«Das Volk hat immer recht»
15.04.2021 BuusMit Verwalter Beat Sägesser geht eine Institution in Pension
Ende Mai geht Beat Sägesser, Gemeindeverwalter von Buus, in Pension. 31 Jahre war er im Amt. Beworben hatte er sich für die freie Stelle lediglich, um seinen «Marktwert» zu prüfen, verrät ...
Mit Verwalter Beat Sägesser geht eine Institution in Pension
Ende Mai geht Beat Sägesser, Gemeindeverwalter von Buus, in Pension. 31 Jahre war er im Amt. Beworben hatte er sich für die freie Stelle lediglich, um seinen «Marktwert» zu prüfen, verrät er.
Otto Graf
Herr Sägesser, warum sind Sie vor 31 Jahren in Buus gelandet – und so lange geblieben? Haben Sie nie damit geliebäugelt, in der Verwaltung einer grossen Gemeinde tätig zu sein?
Beat Sägesser: Als Gemeindeverwalter zu arbeiten war eigentlich immer mein Wunsch. Bevorzugt waren kleinere Gemeinden, weil man da noch etwas bewirken kann. In einer kleineren Gemeinde hat man damals noch alles selbst gemacht, von der ID über die Hundesteuer bis zum Finanzplan. Das hat mich gereizt. Dass ich in Buus gelandet bin, war eigentlich ein Zufall. Ich hatte eine gute Stelle in der Steuerverwaltung und war grundsätzlich damit zufrieden. Eigentlich wollte ich damals nur «meinen Marktwert prüfen», deshalb habe ich mich auf das Inserat der Gemeinde Buus gemeldet. Bereits am Abend des Vorstellungsgesprächs hat mich der damalige Gemeindepräsident Hugo Brodbeck angerufen und mir mitgeteilt, dass man sich für mich entschieden habe. Das hat mich dann etwas in Zugzwang gebracht, weil ich nicht unbedingt mit diesem Entscheid gerechnet hatte.
Was haben Sie besonders gern gemacht?
Den Steuer- und Finanzsektor habe ich immer gerne betreut. Da ich vorher in der Steuerverwaltung gearbeitet habe, lag mir damals besonders daran, dass die Steuerveranlagungen weiterhin in Buus vorgenommen wurden. Wir wollten nicht auf den Kanton angewiesen sein. Es war mir immer wichtig, dass die Einwohnerinnen und Einwohner möglichst bald eine definitive Steuerrechnung erhalten, was für die Liquidität der Gemeinde nicht ganz unwichtig ist.
Was lag Ihnen weniger?
Unerfreuliche Personalentscheide. Dass wir vor langer Zeit bei der Zusammenlegung der Forstreviere unseren langjährigen Förster entlassen mussten, hat mich lange beschäftigt. Das ist auch mit ein Grund, weshalb mich grössere Gemeinden nicht gereizt haben. Dort ist man in erster Linie Personalchef.
Wie haben Sie die technologische Entwicklung in der Verwaltung erlebt?
Die Verwaltung in Buus war schon früh mit EDV ausgerüstet. Die damals eingesetzten Programme konnten aber nicht befriedigen, weshalb der Anbieter gewechselt wurde. Wir haben uns damals mit anderen Oberbaselbieter Gemeinden der Firma Hürlimann angeschlossen, die damals neu gegründet wurde. Das Steuerprogramm haben wir gekauft, bevor es vorhanden war. Wir hatten dadurch die Möglichkeit, Inputs aus der Praxis zu geben. Dadurch haben wir eine massgeschneiderte Software erhalten.
Inwiefern hat sich das Verhältnis zwischen der Bevölkerung und den Behörden verändert? Sind die Menschen kritischer geworden?
Es war mir stets ein Bedürfnis, die Bevölkerung umfassend zu informieren. Nicht selten umfasst das Einladungsheft zur Gemeindeversammlung bis zu 30 Seiten. Auch Einwohner, die nicht an die Versammlung kommen, können sich so umfassend informieren. Es ist wichtig, dass man die Bevölkerung spüren lässt, dass sie ernst genommen wird. Das schafft Vertrauen. Natürlich hat sich der Kundenkontakt durch die neuen Medien verändert. Früher war er persönlicher. Heute wird bei jeder kleinen Frage eine E-Mail abgesetzt. Was mir zum Schluss mehr und mehr zu schaffen gemacht hat, ist die Erwartungshaltung insbesondere derer, die nicht gerade viel für die Gemeinde geleistet haben und auch bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen gerne im hinteren Glied stehen.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit von Buus mit anderen Gemeinden?
