CO2-Gesetz wird neben dem Bundesrat und den Kantonen auch vom Städteverband, dem Gemeindeverband und der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) unterstützt. Zudem gehören zahlreiche Umweltorganisationen und Wirtschaftsverbände zum Ja-Lager.
Die Gegner
Gegen das CO2-Gesetz wurde das Referendum ergriffen. Die Vorlage strotze vor Verboten und Umerziehungsmassnahmen, kritisiert etwa die SVP. Die höheren Steuern und Abgaben gingen vor allem zulasten von hart arbeitenden Menschen. Im Wirtschaftskomitee «Nein zum CO2-Gesetz» vertreten sind unter anderem Automobilverbände, Avenergy Suisse (die ehemalige Erdölvereinigung), Swissoil sowie Organisationen wie das Centre Patronal, die Citec und der Verband Schweizer Flugplätze. Auch einige Klimaschützer sind unzufrieden. Ihnen geht die Vorlage zu wenig weit. Das Gesetz reiche nicht aus, um die Klimaerwärmung zu stoppen.
Deutlicher Ja-Trend
Nach der jüngsten SRG-Trendumfrage wollen 60 Prozent der Befragten das CO2-Gesetz annehmen. 35 Prozent äusserten sich dagegen und 5 Prozent waren unentschieden. Das Konfliktmuster verläuft entlang der Parteilinien. Am stärksten gegen die Vorlage sprachen sich SVP-Anhänger und Regierungskritische aus. Das Forschungsinstitut gfs.bern befragte zwischen dem 19. April und dem 2. Mai 22 732 Stimmberechtigte.
DARUM STIMME ICH JA
Für Innovation und Klimaschutz
Maya Graf, Ständerätin Grüne, Sissach
Unser Land verändert sich. Seit dem Jahr 2010 verlieren unsere Gletscher jährlich 2 Prozent Masse. Seit den CO2-Hitzewellen 2003, 2015 und 2018 nehmen trockene Wälder und Wasserknappheit zu. Die Kirschbäume treiben immer früher aus und sind anfälliger für späten Frost. Jahreszeiten verschwimmen, unser Alpenland erwärmt sich doppelt so stark wie der globale Durchschnitt. Die Klimakrise ist da. Wir müssen handeln.
Mit dem revidierten CO2-Gesetz legen Bundesrat und Parlament Massnahmen vor, wie wir unsere Treibhausgasemissionen bis 2030 halbieren können. Den ersten Schritt hat die Schweizer Stimmbevölkerung 2019 mit der Annahme der Energiestrategie 2050 bereits getan. Mit dem CO2-Gesetz lösen wir nicht nur in unserem eigenen Land einen Innovationsschub für eine nachhaltige Entwicklung aus, sondern erfüllen auch unsere Verpflichtung aus dem Klimaabkommen von Paris.
Alle Parteien ausser der SVP, Mehrheiten aus Wirtschaft und Gesellschaft – vom Städte- bis zum Bauernverband – wollen in einem gut schweizerischen Kompromiss das CO2-Gesetz nun so aktualisieren, dass wir unsere heimische Wirtschaft fördern können: Jährlich bleiben über 1,5 Milliarden Franken zusätzliche Wertschöpfung in der Schweiz und sichern Arbeitsplätze und Wohlstand. Das Gesetz steuert über Ziele statt Massnahmen und lässt so grösstmöglichen Handlungsspielraum. Es ist mir ein Rätsel, warum die «Heimatpartei» SVP die fossile Abhängigkeit von Erdölkonzernen und Ländern wie Nigeria und Libyen fortsetzen und Milliarden Franken lieber im Ausland ausgeben will.
Richtig ist, für den Anreiz einheimisch und erneuerbar müssen Treibstoff-Importeure verstärkt kompensieren. Wer Benzin und Diesel importiert, muss einen Teil der Emissionen durch Klimamassnahmen ausgleichen. Ein Teil der Abgaben speist einen Klimafonds, mit dem beispielsweise synthetische Flugtreibstoffe, ein besseres Nachtzugsangebot oder der Gefahrenschutz vor den Folgen des Klimawandels finanziert werden kann.
Zu den Lenkungsabgaben gehören die bestehende CO2-Abgabe auf Heizöl und Erdgas sowie neu eine Flugticketabgabe: Eine Durchschnittsfamilie kann mit dem revidierten Gesetz Ende der 2020er-Jahre Zusatzkosten von 97 Franken pro Jahr haben. Die Zusatzkosten entstehen aber nur in dieser Höhe, wenn der Öl- und Benzinverbrauch der Familie gleich bleibt. Wird zum Beispiel bis 2030 das Haus besser isoliert, steigt die Familie auf ein effizienteres oder ein Elektroauto um, sinken die Zusatzkosten. Reist sie nur einmal pro Jahr per Flugzeug in Europa in die Ferien oder heizt CO2-frei, erhält sie sogar mehr Geld zurück, als sie bezahlt.
