«Das war keine Abbruch-Bude»
30.04.2021 LausenHeimatschutz-Präsident kritisiert Gemeinde und Kanton
Der Abriss einer über 100-jährigen Villa in Lausen schreitet ungehindert voran. Heimatschutz-Baselland-Präsident Ruedi Riesen muss tatenlos zuschauen. Er ärgert sich über die Gemeinde und die kantonale ...
Heimatschutz-Präsident kritisiert Gemeinde und Kanton
Der Abriss einer über 100-jährigen Villa in Lausen schreitet ungehindert voran. Heimatschutz-Baselland-Präsident Ruedi Riesen muss tatenlos zuschauen. Er ärgert sich über die Gemeinde und die kantonale Denkmalpflege.
Christian Horisberger
«Dem Abriss dieses wunderschönen Gebäudes zusehen zu müssen schmerzt ein Architektenherz.» Ruedi Riesen, Präsident des Baselbieter Heimatschutzes, spricht von der Villa «zur Garbe» in Lausen. Die Gemeinde lässt das über 100-jährige, einstige Wohnhaus des Lausner Müllers abreissen, um an dessen Stelle einen Kindergarten zu errichten (die «Volksstimme» berichtete).
Riesen hat sich vor Ort einen Eindruck verschafft und was er sah, habe ihm die Tränen in die Augen getrieben. «In diesem Haus steckte eine unglaubliche Handwerkskunst», sagt er. Wunderschöne Täferdecken und Holzverkleidungen seien im Container gelandet. «Dahinter ist keine Ethik: Was einem nicht passt, wird einfach weggerissen.»
Unverständlich ist für Riesen der Abriss auch deshalb, weil die Heimatstilvilla im Bauinventar des Kantons aufgeführt ist. Dieses Inventar sei eine wichtige Empfehlung und verpflichte insbesondere ein öffentliches Gemeinwesen, in diesem Fall die Gemeinde Lausen, zur äussersten Sorgfalt im Umgang mit dem Bauwerk. Aber: Das Inventar ist rechtlich nicht bindend. Sehr zum Ärger Riesens: «Was nützt eine sorgfältig aufgebautes Bauinventar ohne Zähne?», fragt er rhetorisch.
Die Gemeinde begründet den legalen Abriss damit, dass Wasser in den Keller drücke und die Kosten einer Sanierung und Umnutzung jene eines Neubaus übersteigen würden. «Unsinn!», schimpft Riesen. «Das behaupten Politiker ohne Sachverständnis und Ahnung von Bauen. Im Fall von Lausen stimmt die Behauptung über die Mehrkosten schlicht nicht», sagt Riesen. «Die Villa ‹zur Garbe› war keine Abbruch-Bude.» So gebe es beispielsweise für das Wasserproblem bautechnische Massnahmen, die «vielleicht einige 10 000 Franken kosten würden». Das Kostenargument habe er zur Genüge gehört, vielerorts. «Wir sind von fachlicher Seite überzeugt, dass in der abgebrochenen Villa ‹zur Garbe› zwei wundervolle und individuelle Kindergärten mit Räumen für Tagesstrukturen in einer reizvollen Parklandschaft Platz gefunden hätten.»
Denkmalpflege vor Ort
Nicht minder enttäuscht ist Riesen von der kantonale Denkmalpflege. Diese hätte mit einer Baustopp-Verfügung intervenieren können, sagt er. Damit hätte Zeit für Verhandlungen mit der Gemeinde gewonnen werden können. Er habe die Denkmalpflege kontaktiert, erklärt Riesen. Deren Leiterin Brigitte Frei-Heitz bestätigt Riesens Hinweis. Einer ihrer Mitarbeiter habe sich vor Ort einen Überblick verschafft. Zu diesem Zeitpunkt seien Teile der Villa bereits abgebrochen gewesen.
Die Denkmalpflege könne eine Einstellung der Abbrucharbeiten verfügen, falls die Baute die Schutzwürdigkeitskriterien für eine kantonale Unterschutzstellung erfüllt, erklärt Frei-Heitz, «diese Kriterien erfüllt die Villa jedoch nicht». Aus dieser Zeit seien bereits einige repräsentative (Fabrikanten-)Villen geschützt. «Aus kantonaler Sicht ist deshalb eine Unterschutzstellung nicht dringlich.» Für die Geschichte und für das Selbstverständnis von Lausen habe die ehemalige Villa des Müllers, wie auch das Mühlegewerbe überhaupt, eine grosse Bedeutung. «Der kommunale Schutz wäre in diesem Fall gerechtfertigt gewesen», sagt die Denkmalpflegerin. Wie Riesen findet auch sie: «Es hätte auch geprüft werden können, ob die Villa nicht erhalten werden könnte und in die geplante Überbauung integriert hätte werden können.»