Die intensivste Zusammenarbeit besteht natürlich durch den Verwaltungsverbund mit der Gemeinde Hemmiken. 1995 wurde die Gemeinschaftsschiessanlage Buus-Maisprach auf Buusner Boden erstellt. Im Jahr 2000 wurde der Feuerwehrverbund Buus-Maisprach gegründet. Seit dem Schuljahr 2017/18 führen wir gemeinsam mit Maisprach eine Kreisschule. Allerdings haben wir uns schon früh über die Kantonsgrenze hinaus orientiert. Zusammen mit Maisprach haben wir uns bereits vor 20 Jahren dem Gemeindeverband Abfallbewirtschaftung Fricktal (GAF) angeschlossen. Die Kantone Baselland und Aargau mussten extra die Gesetzgebung anpassen, weil damals Zweckverbände über die Kantonsgrenze hinaus noch nicht reglementiert waren. Etwas später erfolgte der Anschluss an die Zivilschutzorganisation unteres Fricktal.
Ein überkommunaler Werkhof scheiterte hingegen. Weshalb?
Wir haben vor einigen Jahren mit Maisprach Gespräche geführt, um die Werkhöfe zusammenzulegen, das Unterfangen aber schnell abgebrochen, weil die Gemeinden zu unterschiedlich sind und weil der Abbau der Dienstleistungen wahrscheinlich zu gross gewesen wäre. Zum Beispiel die Schneeräumung: In welcher Gemeinde zuerst?
Was bewog Buus, die Verwaltung von Hemmiken zu übernehmen?
Der Gemeinderat Hemmiken kam auf uns zu, weil die damalige Finanzverwalterin von Hemmiken eine neue Herausforderung suchte. Hemmiken war hoch verschuldet. In den Büchern stand ein beachtlicher Bilanzfehlbetrag von über 300 000 Franken. Der Regierungsrat zog eine Fremdverwaltung in Betracht und verlangte eine Sanierung der Finanzen. Die Übernahme der Verwaltung von Hemmiken hatte die Aufstockung des Pensums meiner Stellvertreterin Jenni Schneider um 40 Prozent zur Folge. Die Verwaltung von Hemmiken erfolgte ab 2008 schrittweise mit den Steuerveranlagungen, der Finanzverwaltung und den Einwohnerdiensten. 2010 wurde dann die ganze Verwaltungstätigkeit übernommen. Heute verfügt Hemmiken über ein Eigenkapital von 640 000 Franken.
Wie wirkt sich die Covid-19-Situation auf den Alltag in der Verwaltung aus?
Wir waren es bisher gewohnt, dass die Verwaltung eigentlich während der Bürozeiten geöffnet war. Das hat sich geändert. Teilweise war sie sogar ganz geschlossen und der Zugang war nur nach telefonischer Anmeldung möglich. Durch die grosszügigen Platzverhältnisse in der Verwaltung war kein Homeoffice notwendig.
Welche Highlights fallen in die Ära Sägesser?
Ein eigentliches Highlight möchte ich nicht nennen. Ich bin aber doch etwas stolz darauf, dass wir mit einem bescheidenen Personalbestand alle Aufgaben erledigen konnten. Insbesondere die Übernahme der Verwaltungsgeschäfte für Hemmiken. Was wir initiiert haben, wurde durchgezogen. Natürlich gibt es immer etwas zu tun: Aktuell laufen die Vorbereitungen für den Umbau der Liegenschaft Restaurant Stab, welche die Gemeinde 2019 gekauft hat.
Wo engagieren Sie sich sonst noch?
