«Senevita» kommt aufs Scholer-Areal
07.05.2021 LausenDroht mit den privaten Anbietern bald ein Überangebot in der Alterspflege?
Privat geführte Pflege- und Altersheime sind auf dem Vormarsch − auch im Baselbiet. Werden diese zu ernsthaften Konkurrenten der bestehenden Heime in den Gemeinden? Droht sogar ein Überangebot an ...
Droht mit den privaten Anbietern bald ein Überangebot in der Alterspflege?
Privat geführte Pflege- und Altersheime sind auf dem Vormarsch − auch im Baselbiet. Werden diese zu ernsthaften Konkurrenten der bestehenden Heime in den Gemeinden? Droht sogar ein Überangebot an Alters- und Pflegeheimplätzen?
Sander van Riemsdijk
Jetzt erhält im Baselbiet, nach Pratteln, auch die Gemeinde Lausen auf dem Scholer-Areal ein privat geführtes Alterszentrum. Das in der Gewerbezone liegende 11 400 Quadratmeter grosse Gebiet liegt westlich des Tonwerks zwischen der Hauptstrasse nach Liestal und dem SBB-Bahntrassee. Betreiberin des künftigen Alterszentrums mit 40 Plätzen in einem Gebäude, das 15 Meter hoch werden soll, ist die 1989 gegründete Senevita-Gruppe mit Sitz in Muri bei Bern. Das private Unternehmen ist in der Schweiz in 9 Kantonen mit insgesamt 29 Standorten vertreten.
Die Lausner Gemeindeversammlung hatte am 17. Juni vergangenen Jahres den Quartierplan Scholer-Areal gutgeheissen (die «Volksstimme» berichtete) und damit auch dem geplanten Alterszentrum als Bestandteil der Quartierüberbauung zugestimmt.
In Zeiten, in denen sich die Heime bedingt durch die Corona-Pandemie statt mit Wartelisten mit leeren Betten auseinandersetzen müssen, mündet die Erteilung einer weiteren Betriebsbewilligung für ein Alterszentrum an die Senevita-Gruppe in Fragen. Wichtige Fragen. Insbesondere, ob mit nochmals 40 zusätzlichen Pflegeplätzen nicht ein Überangebot droht und ob dieses neue und privat geführte Alterszentrum eine grosse Konkurrenz für die von den Trägergemeinden finanzierten Heime im Oberbaselbiet bedeutet. «Konkurrenz belebt das Geschäft», sagt Stephan Hall, Zentrumsleiter vom Seniorenzentrum Gritt in Niederdorf, «es soll ein Ansporn sein, sich bei gleichen Voraussetzungen mit anderen Heimen zu messen.»
Anderseits sieht es Hall als eine klare Aufgabe der Politik, ein Überangebot an Plätzen zu verhindern. Für Raymond Caduff, Leiter des Zentrums Ergolz in Ormalingen, stellt sich die Konkurrenzfrage gar nicht: «In erster Instanz soll die Politik im Rahmen ihrer Altersversorgungsstrategie mit der Erteilung von Betriebsbewilligungen einer allfälligen Überversorgung entgegenwirken.»
Steigende Anzahl Betagter
Gabriele Marty, Leiterin der Abteilung Alter im Amt für Gesundheit Baselland, möchte mit dem Bau des Alterszentrums in Lausen nicht per se von einem Überangebot sprechen. «Es gibt eine kurzfristige Perspektive mit den jetzigen pandemiebedingten Leerständen, und eine längerfristige, aufgrund der demografisch-statistischen Prognose mit einer steigenden Anzahl Personen, die über 80 Jahre alt sind und die in den nächsten Jahren eine Langzeitpflege und Betreuung benötigen.»
Im Altersbetreuungs- und Pflegegesetz gibt es für die stationären Langzeitpflegeangebote zudem klare Regulatoren dafür, ob sie auf die kantonale Pflegeheimliste aufgenommen werden. Mit diesem Instrumentarium kann im Sinne einer Bedarfsplanung ein allfälliges Überangebot an Plätzen in einer Versorgungsregion verhindert werden.
«Ich kann ein aufkommendes Konkurrenzgefühl in Zusammenhang mit dem Bau des neuen Alterszentrums in Lausen bei den bestehenden Heimen verstehen», sagt Daniel Bollinger, Präsident des Kantonalverbands Curaviva, «da im Oberbaselbiet tendenziell die Auslastung der Heime nicht so hoch ist wie im unteren Baselbiet.» Der Verband ist Mitglied des nationalen Dachverbands Curaviva Schweiz und vertritt 31 Trägerschaften, die mit einem Leistungsvertrag mit den Baselbieter Gemeinden 34 Alterszentren, Pflegeheime und Pflegewohnungen betreiben. «Anderseits wird die Zahl der Menschen im Alter von über 80 Jahren in den kommenden 15 bis 20 Jahren um mehr als 40 Prozent zunehmen. Von daher können zusätzliche Plätze eigentlich nicht schaden.»
Bollinger setzt die Zahlen in Relation zueinander: «Was sind schon 40 zusätzliche Plätze bei insgesamt mehr als 3000 bestehenden Heimplätzen im Kanton?» Ob die momentan geringe Auslastung ein vorübergehender Belegungsknick ist und die Heime in zwei Jahren wieder voll sein werden, sei schwierig vorauszusagen, meint er. Auf jeden Fall empfiehlt er den Betreibern, um künftig nicht in unerwünschte Konkurrenzsituationen zu geraten, alternative Angebote in der Betreuung der Seniorinnen und Senioren ernsthaft in Erwägung zu ziehen.
Ausgewogenes Angebot wichtig
Das Konkurrenzthema sieht Mireille Dimetto, Geschäftsführerin vom Zentrum für Pflege und Betreuung Mülimatt in Sissach, pragmatisch. Mitbewerber wird es immer geben, sagt sie. Es komme eher darauf an, wie das Gesamtpaket daherkommt. «Möglicherweise werden wir ein Überangebot an stationären Plätzen haben. Da muss jeder Leistungserbringer für sich entscheiden, wie er die Weichen für die Zukunft stellen wird.» Von zentraler Bedeutung ist für sie, dass die Heime eine gute Zusammenarbeit im Sinne von Synergien in der Versorgungsregion erreichen und die Angebote so ausgewogen sind, dass jeder Leistungserbringer überlebensfähig ist.