Verständnis und Enttäuschung
30.03.2021 Basel, Gesundheit, GesellschaftChristian Horisberger
Keine Gesangsvorträge, keine Festhütten, keine fliegenden Fahnen und kein Umzug durch die Basler Innenstadt: Nach mehreren Musikfestivals und Grossevents hat das Coronavirus auch das Jodlerfest in Basel erwischt. Vergangene Woche haben der ...
Christian Horisberger
Keine Gesangsvorträge, keine Festhütten, keine fliegenden Fahnen und kein Umzug durch die Basler Innenstadt: Nach mehreren Musikfestivals und Grossevents hat das Coronavirus auch das Jodlerfest in Basel erwischt. Vergangene Woche haben der Eidgenössische Jodlerverband und das Organisationskomitee bekannt gegeben, dass die Veranstaltung mit rund 150 000 Aktiven und Besuchern, die vom 25. bis 27. Juni hätte stattfinden sollen, gestrichen ist. Endgültig. Eine Verschiebung um ein weiteres Jahr sei keine Option, teilen die Verantwortlichen mit.
Man hatte auf die Impfung gehofft und darauf, dass sich dadurch die Corona-Situation entspannt, um Ende Juni ein ausgelassenes Fest feiern zu können. Aber die Realität ist eine andere: Die dritte Welle ist am Anrollen und der ursprüngliche Impfplan des Bundes geht nicht auf – zumindest nicht bis Juni. Ohne Planungssicherheit wäre es unverantwortlich, gesundheitliche und finanzielle Risiken einzugehen, schreiben die Veranstalter, und «ein halbherziges Fest entspricht nicht unserem Naturell und stand darum nie zur Debatte».
Das sehen die Aktiven genauso. Das Singen vor Publikum und das Feiern sei für die Mitglieder seines Vereins an einem «Eidgenössischen» genauso wichtig wie der Liedvortrag und die Bewertung der Jury, sagt Raymond Tanner, Präsident des Jodlerklubs Hohwacht, Lauwil. «Wäre das Fest auf Biegen und Brechen und möglicherweise ohne Publikum durchgeführt worden, hätten wohl viele Vereine ihre Anmeldung zurückgezogen», vermutet er. «Das wäre lediglich ein juriertes Singen und hätte mit einem Jodlerfest nichts mehr zu tun.»
Kein weiteres «sehr gut»
Der «Hohwacht»-Präsident hat sich auf das Fest in Basel gefreut und bedauert die Absage. Aber er habe für die Veranstalter volles Verständnis. Die anderen von der «Volksstimme» angefragten Jodlerinnen und Jodler ebenfalls. «Schade und traurig, aber angesichts der Umstände verständlich», sagt etwa Werner Thommen. Sein Jodlerklub Spitzeflüeli aus Waldenburg hatte das volle Programm gebucht, also den benoteten Liedvortrag mit dem Ziel, einmal mehr ein «sehr gut» einzuheimsen und die Teilnahme am Festumzug am Sonntagnachmittag. Thommen: «Aber was will man tun?»
Ohne Bewertung der Jury wollte der Jodlerklub Farnsburg antreten. Ehrensache, denn die Gelterkinder Formation ist einer von acht «Trägervereinen», die das «Eidgenössische» in Basel seit der ersten Stunde unterstützen und Lobbyarbeit leisten. In der Brust von Dirigentin Doris Hirsbrunner schlagen zwei Herzen. Eines für die Gesundheit der Teilnehmenden: Etwa die Hälfte ihrer Sänger sei 65 Jahre und älter und gehöre somit einer Risikogruppe an.
Das andere schlägt für ein schönes Fest in Basel, das mit der Absage endgültig gestorben ist. Aber an eine Durchführung im kommenden Jahr, in dem bereits das Eidgenössische Schwingund Älplerfest in Pratteln stattfindet, sei nicht zu denken gewesen. Die beiden Grossanlässe hätten nebeneinander keinen Platz. Auch aus Sicht des Sponsoring wäre dies denkbar ungünstig gewesen.
Somit wird das nächste Eidgenössische Jodlerfest 2023 in Zug stattfinden. Die Nordwestschweiz kommt als Austragungsort eines «Eidgenössischen» nach «Aarau 2005» erst 2035 wieder zum Zug: Das Fest findet alle drei Jahre statt, wobei turnusgemäss immer ein anderer der fünf Teilverbände zum Handkuss kommt. Ob Basel dannzumal innerhalb der Nordwestschweiz wieder berücksichtigt wird, könne jetzt unmöglich gesagt werden, sagt die Präsidentin des Nordwestschweizer Verbands, Silvia Meister: zu weit weg. Ein Jodlerfest sei kein Kongress, den man langfristig fix planen könne. Denn dafür brauche es vor allem Menschen mit Herzblut, die «am Karren reissen» und eine Bewerbung initiieren würden. In 15 Jahren werde eine neue Generation am Ruder sein.
Meister steht hinter der Absage. Dennoch habe sie am Donnerstag in der Videokonferenz Tränen vergossen, als der Entscheid gefasst worden ist. Sie und «ihre» Leute seien eine Familie und würden das Zusammensein und die Pflege des Brauchtums vermissen. «Wir sind auf Entzug.»
Das Vereinsleben fehlt
Dies wurde in allen Gesprächen der «Volksstimme» mit den Jodlerinnen und Jodlern deutlich. Seit Covid-19 ab Oktober vergangenen Jahres das Vereinsleben auf Eis gelegt hat, fehle den Aktiven das Singen und das Vereinsleben. Der Zusammenhalt und auch das Einkehren nach der Probe werde sehr vermisst, sagt stellvertretend Raymond Tanner. Er freue sich darauf, wieder mit seinen Vereinskameraden jodeln zu dürfen, wenn die Covid-Bestimmungen es wieder zulassen: «Als wir uns vergangenen Frühling nach dem Lockdown wieder zur Gesangsstunde trafen, hatte beim ersten Lied jeder von uns Hühnerhaut.»