BADMINTONKÖNIG
26.03.2021 SportVerzicht und Gewinn – Teil 1
Ich habe mir früher nie bewusst überlegt, worauf ich verzichten muss, um eine Profisportkarriere angehen zu können. Ich sass nie an den Tisch, nahm Stift und Papier zur Hand und notierte, vor welchen abzuwägenden ...
Verzicht und Gewinn – Teil 1
Ich habe mir früher nie bewusst überlegt, worauf ich verzichten muss, um eine Profisportkarriere angehen zu können. Ich sass nie an den Tisch, nahm Stift und Papier zur Hand und notierte, vor welchen abzuwägenden Alternativen ich stehe. Dies, weil es für mich nie ein punktueller Entscheid war, Profisportler werden zu wollen. Mein Weg zeichnete sich einfach in der Junioren-Zeit ab, ich rutschte quasi in meinen Job hinein.
In den U19-Jahren wuchs in mir dann die echte Überzeugung, dass ich etwas mit den mir gegebenen Talenten, Chancen und Möglichkeiten erreichen will. Ich war motiviert, meine Karriere verantwortungsvoll anzugehen. Ich wägte keine Alternativen ab, sondern nahm mögliche auf dem Weg liegende Einbussen oder Einschränkungen einfach zur Kenntnis, mit einer klaren Vision vor Augen. Ich sah den Verzicht primär darin, dass ich materiell eingeschränkt sein werde, wenn ich Profisportler im Badminton sein will. Dass ich keine Arbeitsanstellung haben, ich das wirtschaftliche Risiko alleine tragen und ich keine Beiträge für die berufliche und private Vorsorge einzahlen werde.
Erst kürzlich erkannte ich in einem Gespräch, dass mein eigentlicher Verzicht nicht nur materieller Natur ist, sondern ich auch auf viele nicht wirklich messbare Freiheiten verzichte. Zum Beispiel, dass ich keine echte Wahl habe, wo ich wohnen will: «Trainiere ich am nationalen Trainingsstützpunkt in Bern, kann ich nicht gleichzeitig im Baselbiet bei meiner Familie leben.» Oder: «Bestreite ich Wettkämpfe, kann ich die Wochenenden nicht mit Freunden verbringen.» Oder: «Plane ich Ferien ein, gibt der Turnierkalender und das Schweizer Nationalkader vor, wann dies möglich ist.» Oder: «Will ich ein Fernstudium absolvieren, muss ich einen Studiengang auswählen, der ‹fern› angeboten wird». Oder: «Will ich abends einmal etwas unternehmen, muss ich mich sofort fragen, welche Auswirkungen das für meinen Trainingsplan und die Regeneration haben wird.»
Ich freue mich schon jetzt darauf, in meiner Nachsportkarriere einmal herausfinden zu dürfen, wie es sich ohne solche einschränkenden Fragen lebt. Ich habe das Gefühl, ich wüsste gar nicht, wie das ginge. So stark bin ich es gewohnt, nicht viele Freiheiten zu haben. Doch auch dann werden die Maximen noch gelten, dass ich einen Franken nur einmal ausgeben und ich Zeit kein zweites Mal durchleben kann.
Wie beschwerlich meine Verzichte auch tönen mögen – ich gewinne durch den Sport sehr vieles, oft Unbezahlbares. Ich schlage vor, ich schwärme in meiner nächsten Kolumne davon.
Der 25-jährige Joel König aus Titterten ist Badminton-Profi. 2014 beendete er das Sportgymnasium in Liestal. Er trainiert für den Schweizer Durchbruch im internationalen Badmintonsport.