Ich bin 1995 nach meinem Zuzug in die Gemeinde in den hiesigen Männerchor eingetreten. An der ersten Generalversammlung wurde ich als Aktuar in den Vorstand gewählt. Seit 2010 amte ich als Präsident. Weiter bin ich bei der Milchgenossenschaft Buus und beim GAF als Revisor tätig. Zudem arbeite ich gerne im Garten. Nach der Pensionierung steht das Geniessen im Vordergrund. Meine Frau und ich haben vieles zurückstellen müssen. Hoffentlich bleibt uns die Gesundheit, um einiges nachzuholen.
In 31 Amtsjahren sind sicherlich einige Müsterli passiert. Was fällt Ihnen da ein?
Ich war bis zur Zentralisierung der Zivilstandsämter auch Zivilstandsbeamter für Buus und Maisprach. In dieser Eigenschaft habe ich weit über 100 Eheschliessungen besiegelt. Ein Brautpaar erschien einst bereits «gut gelaunt» zur Ziviltrauung. Kurz vor dem offiziellen Teil hat dann der Bräutigam ausgerufen, weil er die Ringe vergessen hatte. Er hielt es für unnötig, die Ringe zu holen. Ich habe dem Brautpaar dann beschieden, dass ich die Trauung ohne die Ringe nicht vornehmen werde. Zehn Minuten später waren die Ringe da. Wir konnten später noch oft darüber schmunzeln.
Was hinterlassen Sie?
Rückblickend darf ich sicher sagen, dass in meiner Ära einiges erschaffen wurde. Ich habe sehr viel gearbeitet, nicht nur während der ordentlichen Arbeitszeiten. Es wurde praktisch die ganze Infrastruktur erneuert. Der Werkhof und das Feuerwehrmagazin wurden bei meinem Amtsantritt gerade fertiggestellt. Nacheinander wurden die Gemeinschaftsschiessanlage, das Schulhaus mit Kindergarten und die Gemeindeverwaltung gebaut. Nachher haben wir das Schwimmbad aufwendig saniert. In meiner ganzen Amtszeit wurde nur ein einziger Antrag des Gemeinderats von der Gemeindeversammlung zurückgewiesen: der Verkauf des alten Schulhauses mitten im Dorf. Namentlich die ältere Generation, die nicht immer gute Erinnerungen an die Schule hatte, stimmte interessanterweise gegen den Verkauf. Im Nachhinein stellte sich diese Abfuhr als Segen heraus. Das alte Schulhaus wurde später nämlich zugunsten eines Neubaus für die Gemeindeverwaltung abgerissen. Diese Möglichkeit hätte bei einem Verkauf nicht mehr bestanden. Da hat sich wieder einmal bestätigt: Das Volk hat immer recht! Es liegt mir sehr daran, zu betonen, dass ich es immer als Privileg empfand, für die Gemeinde zu arbeiten. Ich hatte vom Gemeinderat stets weitgehende Kompetenzen und glaube sagen zu können, diese zum Wohl der Gemeinde eingesetzt zu haben.
Die Annahme der Stelle hatte für Sie und Ihre Familie weitreichende Konsequenzen …
Mein damaliger Arbeitsvertrag verpflichtete mich, meinen Wohnsitz innert fünf Jahren nach Buus zu verlegen. 1995 bezogen wir mit unseren Kindern unser neu erstelltes Haus in Buus. Wir haben es nie bereut. Die Kinder leben mit ihren Familien wieder oder immer noch in Buus. Es ist mir weiter ein Anliegen, zu betonen, dass ich immer auf ein tolles und motiviertes Team zählen konnte.Es hat einen wesentlichen Anteil am Erreichten.
Zur Person
og. Beat Sägesser, geboren am 28. Mai 1956, ist in Sissach aufgewachsen. In der Firma von Arx AG absolvierte er eine kaufmännische Lehre. Nach der Rekrutenschule arbeitete er während vier Jahren im Pass- und Patentbüro in Liestal, anschliessend in der kantonalen Steuerverwaltung. Auf den 1. Juli 1990 wählte ihn das Stimmvolk von Buus zum Gemeindeverwalter und Nachfolger von Peter Plattner. Er ist mit Annette, geborene Braun, verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Nun geht Beat Sägesser in Pension. Sein Nachfolger, Claudio Maibach, ist seit dem 1. März im Amt.