Nationalrat de Courten und ich treffen uns dort, wo die SVP selbst in ihrem Extrablatt (Juni 2019) schreibt: «Neue Energiequellen müssen zuverlässiger, billiger und vorteilhafter sein als die bisherigen fossilen Energieträger. Um Umweltziele zu erreichen, brauchen wir Freiheit, Innovationskraft und Freude an einer intakten Umwelt, die es für die Kinder und Kindeskinder zu erhalten gilt.»
Genau das erreichen wir mit einem klaren Ja zum CO2-Gesetz.
DARUM STIMME ICH NEIN
Denkbar schlechtester Zeitpunkt
Thomas de Courten, Nationalrat SVP, Rünenberg
Das CO2-Gesetz belastet unseren Wirtschaftsstandort, insbesondere aber Gewerbe und KMU, mit noch mehr Bürokratie, noch mehr Steuern und Abgaben, noch mehr Einschränkungen und Verboten. Und das ausgerechnet jetzt, in einer Zeit, in der unsere Wirtschaft und damit alle Bevölkerungsschichten bereits stark unter den immensen Auswirkungen der Coronakrise und der Lockdowns leiden. Dieses Leiden dürfte noch längere Zeit anhalten. Es ist also der schlechteste Moment, die Rahmenbedingungen für KMU weiter zu verteuern, sie mit neuen Vorschriften, Kontrollen, statistischen Erhebungen und Bewilligungsverfahren zu drangsalieren und damit letztlich Arbeitsplätze zu verteuern und zu gefährden.
Vor diesem Hintergrund ist für mich weder die Stimmfreigabe des Schweizerischen Gewerbeverbands verständlich noch das Bekenntnis von Economiesuisse zur obrigkeitlichen Klima-Regulierungswut nachvollziehbar. Denn letztlich schielen die befürwortenden Branchen- und Wirtschaftsvertreter dieses CO2-Schreckgespenstes, wenn sie ehrlich sind, nur auf staatlich subventionierte Zusatzaufträge und Marktstützungen. Wer den Verlockungen der mit unseren zusätzlichen Abgaben und Steuern finanzierten Subventions-Honig-Töpfen verfällt, hat sich aber schon ein gutes Stück von den ökonomischen Grundüberzeugungen gegenüber Marktwirtschaft, Wettbewerb und Unternehmertum verabschiedet. Das kann es letztlich nicht sein. Es fällt auf die Wirtschaftsentwicklung zurück.
Noch während der parlamentarischen Debatte vertrat der Schweizer Gewerbeverband als unsere oberste Schweizer Interessenvertretung für Gewerbe und KMU überzeugt eine Klimapolitik, die den Unternehmen Chancen eröffnet, statt ihnen Vorschriften zu machen, indem sie ihnen Flexibilität und Anreize zur Effizienzsteigerung sowie zur Produkt- und Marktentwicklung gibt. Die Umsetzung des Schweizer Gesamtreduktionsziels im Rahmen des Übereinkommens von Paris müsse mit allen seinen Kooperations- und Flexibilitätsmechanismen und hinsichtlich der gesetzlichen Massnahmen auf ihre Wirkungseffizienz überprüft werden.
Die Wirkung der bisherigen, notabene freiwilligen Massnahmen der Wirtschaft über Zielvereinbarungsprogramme mit der Energieagentur der Wirtschaft seien zu honorieren und müssten berücksichtigt, allenfalls gestärkt und ausgebaut werden.
Von teuren, bevormundenden und bürokratischen Massnahmen, etwa der Erhöhung des Abgabemaximums der CO2-Abgabe, der Einführung neuer Steuern, der Schaffung neuer Subventionsinstrumente oder der Steuerung von Finanzflüssen sei aber klar abzusehen. Dazu kann ich stehen. Das wäre heute noch meine Klimapolitik, um dem Pariser Abkommen gerecht zu werden.
Der Schweizer Gewerbeverband scheint zwischenzeitlich jedoch – mindestens teilweise – den Schalmeien der Klimakatastrophen-Sirenen erlegen zu sein. Sirenen kennen wir bereits aus der griechischen Mythologie seit jeher als betörende, verführende, die Vernunft vernebelnde Fabelwesen, die ihre Opfer nur anlocken, um sie letztlich zu töten. Genauso wird es früher oder später jenen Wirtschaftsakteuren ergehen, die ihr Überleben und ihre Existenzberechtigung im Markt nur auf staatliche Umverteilung, steuerfinanzierte Subventionen und bevormundende Lenkungsmassnahmen abstützen. Deshalb ist für mich als KMUund Wirtschaftsvertreter nur ein klares Nein zu diesem CO2-Gesetz angezeigt.